Startseite » Allgemein »

Werkzeugbau in Südafrika

Beschaffung von Werkzeugen, Teil 3
Werkzeugbau in Südafrika

Südafrika ist nicht nur die größte, sondern auch die am weitesten fortgeschrittene Volkswirtschaft des afrikanischen Kontinents. Der Werkzeugbau stellt dort eine Vorzeigeindustrie dar. Der Lehrstuhl für Produktionssystematik am Werkzeugmaschinenlabor WZL Aachen beleuchtet den südafrikanischen Werkzeugbaumarkt näher.

S üdafrika gilt als eines der fünf bedeutendsten Schwellenländer. Die Wirtschaft ist in den letzten vier Jahren moderat um durchschnittlich 2,3 % pro Jahr gewachsen, mit einer positiven Prognose für die Jahre 2015 und 2016. Neben dem Bergbau und der Landwirtschaft ist der Maschinenbau, der etwa 15 % des BIP ausmacht, starker Treiber des Wachstums. Sowohl Daimler, BMW und Volkswagen als auch Toyota, Nissan und General Motors haben Produktionsstandorte in Südafrika. Dennoch hat das Land gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Probleme.

Das Lohnniveau lag im Jahr 2013 durchschnittlich bei 13 247 Euro und damit signifikant unter dem Durchschnitt der Industrienationen (28 156 Euro). Eine starke Belastung stellen tägliche Stromausfälle mit einer Dauer zwischen 30 Minuten und zwei Stunden sowie lang anhaltende Streiks, im Besonderen in der Automobilindustrie, dar. Trotz des schwierigen industriellen Umfelds stellt der südafrikanische Werkzeugbau eine Vorzeigeindustrie dar. Der Werkzeugbau wird als Kernbranche und Befähiger einer erfolgreichen produzierenden Industrie gesehen. Der südafrikanische Werkzeugbau ist in professionellen Branchenstrukturen organisiert. Verbände wie die Toolmaking Association of South Africa TASA oder die Regierungsorganisation National Tooling Initiative Programme NTIP investieren gezielt in den Werkzeugbau, um die Branche weiter zu stärken. Besonderes Augenmerk wird auf die Ausbildung von Mitarbeitern des Werkzeugbaus gelegt, die durch internationale Unterstützung auf ein höheres Niveau gehoben werden soll. Aktuell sind noch 29 % der Belegschaft in südafrikanischen Werkzeugbaubetrieben ungelernte Mitarbeiter ohne Abschluss – in Deutschland sind es lediglich 2 %. Werkzeugbaubetriebe liegen konzentriert in den industriellen Ballungszentren Pretoria und Johannesburg, Durban, Port Elizabeth und Kapstadt, in denen 70 % des landesweiten BIP erwirtschaftet wird. In Pretoria und Johannesburg sowie in der östlichen Kap-Region und Port Elizabeth befinden sich die internationalen Automobilhersteller. Das Produktspektrum der dort ansässige Werkzeugbaubetriebe besteht aus kleinen Blech- und Massivumformwerkzeugen sowie Spritzgießwerkzeugen. In der westlichen Kap-Region und rund um Durban werden hauptsächlich Spritzgieß- und Blasformwerkzeuge hergestellt. 88 % aller Werkzeugbaubetriebe in Südafrika haben weniger als 50 Mitarbeiter. Nur 2 % der Werkzeugbauunternehmen sind Großbetriebe zwischen 201 und 500 Mitarbeitern.
In Südafrika werden hauptsächlich einfache, kleine Werkzeuge mit einem geringen Werkzeuggewicht gefertigt. Die Mehrheit der in Südafrika gefertigten Werkzeuge, etwa 56 %, sind kleiner als 250 x 250 mm – in Deutschland sind es lediglich 44 %. Hierbei handelt es sich häufig um einfache Einkavitäten-Spritzgießwerkzeuge mit geringer Präzision. Nur etwa 12 % der südafrikanischen Werkzeuge übersteigen eine Größe von 2000 mal 1000 Millimeter – etwa halb so viele wie in Deutschland.
Eine Fokussierung auf ein eingeschränktes Werkzeugportfolio wird bei den wenigsten Werkzeugbaubetrieben vorgenommen, was sich in einer kaum vorhandenen Werkzeugstandardisierung niederschlägt. Effizienzen in der Konstruktion oder Fertigung können so selten gehoben werden. Produktbegleitende Dienstleistungen werden wenig angeboten. Die Kundenbasis südafrikanischer Werkzeugbaubetriebe ist nur national vertreten und deutlich geringer als die deutscher Werkzeugbaubetriebe. Die Anzahl an Hauptkunden, mit denen 75 % des Umsatzes generiert werden, ist in Südafrika deutlich geringer als in Deutschland. Neben der reinen Produktkompetenz ist auch die Prozesskompetenz in Südafrika in der Regel nicht auf einem international vergleichbaren Niveau. In Südafrika sind Fertigungstiefen von nahezu 100 %, aufgrund mangelnden Vertrauens in andere Werkzeugbaubetriebe, keine Seltenheit – in Deutschland liegt die durchschnittliche Fertigungstiefe bei rund 70 %. Die Anzahl an Mitarbeitern in der Fertigung ist dementsprechend überdurchschnittlich hoch, wohingegen die Anzahl an Mitarbeitern in der Planung und Arbeitsvorbereitung unterdurchschnittlich ist. Eine fehlende Systematik in Verbindung mit veralteten Systemen führen zu einer allgemein geringen Prozessgeschwindigkeit. Es wundert daher nicht, dass etwa 40 % aller in Südafrika ausgelieferten Werkzeuge verspätet beim Kunden eintreffen – in Deutschland sind es lediglich 25 %. Auch die Erstellung eines Angebots dauert in Südafrika durchschnittlich etwa drei Stunden länger als in Deutschland, wobei die durchschnittliche Produktkomplexität deutlich geringer ist.
Synchronisierte Prozessabläufe, klar erkennbare Materialflüsse und ein prozessorientiertes Shopfloor-Layout sind in südafrikanischen Werkzeugbaubetrieben in der Regel nicht vorhanden. Eine Ausnahme machen hier diejenigen Werkzeugbaubetriebe, die in der Lage sind, eine hohe Werkzeugkomplexität und -qualität zu fertigen. Diese arbeiten für die Automobilindustrie und weisen ein hohes Maß an Prozesskompetenz auf. Dennoch ist die durchschnittliche Wertschöpfung pro Tag in Deutschland etwa dreimal so hoch wie in Südafrika.
Die größte Herausforderung, und somit auch das größte Potenzial für den südafrikanischen Werkzeugbau, liegt in der niedrigen Mitarbeiterqualifikation. Dieses Potenzial wird jedoch, wie bereits beschrieben, durch die Aktivitäten der Regierung im Bereich der Weiterbildung der letzten vier Jahre adressiert. Die Maschinenausstattung stellt ein weiteres Potenzial dar. Die eingesetzten Maschinen in der Fertigung sind im Durchschnitt vier Jahre älter als die in deutschen Werkzeugbaubetrieben. Viele Maschinen sind aufgrund mangelnder Wartung in einem schlechten Zustand. Auch manuelle Dreh- und Fräsmaschinen sind häufig im Einsatz, was die Leistungsfähigkeit der Fertigung massiv einschränkt. Aufwändig zu beschaffende und mit hohen Auflagen behaftete Bankkredite für Maschineninvestitionen sind ein wesentlicher Grund für die unterdurchschnittliche Maschinenausstattung. Die Automobilzulieferer stellen auch hier eine Ausnahme dar. Sie verfügen über moderne CNC gesteuerte Drei- und Fünfachs-Fräsmaschinen, die sich in einem guten Wartungszustand befinden, jedoch häufig zu 100 % eigenfinanziert sind.
Die südafrikanische Industrie steht vor großen Herausforderungen. Neben der Konkurrenz aus Asien und Osteuropa schränken die Energieknappheit und häufigen Streiks produzierende Unternehmen in ihrer Entwicklung ein. Der Werkzeugbau bildet hier aufgrund seiner langen Tradition und der gut organisierten Branchenstrukturen eine Ausnahme. Gefördert durch den Staat bietet der südafrikanische Werkzeugbau zukünftiges Entwicklungspotenzial. Lieferanten der Automobilindustrie arbeiten bereits heute auf einem wettbewerbsfähigen Niveau und stellen auch für internationales Sourcing eine interessante Alternative dar.
Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de