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Weltweit einkaufen – welches Recht vereinbaren?

Einkaufsrecht
Weltweit einkaufen – welches Recht vereinbaren?

Wer auf dem internationalen Markt Waren einkauft, kann dies auf Grundlage verschiedener rechtlicher Regelwerke tun. Er sollte daher wissen, welches für ihn günstige Regelungen enthält und vor welchem er sich besser hüten sollte.

Speziell für grenzüberschreitende Warenkäufe oder -verkäufe wurde 1980 vom Handelsausschuss der Vereinten Nationen mit dem UN-Kaufrecht eine einheitliche Rechtsgrundlage geschaffen, die von möglichst vielen Staaten auf der ganzen Welt akzeptiert wird. Das UN-Kaufrecht, auch CISG genannt, ist normaler Teil der deutschen Rechtsordnung, genauer: des deutschen Zivilrechts geworden und gilt somit zunächst einmal für jeden Warenkaufvertrag, den Unternehmen aus CISG-Vertragsstaaten schließen. Aufgrund der Vertragsfreiheit können die Vertragsparteien aber auch vereinbaren, dass dieser gerade nicht dem UN-Kaufrecht unterliegt und welche Rechtsordnung stattdessen – oder ergänzend – Anwendung finden soll auf die Rechtsfragen, die sich aus dem Vertrag ergeben.

Und auch wenn das UN-Kaufrecht nicht ausdrücklich in einem Vertrag ausgeschlossen wird, also Gültigkeit erlangt, so deckt es nicht sämtliche Fragen ab, sondern setzt den Schwerpunkt nur auf das Zustandekommen des Vertrages und die Rechte und Pflichten von Käufer und Verkäufer. „UN-Kaufrecht regelt immer nur einen fragmentarischen Teil der Rechtsfragen, die ein Einkaufsvertrag aufwirft“, warnt Rechtsanwalt Marco Hero von der Münchner Kanzlei PF&P. „Bei der Wahl von UN-Kaufrecht empfehle ich daher immer, im Vertrag sorgsam auch auf die Wahl einer nationalen Rechtsordnung einzugehen“, so Hero. Denn für alle übrigen rechtlichen Fragen ist dann wieder das jeweils von den Vertragsparteien vereinbarte oder ergänzend gültige nationale/europäische Recht maßgeblich: Für deutsche Vertragspartner also vor allem das Kaufrecht, wie es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt ist, für Vertragspartner mit Sitz innerhalb der Europäischen Union die Rom I-Verordnung (Rom I-VO), eine Verordnung des europäischen Gesetzgebers, die zwischen den EU-Mitgliedstaaten Anwendung findet und ebenfalls den Warenkauf regelt. Typischerweise findet das nationale Recht des Leistungserbringers Anwendung. Der Einkäufer wählt bei Unachtsamkeit daher schnell ausländisches Recht.
Individuelle Vertragsklauseln. Wenn gar keine Rechtswahl getroffen wurde, gilt gemäß Artikel 4 Absatz 1 Rom I-VO bei grenzüberschreitenden Kauf- und Warenlieferungsverträgen das Recht des Verkäuferlandes als Maßstab – für den Einkäufer eher unerfreulich. In vielen Fällen kommt auch das UN-Kaufrecht zur Anwendung. „Je nachdem, welches Recht der Käufer für günstiger erachtet, sollte er schon bei den Vertragsverhandlungen darauf hinwirken, dieses günstigere Recht schriftlich zu vereinbaren – wenn er die Macht dazu hat“, erklärt Prof. Roger Geffert von der Fachhochschule Flensburg. Während etwa das HGB von Unverzüglichkeit ausgehe, gewähre das CISG eine angemessene Frist für die Mängelrüge, das heißt der Käufer hat hier mehr Zeit für seine Reaktion: Pluspunkt für das CISG. „Entsteht aus einer Vertragsverletzung ein Schaden, muss dieser laut CISG unabhängig vom Verschulden ersetzt werden“, so Geffert weiter. „Im BGB gibt es Schadensersatz grundsätzlich nur dann, wenn der Schuldner die Vertragsverletzung zu vertreten hat.“
Andererseits stellt das UN-Kaufrecht höhere Anforderungen an die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten hinsichtlich Form und Frist. Gerade in der Disposition oder im Claim Management wiegen Fehler an dieser Schnittstelle schwer. Rechtsanwalt Hero weist darauf hin, dass dem Einkäufer einige Gewährleistungsansprüche nach CISG nur bei Vorliegen eines wesentlichen Mangels oder einer wesentlichen Vertragsverletzung zustehen. „Dies ist nur dann der Fall, wenn im Wesentlichen nicht das geliefert würde, was bestellt wurde. Da dies in der Praxis vergleichsweise selten vorkommen wird, verkürzen sich hier die Rechte des Einkaufs“, erläutert Hero. Der Anwalt rät daher: „Verlangt die Verhandlungssituation die Vereinbarung von UN-Kaufrecht, so ist es ratsam, die daraus resultierenden nachteiligen Besonderheiten im Vertrag durch individuelle Klauseln abzufangen. Dies wird häufig vergessen.“
Gerichtsstand klären. Unabhängig von der Frage, welches Recht zur Anwendung kommt, ist die Frage zu beurteilen, vor welchem Gericht ein etwaiger Rechtsstreit ausgetragen werden soll: im Inland, am Sitz des einkaufenden Unternehmens, oder im Ausland, wo der Lieferant seinen Sitz hat. Ist hierzu nichts vereinbart, gilt der Gerichtsstand des Beklagten, also der Sitz des Verkäufers, oder des Erfüllungsortes. Für den inländischen Einkäufer ist natürlich immer ein deutscher Gerichtsstand wünschenswert: Man kann den vertrauten Anwalt beauftragen, eine etwaige Verhandlung findet in der Nähe statt und die Korrespondenz erfolgt auf Deutsch. Dies erreicht man durch eine sogenannte Gerichtsstandvereinbarung im Vertrag: „Gerichtsstand ist München“ heißt also, wenn der Kaufvertrag nicht eingehalten wird, ist der deutsche Rechtsweg zu beschreiten, sprich bei dem zuständigen Münchner Gericht Klage zu erheben. Ein Prozess würde hier stattfinden. Welches Recht das Münchner Gericht dann anzuwenden hat, beurteilt sich dann aber wieder nach dem Kaufvertrag beziehungsweise nach dem Internationalen Privatrecht (Rom I-VO/UN-Kaufrecht); eventuell muss das deutsche Gericht dann auch ausländisches Recht anwenden.
Der auf den ersten Blick vorteilhafte innerdeutsche Gerichtsstand hat aber einen kleinen Haken: Auch das Urteil eines deutschen Gerichts muss im Ausland, beim Verkäufer, vollstreckt werden, zum Beispiel also in Chile eine Geldforderung eingetrieben werden. Eventuell muss das Urteil, im Vollstreckungsverfahren „Titel“ genannt, erst noch übersetzt werden und ein spezielles Anerkennungsverfahren („Exequaturverfahren“) im Ausland durchlaufen – das kostet Zeit, Geld und Nerven. Innerhalb der Europäischen Union ist man hier weiter: Schon seit einigen Jahren gibt es hier eine erleichterte Vollstreckungsmöglichkeit. Ab 2015 wird der Europäische Vollstreckungstitel noch weiter vereinfacht, das heißt, die Mitgliedstaaten erkennen untereinander die Titel ihrer nationalen Gerichte an; der italienische Gerichtsvollzieher kann unmittelbar beauftragt werden.
Gemeinsames europäisches Kaufrecht? Weniger weit sind die Europäer bei der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Kaufrechts. Ein entsprechender Verordnungsentwurf der Kommission liegt seit Jahren auf dem Tisch, wurde aber von den Experten wenig positiv beurteilt: „Sehr lückenhaft, sehr viel Unsicherheit“, so beschreibt Geffert den vorliegenden Gesetzestext. Zu unterschiedlich sind hier noch die einzelnen Rechtspositionen, zu viele Kompromisse müssten noch eingegangen werden, bevor in der gesamten Europäischen Union ein einheitliches EU-Kaufrecht in Kraft treten könnte. Ungebeugten Mutes hat aber Ende Februar 2014 das Europäische Parlament dem Kommissionsvorschlag zugestimmt.

Verwirrende Namen
Etwas verwirrend sind die vielen Namen, unter denen das UN-Kaufrecht firmiert. Ob „UNCITRAL-Kaufrecht“ nach dem Handelsausschuss der Vereinten Nationen, der das Regelwerk geschaffen hat, „WKR“ für Wiener Kaufrechtsübereinkommen, „CISG“ für „United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods“ oder „CIS“ für „Convention on International Sale“ – alles meint dasselbe. Diese Erkenntnis ist der erste wichtige Schritt für erfolgreiche Vertragsverhandlungen.

UN-Kaufrecht
Das UN-Kaufrecht – englisch „United Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG)“ – wurde 1980 verabschiedet und ist mittlerweile in 80 Staaten weltweit in Kraft getreten. Hintergrund für die Einführung des UN-Kaufrechts war die Notwendigkeit, bei grenzüberschreitenden Warenkäufen oder -verkäufen eine einheitliche Rechtsgrundlage zugrundelegen zu können, die von möglichst vielen Staaten auf der ganzen Welt akzeptiert wird. Es stellt einen völkerrechtlichen Vertrag dar, der in jedem Staat gilt, der die Ratifizierungsurkunde unterschreibt. Das UN-Kaufrecht ist in Deutschland ratifiziert und verkündet worden und dort seit 1. Januar 1991 geltendes Recht.
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