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Wenn Asche zu Feinstaub wird

Im Wiener Krematorium ist eine spezielle Absaugtechnik im Einsatz
Wenn Asche zu Feinstaub wird

Bei der Kremation menschlicher Überreste entsteht hochgiftiger Feinstaub. Der musste bisher im Wiener Krematorium von Hand aus den Sammelbehältern entfernt werden. Eine maßgefertigte Absauganlage der Firma Bösch, ein Tochterunternehmen der Kärcher-Gruppe, nimmt die Stäube nun automatisch auf.

Wien besitzt bekanntlich ein ganz besonderes Verhältnis zum Tod. Eine „schönen Leich“, also eine opulente Trauerfeier und aufwendige Ganzkörperbestattung, hat hier eine lange Tradition. Lange Zeit war die Einäscherung der Verstorbenen gesetzlich verboten. Als das Wiener Krematorium im Jahre 1922 fertig gestellt wurde, war die Feuerbestattung noch nicht erlaubt. Erst ein Jahr später gelang den Vorkämpfern der Kremierung dann die Gesetzesänderung, dank derer das Krematorium in Betrieb gehen konnte. Heute ist auch in Österreichs Hauptstadt ein klarer Trend in Richtung Feuerbestattung vorhanden. Das bringt die Krematorium Wien GmbH mit fast 6500 Einäscherungen im Jahr an die Grenzen ihrer Kapazitäten. Aus diesem Grund werden nach und nach die drei elektrisch betriebenen Kremationsöfen gegen gasbetriebene ausgetauscht. Zudem wurde die Tragkraft der Sargeinfahrmaschinen auf 350 kg erhöht. Diese quantitative Steigerung wird von qualitativen Erhöhungen der Anforderungen begleitet. Denn das zunehmende Umweltbewusstsein formuliert per Gesetz immer höhere Ansprüche an den Betrieb von Krematorien. Reichten vor 30 Jahren noch einfache Einbauten aus, um die Staubbelastung im Rauchgas zu vermindern, sind jetzt Nachbrennkammern und Filteranlagen nötig, damit Kohlenmonoxid- und Staubemissionen weiter reduziert werden.

In der Hauptbrennkammer wird der Sarg bei bis zu 1400° C verbrannt. Hierbei entstehen giftige Gase und Stäube. Um sie herauszufiltern, wird während der Verbrennung in der Haupt- und der Nachbrennkammer ein Zusatz (Additiv) beigemengt, an das sich die giftigen Legierungen und Stoffe, wie Amalgam und Quecksilber, binden. Die Stäube werden als nächstes in die Entstaubungsanlage gesaugt. Die Anlage besteht aus drei Sammelbehältern, in denen sich die Stäube niedersetzen und durch ein Rührwerk in Richtung einer Absaugöffnung befördert werden.
Hier nimmt die Turbine den Aschestaub und damit auch die gebundenen Giftstoffe auf. Bis zum Einbau der Entstaubungsanlage und der Saugeinheit wurde die Brennkammer von den Mitarbeitern des Krematoriums zeit- und somit kostenaufwendig unter Einsatz von Schutzanzug und Atemschutzmaske von Hand gereinigt.
Die eigens für das Krematorium konstruierte und schlüsselfertig gelieferte Entstaubungs- und Absauganlage stammt von der Bösch Reinigungssystem GmbH aus Dornbirn. Das Unternehmen gehört zu Kärcher Österreich und ist dort für den Vertrieb von Industriesaugern der Marke Ringler zuständig, ebenfalls ein Tochterunternehmen von Kärcher. „Das Wichtigste ist: Es handelt sich um ein geschlossenes System, das keine manuellen Eingriffe mehr benötigt.“, erklärt Rudolf Guggenbichler, Produktmanager Industriesauger, Anwendungstechnik und Projektierung der Firma Bösch. Die Anlage besteht aus einer Saugeinheit, 53CV10, die mit einer Leistung von 7,5 kW, bei einem Unterdruck von 300 mbar, 13 500 Liter Luft in der Minute ansaugen kann und aus einer Filtereinheit und einem Vorabscheider mit Patronenfilter, der über neun Quadratmeter Filterfläche verfügt. Das Filtermaterial PTFE ist in der Staubklasse H13 eingeordnet und in elektrisch leitfähiger Ausführung ausgestattet. „Da es sich bei dem aufgenommenen Feinstaub um explosionsfähiges Material handelt, ist die Anlage zündquellenfrei in der Explosionsschutzklasse Atex Zone 22 ausgeführt“, erläutert Guggenbichler die hohen Anforderungen, welche bei der Konzeption der Anlage gestellt wurden. Die Filter werden mittels Druckluft automatisch gereinigt. Das erfolgt im Reinigungszyklus während des Betriebes und als Nachreinigung im Stillstand. Mit der Anlage lassen sich darüber hinaus allgemeine Reinigungsaufgaben im Keller des Gebäudes lösen. Insgesamt 60 m Rohrleitung sind an die Absauganlage angeschlossen. An acht Anschlüssen können Saugschläuche von sechs Meter Länge über Klappen mit Deckeln und Dichtungen angefügt werden. Mit Boden- und Handdüsen können die Mitarbeiter, zum Beispiel unterhalb der Öfen, die Umgebung der Filteranlage und der Rauchgasabsaugung oder die von Staubbelastung betroffene Aschemühle reinigen. Wie der Verbrennungsvorgang selbst gehört auch die Nachbereitung der sterblichen Überreste zu der Aufgabe des Krematoriums.
Aus einem Kasten mit den Kremierungsrückständen werden von Hand große Metallelemente wie medizinische Implantate aussortiert, danach mit einem Handmagneten größere magnetische Bestandteile wie Sargnägel entfernt. Edelmetallrückstände wie Zahnfüllungen werden hingegen mit in die Urne gegeben. Es lässt sich technisch nicht verhindern, dass Edelmetalle auch an den ausgesonderten Rückständen oder Implantaten anhaften. Diese werthaltigen Rückstände werden anschließend und nur mit Einverständnis des Begräbnisbestellers verwertet, der Erlös wird dem Sankt-Anna-Kinderspital in Wien gespendet.

Gesetzliche Regelungen

Seit 1997 regelt in Österreich eine einheitliche Verordnung über Anlagen zur Feuerbestattung detailliert die Anforderungen, welche an Feuerungen, Rauchgasanlagen, Emissionsgrenzwerte, kontinuierliche Messungen sowie Einzelmessungen für bestehende und neue Anlagen gestellt werden. Das Wiener Leichen- und Bestattungsgesetz schreibt vor, dass in einer Brennkammer immer nur ein einzelner Verstorbener eingeäschert werden darf. Deshalb passt in die Hauptbrennkammer nur ein Sarg. Diese bauliche Maßnahme gewährleistet, dass sich die Asche für die anschließende Beisetzung eindeutig einer Person zuordnen lässt. Die Richtlinie 3891 des Vereins Deutscher Ingenieure, die auch in Österreich gitl, regelt darüber hinaus die Emissionsminderung für Anlagen zur Humankremation. Sie beschreibt die Ursachen für das Auftreten von schädlichen Umwelteinwirkungen und Maßnahmen zu deren Vermeidung.
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