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Wie der Einkauf frühzeitig ins Spiel kommt

Integration des Einkaufs in die Innovationsprozesse, Teil I
Wie der Einkauf frühzeitig ins Spiel kommt

In einem immer komplexeren und schnelleren Umfeld ist es Unternehmen heutzutage kaum noch möglich, Innovationen alleine intern hinter verschlossenen Türen zu generieren. Es ist vielmehr unumgänglich, auch externe Partner in den Innovationsprozess zu integrieren. Der Einkauf hat die Kompetenz andere Experten zu koordinieren und und ein Projekt voranzutreiben.

Die detaillierte Ausgestaltung von Innovationen findet auf einer stark spezialisierten Fachebene statt, etwa in der F&E-Abteilung durch einen spezialisierten Ingenieur oder im Vertrieb durch spezialisierte Produktmanager. Mitarbeiter, die hier eingebunden werden, sollten sich im Wesentlichen auf die ihrem Know-how entsprechende fachliche Zusammenarbeit mit dem externen Partner konzentrieren können.

Neben der rein fachlichen – häufig auch technischen – Ausgestaltung gibt es aber auch das Erfordernis, eine Innovation darüber hinaus ganzheitlich zu betrachten und Themen, wie Vertragsgestaltung, Qualitätsverantwortung, Schutz- und Nutzungsrechte, Schnittstellen oder Logistik aus unternehmerischer Sicht sinnvoll zu gestalten.
Der Einkauf verfügt diesbezüglich sowohl über die kaufmännische Kompetenz als auch über die Steuerungsfähigkeiten, andere Experten zielgerichtet in Innovationsprozesse einzubeziehen, diese zu koordinieren und ein Projekt voranzutreiben.
Dass der Einkauf beim Management externer Partner eine wertvolle Hilfe sein kann, sollte daher außer Frage stehen. Bei der Integration des Einkaufes in Innovationsprozesse ist das „Ob“ also eigentlich klar. In vielen Unternehmen besteht jedoch über das „Wie“ eine erhebliche Unsicherheit und auch Unkenntnis. Dabei sind verschiedene Methoden und Tools zur Suche und Integration externer Ideen und Partner durchaus bekannt und erprobt. Eine ganzheitliche und strukturierte Nutzung erfolgt aber nur selten. Aus der Unsicherheit heraus werden Einzellösungen „mal probiert“, die Verwunderung ist aber groß, wenn die Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprechen. Im Folgenden soll daher eine Struktur vorgestellt werden, mit der die Integration des Einkaufs bzw. externer Partner in den Innovationsprozess ganzheitlich angegangen werden kann.
Eine Entwicklung ist immer auch mit Investitionen verbunden. Auch externe Partner kosten. Ein Großteil der Themen für den Einkauf sollte vor Start einer Zusammenarbeit mit Dritten – also vor Beginn der Investition – zumindest grob geklärt sein. Eine frühzeitige Einbindung des Einkaufs ist daher ganz wesentlich.
Eine klare Abgrenzung der jeweiligen Aufgaben des fachlichen Spezialisten und des Einkäufers kann in einigen Bereichen schwierig sein. Es gibt bei vielen Aufgaben Überschneidungen, sodass ein gut aufeinander abgestimmtes Team wichtige Grundlage für ein erfolgreiches Projekt ist. Damit die Einbindung des Einkaufs funktioniert, müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten wollen und können.
Klare Ansagen des Top-Managements sind erforderlich. Grundlegende Regeln, Abläufe und Rollen sollten in Prozessbeschreibungen verankert werden. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren als Basis für ein ganzheitliches Konzept lauten zusammengefasst:
  • Frühzeitige Einbindung – Frühe Klärung möglicher Fragen und Probleme mindern das Risiko einer Fehlinvestition.
  • Eindeutige Rollenabgrenzung – Damit das Team effektiv arbeiet, sind Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar zu regeln.
  • Top-Management Commitment – Eine eindeutige Aussage und entsprechendes Handeln vermeiden Akzeptanzprobleme.
  • Kompetente Mitarbeiter – Die Mitarbeiter müssen über die fachliche und soziale Kompetenz verfügen.
  • Integration Prozessmanagementsystem – Die Prozesse sind z. B. in Entwicklungsrichtlinie/Prozessanweisungen festzuschreiben.
  • Kooperationsorientierte Unternehmenskultur – Das Know-how und die Kompetenzen Anderer werden akzeptiert und gerne genutzt.
Integrationsfokus: Import vs. Support
In der Praxis wird teilweise pauschal von der Integration externer Partner gesprochen. Hierbei werden häufig zwei verschiedene Ausrichtungen miteinander vermischt, die eigentlich unterschiedlich zu beurteilen und anzugehen sind.
So gibt es einerseits die Möglichkeit komplett neue Ideen zu generieren, andererseits nutzen viele Unternehmen externe Partner, um bereits vorhandene Ideen besser, schneller oder günstiger – z. B. durch gemeinsame Wertanalysen oder technische Entfeinerung – zu realisieren. Je nachdem, worauf der Fokus gerichtet ist, ergeben sich aber andere Anforderungen an die jeweiligen Partner sowie an deren Management und damit auch an die Einbindung des Einkaufs.
Zu unterscheiden sind daher die Begriffe Innovationsimport – eher im Front End, also den frühen Phasen – und Innovationssupport, der überwiegend in den Phasen der Konstruktion und Entwicklung bis zum Serienanlauf stattfindet.
Innovationsimport: Ideen finden
Einzelne Ansätze zur Ideenfindung, wie Internetausschreibungen, Technologiescouting etc., sind bereits allgemein bekannt. Die Frage ist jedoch, wie man strukturiert die richtigen Ansätze auswählt und wie man es schafft, diese erfolgreich in die eigene Organisation zu implementieren.
Zunächst muss man sich Gedanken über eine ganzheitliche Ausrichtung machen. Erst dann wird man überhaupt in die Lage versetzt, die entsprechende Organisation aufzubauen. Der Prozess wird dabei in der Regel iterativ sein, da gesetzte organisatorische Rahmenbedingungen die Möglichkeiten der Ausrichtung einschränken können. Zur Erarbeitung einer ganzheitlichen Ausrichtung lassen sich zwei wesentliche Kriterien unterscheiden:
Diffusionsart
  • Aktiv/pull: aktiv Innovationen ziehen, d. h., das Unternehmen findet die Partner/Innovationen selber.
  • Passiv/push: Innovationen sollen von sich aus kommen/das Unternehmen finden.
Konkretisierungsgrad
  • Hoch: Suche nach Innovation für eine konkrete Anwendung (Kundennutzen)/ein definiertes Problem
  • Gering: ungerichtete und offene Suche über verschiedene Bereiche und Branchen
Je nach Kombination ergeben sich daher unterschiedliche Ansätze und Integrationsformen:
Projekt (aktiv/konkret): Für eine konkrete Problemstellung wird ein interdisziplinäres Projektteam gebildet, um gezielt nach innovativen Lösungen zu suchen. Die Zusammenstellung des Teams erfolgt dabei zeitlich begrenzt für die jeweilige Aufgabe. Eine grundlegende Reorganisation ist nicht erforderlich. Das Projektteam wird aus der bestehenden Einkaufsorganisation besetzt. Kernaufgaben liegen sodann in der Definition von Regeln, Rollen und Berichtslinien, der Sicherstellung von Projektmanagementkompetenz (inkl. Projektcontrolling) sowie der Schaffung ausreichender Freiräume und Kapazitäten für die Teammitglieder. Beispiele, Methoden, Tools: Innovationsworkshops, Innovation Days, Open Space-Methode, Slacktime (Google, Yahoo), 20 % Time, Cross Industry-Innovation.
Ausschreibung (passiv/konkret): Eine konkrete Aufgaben- bzw. Problemstellung wird öffentlich ausgeschrieben. Mögliche Interessenten kommen auf das Unternehmen zu. Die organisatorische Anpassung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Ausgestaltung der Wege ins Unternehmen. Die Kernaufgaben hierbei liegen darin, ein Projektteam aufzusetzen (s.o.), eine Ausschreibung zu formulieren, einen Ausschreibungskanal zu wählen und aufzubauen sowie eine Anlaufstelle (projektbezogen) für Interessenten bzw. einfache Wege ins Unternehmen zu gestalten. Beispiele, Methoden, Tools: InnoCentive, Communities und Netnography, eigene Crowdsourcing-Plattformen, Crowdtesting, Games with a purpose.
Scouting (aktiv / ungerichtet): Innovationsscouts screenen Beobachtungsfelder. Interessante Ideen werden über Selektionsfilter ins Unternehmen getragen. Der Einkauf kann eine Scoutrolle einnehmen, muss aber zumindest Teil eines Filters sein. Anpassungen in der bestehenden Aufbau- und Ablauforganisation sind erforderlich. Kernaufgaben sind dabei die Definition der entsprechenden Stelle und Ihre Integration in die bestehende Prozesslandschaft, die Eingrenzung der Beobachtungsfelder bzw. Innovationsstoßrichtungen, der Aufbau von effizienter Filtern und Gremien sowie der Aufbau und die Ausbildung der Innovationsscouts. Beispiele, Methoden, Tools: CDIS der Universität St. Gallen, Pictures of the Future, Patent-Scouting, Suchfeld- bzw. Trendanalyse, Technologiefrühaufklärung.
Image (passiv/ungerichtet): Die Außenwirkung sorgt dafür, dass Innovatoren auf ein Unternehmen von sich aus zukommen. Die Basis bilden ein offenes Image und einfache Wege ins Unternehmen. Wichtig ist die Schaffung von Anlaufstellen und Filtern, in die auch der Einkauf einzubinden ist. Während in den vorherigen drei Feldern der Schwerpunkt auf der Zusammenarbeit zwischen Einkauf und F&E-Bereichen liegt, sprechen wir hier über eine sehr langfristige, unternehmensweite Aufgabe. Der Einkauf kann nur Teil einer umfassenden Unternehmenskonzeption sein. Kernaufgaben sind Imagebildung, Integration der Anlaufstellen in Aufbau- und Ablauforganisation, Definition von Filtern und Gremien, Aufbau IT-Tools (Web 2.0) und Schaffung transparenter Incentive-Systeme. Beispiele, Methoden, Tools: Open Source-Konzept (Software), Eigene Inkubator-Organisation, Eigene Web 2.0. Anlaufstelle inkl. Foren oder Votingfunktion, Co-Creation Lab von BMW.
In der nächsten Ausgabe … Wir haben uns bis hierhin mit der grundlegenden Unterscheidung des Innovationsfokus in „Ideen finden“ und „Ideen besser umsetzen“ befasst und sind auf die Ideenfindung genauer eingegangen. In der nächsten Ausgabe behandeln wir die späteren Phasen einer Innovation, in der Ideen optimal umgesetzt werden sollen.
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