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Was ändert sich für Verlader?

Reform des Transportrechts
Was ändert sich für Verlader?

Am 1. Juli ist das Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts (Transportrechtsreformgesetz, kurz: TRG) in Kraft getreten. Damit ist eine fast sechsjährige Vorarbeit abgeschlossen. Das Gesetz erfüllt eine europarechtliche Vorgabe, nach der der europäische Verkehrsmarkt für den Straßengüterverkehr ab dem 1. Juli vollständig liberalisiert sein wird. Das heißt, alle Unternehmer aus der Europäischen Union können überall ihre Dienste anbieten. Ein veraltetes System teilweise auch staatlich angeordneter Handlungsanweisungen wird durch die Integration aller Vorschriften in das Handelsgesetzbuch ersetzt.

Niels Lau

Das Transportrechtsreformgesetz verfolgt vor allem ein Ziel: Die Vereinheitlichung des Rechtsrahmens. Die Fülle der bis jetzt zu beachtenden Normen in unterschiedlichen Gesetzen und die verschiedenen Verkehrsträger Bahn, Lkw, Binnenschiff und Flugzeug wird unter §§ 407 bis 475 in einem neuen Vierten Abschnitt des Handelsgesetzbuchs (HGB) zusammengefaßt. Damit werden die vertraglichen Beziehungen und Verpflichtungen der am Güterverkehr Beteiligten und deren nebenvertragliche Pflichten sowie die Rechtsfolgen für deren Verletzung einheitlich geregelt. Wichtige Prinzipien des Gesetzentwurfes sind daher: Transparenz, Vereinfachung, Eigenverantwortung und Haftung.
Der Gesetzentwurf war zwischen 1992 und 1996 durch eine Sachverständigenkommission nach dem Vorbild des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) entwickelt und danach vom Bundesjustizministerium überarbeitet worden. An mehreren Anhörungen waren auch die Verbände des Güterkraftverkehrsgewerbes, der Spediteure und der verladenden Wirtschaft beteiligt. Hier hat insbesondere der BDI immer wieder deutlich gemacht, daß ein Höchstmaß an Vertragsfreiheit durch das Gesetz zugelassen werden müsse, zumal hierfür schon die Aufnahme der Vorschriften in das Handelsgesetzbuch spricht: Der Vertrag zwischen Absender und Transporteur beziehungsweise Spediteur oder Lagerhalter ist jetzt ein zivilrechtlicher Vertrag, der der Gestaltungsfreiheit der Vertragsparteien unterliegt. Dem wird insgesamt durch ein abgestuftes System zwingender Vorschriften, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen modifizierbare Vorschriften sowie individualrechtlich vereinbare Gestaltungsspielräume Rechnung getragen. Der Regierungsentwurf wurde nach Verabschiedung durch den Bundestag dem Bundesrat zugeleitet; der mit zwei Änderungsanträgen, die die einzelnen Vorschriften bezüglich des Lagerhalters und den üblicherweise die Automobilindustrie betreffenden Transport von Neufahrzeugen erfassen, Anfang Mai 1998 den Vermittlungsausschuß angerufen hat. Am 29. Mai 1998 wurde das TRG verabschiedet.
Inhalt und Aufbau des Gesetzes
Der Inhalt des Gesetzes sieht für den neuen Vierten Abschnitt des Handelsgesetzbuchs folgende Systematik vor: Das Transportrecht beginnt mit den grundlegenden Bestimmungen für das Frachtgeschäft, danach folgen Beförderung von Umzugsgut, Frachtvertrag mit verschiedenen Beförderungsmitteln („multimodaler Transport“), die Spedition und der Lagerbereich sowie die Erfassung der Binnenschiffahrt und des Luftfrachtverkehrs. Mit Inkrafttreten des TRG werden die Kraftverkehrsordnung für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (KVO), die Eisenbahnverkehrsordnung (EVO), die Beförderungsbedingungen für den Umzugsverkehr und für die Beförderung von Handelsmöbeln (GüKumB) und die Orderlagerscheinverordnung entfallen. Zentrale Vorschriften und für den kaufmännischen Verkehr relevant sind vor allem die Vorschriften über die Haftung des Transportunternehmers.
Frachtrecht
Die Vorschriften über das Frachtrecht sind insofern grundlegend, als das im Gesetzestext folgende Speditions- und Lagerrecht im wesentlichen auf ihnen aufbaut. Der Frachtbriefzwang entfällt zukünftig. Es bleibt den Vertragsparteien überlassen, ihn dennoch zu vereinbaren; grundsätzlich – also wenn nichts weiter vereinbart ist oder sich aus den üblichen Umständen nichts anderes ergibt – hat der Absender das Gut beförderungssicher zu ver- und entladen, während der Frachtführer selbst für die beförderungssichere Verladung zu sorgen hat.
Haftung
Bereits im Abschnitt über das Frachtgeschäft werden die Grundlagen der Haftung des Transporteurs geregelt: Diese waren zentraler Punkt der Beratungen über das TRG, weil hierdurch die ökonomischen Interessen der Marktteilnehmer besonders betroffen sind. Für Verlust, Beschädigung und Überschreiten der Lieferfrist haftet der Vertragspartner des Auftraggebers nunmehr verschuldensunabhängig. Mit der Übernahme des Gutes beginnt also bereits die Verantwortlichkeit des Frachtführers; hierin ist auch der Grundsatz der „Obhutshaftung“ begründet. Die Haftungshöhe wird bei Verlust und Beschädigung auf den Wert des Gutes, höchstens jedoch auf 8,33 Sonderziehungsrechte (SZR; zur Zeit zwischen 18 und 20 DM, siehe Kasten am Textende) begrenzt. Dies gilt auch für teilweise Beschädigungen der Sendung. Die Rechnungseinheit SZR ist aus der CMR übernommen worden. Die Haftung für Lieferfristüberschreitung ist auf das Dreifache „der Fracht“ begrenzt. Für sonstige Schäden wird mit dem Dreifachen des Betrages gehaftet, der für den Verlust oder Beschädigung zu zahlen wäre, allerdings unbegrenzt, wenn Vorsatz oder Leichtfertigkeit und „das Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde“, vorliegt. Diese Einschränkung bedeutet eine Verschärfung gegenüber dem bisherigen Recht zugunsten des Verladers, denn bislang wurde nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit gehaftet. Allerdings ergibt sich für den Absender jetzt die Schwierigkeit, das „Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde“ zu beweisen.
Der Frachtführer haftet nicht bei Schäden, die durch unabwendbare Ereignisse verursacht werden, und nicht bei unzureichender Verpackung, fehlender Bezeichnung als „gefährliches Gut“ (nicht: Gefahrgut) und den Schaden bei Transport von Neufahrzeugen auf üblicherweise verwendeten offenen Spezialtransportern. Letzteres hat für die Automobilindustrie unzumutbare Folgen; das Land Niedersachsen hat daher den Vermittlungsausschuß angerufen. In der Tat widerspricht dieser Haftungsausschluß der generellen Gefährdungshaftung des Frachtführers, selbst wenn internationale Übereinkommen etwas anderes vorsehen. Dem hat der Vermittlungsausschuß Rechnung getragen. Dem Absender kann deshalb kein Nachteil daraus entstehen, daß der Frachtführer offene Spezialtransporter verwendet, wenn vorher klare Weisungen erteilt wurden.
Auch der Absender haftet verschuldensunabhängig gegenüber dem Frachtführer für Beschädigungen, wenn er nicht sorgfältig genug verpackt hat, im vereinbarten Frachtbrief unvollständige Angaben macht oder über die Gefährlichkeit des Gutes nicht informiert. Weitere Regelungen umfassen den Verlust des Gutes (vermutet bei 20 Tagen Lieferfristüberschreitung) und die Berechnung des Schadens (im Regelfall Reparatur- oder Ersatzbeschaffungskosten zum Marktpreis) sowie die Zahlungsmodalitäten. Der Geschädigte kann nach dem Gesetzentwurf nicht nur den Vertragspartner, sondern auch den tatsächlichen Transporteur, also jeden Subunternehmer, in Anspruch nehmen. Dies bedeutet eine wesentliche Erleichterung für den Absender. Ein Schaden muß allerdings spätestens am 7. Tag nach Anlieferung angezeigt werden. Die Verjährungsfrist für Ansprüche beträgt ein Jahr, gerechnet ab Ablieferung oder vereinbartem Ablieferungstag bei Verspätungsschäden. Bei Vorsatz des Frachtführers verjährt der Anspruch erst nach drei Jahren; hier ist die Frist der entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) übernommen worden. Dem Frachtführer wird ein Pfandrecht am transportierten Gut eingeräumt, und zwar auch für unzweifelhafte Forderungen aus anderen Verträgen, etwa einer Entgeltforderung aus einem vorherigen Frachtvertrag.
Umzugsgut
Beim Transportvertrag über Umzugsgut wird die Haftung auf 1.200 DM pro transportiertem Kubikmeter angehoben, also der Raum und nicht das Gewicht zugrunde gelegt. Bei Privatumzügen muß der Frachtführer über die Haftungsvorschriften den Auftraggeber informieren, will er sich auf Haftungsbeschränkungen berufen. Der Umzugsunternehmer muß auch eine Versicherung eindecken, wenn dies der Auftraggeber mit ihm vereinbart hat. Schadensanzeigen müssen bei äußerlich erkennbaren Schäden spätestens am Tag nach der Ablieferung, bei verdeckten Schäden innerhalb von 14 Tagen nach Ablieferung erfolgen.
Multimodaler Transport
Erstmals wird der Transport mit verschieden Transportmitteln auf unterschiedlichen Transportstrecken geregelt. Hier bereitet oft der Umstand Schwierigkeiten, daß auf den verschiedenen Transportstrecken oftmals unterschiedliches nationales Recht Anwendung finden kann. Nun soll die bereits im Seeverkehr praktizierte Regelung gelten, wonach bei bekanntem Schadenort das Recht dieses Ortes Anwendung findet, was für den Absender dann negative Folgen haben kann, wenn ein anderes nationales Recht die Beweislast für das Verschulden dem Verlader auferlegt. Bei unbekanntem Schadensort wird nach deutschem Recht gehaftet.
Speditionsrecht
Das Speditionsrecht gilt für denjenigen, der die Transportleistung organisiert, und zwar für eigene oder für fremde Rechnung. Insofern ist die Definition des „Spediteurs“ zeitgemäßer geworden. Für Verlust oder Beschädigung haftet der Spediteur wie ein Frachtführer, wenn er das Gut in seiner Obhut hat, nach den dort fixierten Grundsätzen der Gefährdungshaftung. Darüber hinaus haftet er nach dem Prinzip der Verschuldenshaftung für andere Schäden. Die Haftung entfällt, wenn der Schaden trotz Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Grundsätzlich hat der Spediteur für seine Mitarbeiter und die von ihm eingesetzten Frachtführer und Zwischenspediteure einzustehen, was die Anspruchsdurchsetzung für die Verladerschaft erleichtert.
Haftungshöhe
Besonders umstritten war, ob von der gesetzlichen Haftungshöchstgrenze (8,33 Sonderziehungsrechte/kg) durch Allgemeine Geschäftsbedingungen abgewichen werden kann, und zwar über 8,33 Sonderziehungsrechte zugunsten des Vertragspartners hinaus. Das Bundesjustizministerium trat für eine vollständige Freigabe der Haftungsgrenzen – nach oben wie unten – durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ein. Der jetzt im Entwurf eines Transportrechtsreformgesetzes niedergelegte Kompromiß läßt eine individuelle Vereinbarung von Haftungshöchstgrenzen ohne weiteres zu, eine durch AGB modifizierte Änderung allerdings nur in einer Höhe zwischen 2 und 40 Sonderziehungsrechten. Dem Verwender der AGB ist es darüber hinaus erlaubt, Haftungshöchstgrenzen jenseits dieses „Korridors“ zugunsten der Marktgegenseite zugrunde zu legen. Die Neuformulierung der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) sieht dementsprechend eine Haftung von 10 DM pro Kilogramm als Basishaftung für nicht transportbedingte Schäden vor. Möglich wäre jetzt aber auch eine durch AGB festgelegte Haftung in Höhe von 80 DM/kg als Basishaftung, wie sie bis jetzt etwa die KVO vorsieht, oder 0,20 DM/kg. Fraglich bleibt allerdings, wie sich die Haftung insgesamt versichern läßt. Auch hier wird Vertragsfreiheit im Hinblick auf individuell zugeschnittene Versicherungslösungen – also der Wettbewerb – die Gewähr dafür bieten, daß derjenige, der haften muß, auch haften kann. Die mit der Transportrechtsreform verbundenen Kostensteigerungen für die Spedition werden durch die Präventivwirkung der Obhutshaftung und die Haftungshöhe insgesamt zu einer Verringerung der Kosten führen.
Weitere Änderungen
Das Transportrechtsreformgesetz sieht vor, daß der Lagerhalter nach dem Grundsatz der Verschuldenshaftung für Beschädigungen am eingelagerten Gut haften muß. Insbesondere die Seehafenbetriebe befürchteten extreme Schadensersatzforderungen. Auch deshalb hatte der Bundesrat den Vermittlungsausschuß angerufen, um die Verschuldenshaftung für das Lagergeschäft wieder einzuführen. Aus Sicht der Industrie ist dies schon deshalb systemwidrig, weil kein Unterschied zwischen Beförderung und Einlagerung erkennbar ist.
Beförderungsbedingungen für die Eisenbahn werden nur noch im Personenverkehr Anwendung finden dürfen. Das Frachtrecht wird künftig auch für die Güterbeförderung per Eisenbahn gelten. Hier werden Lösungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen, die offiziell auf das Transportmittel Eisenbahn beziehungsweise das beförderte Gut abgestimmt sind, neue Freiräume schaffen. Gleiches gilt für die Binnenschiffahrt und den – soweit innerdeutsch durchgeführten und damit vom Transportrechtsreformgesetz erfaßten – Luftfrachtverkehr. Auch hier wird der Wettbewerb entscheiden, ob höhere Kosten auf die Verladerschaft abgewälzt werden können.
Folgen für die verladende Wirtschaft
Die grundlegenden Regelungen des Transportrechtsreformgesetzes werden weitreichende positive Folgen für das Verhältnis zwischen Absender und Transporteur haben. Die verladende Wirtschaft sieht in dem Gesetz daher einen tragfähigen Kompromiß für alle am Wirtschaftsleben Beteiligten. Die Erfassung aller Verkehrsträger sowie die klare Aufteilung zwischen den Risikosphären sind für die Vertragsparteien ebenso sinnvoll und praktikabel wie das grundlegende Prinzip der Vertragsfreiheit und die Gestaltungsspielräume, die sich aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben.
Mit diesem Rechtsrahmen werden die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen beider Marktseiten ausgleichend geschützt und die Vielzahl der beförderten Gütermengen und -arten berücksichtigt.
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