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Wie kauft die Pharmabranche ein?

Studie zum Beschaffungsmanagement
Wie kauft die Pharmabranche ein?

Traditionell spielt der Einkauf in der Pharmaindustrie eher eine untergeordnete Rolle. Das Top-Management hat sich bisher überwiegend auf die Bereiche Industrie, Forschung und Vertrieb konzentriert. Den Unternehmen ist vielfach nicht bewusst, dass sie mit der Optimierung des Einkaufs ihre Wettbewerbspositionen verbessern können.

Deloitte Consulting, www.dc.com

Nach Jahren fetter Gewinne und ungebremsten Wachstums sind die Zeiten für europäische Pharmakonzerne härter geworden. Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten zur Erhöhung des Wettbewerbs kann der Bereich Einkauf eine wichtige strategische Position einnehmen. Schließlich hat die Branche eine strategisch günstige Beschaffungsstruktur: Schon geringe Einsparungen beim Einkauf verbessern das Unternehmensergebnis wesentlich.
Die Studie „Strategisches Beschaffungsmanagement in der Pharmaindustrie“ der Deloitte Consulting untersucht den Einkauf in der europäischen Pharmabranche. 20 Unternehmen der pharmazeutischen Industrie wurden zur aktuellen Situation und zukünftigen Entwicklung befragt.
Gemessen am Nettoumsatz haben die meisten in der Studie analysierten Unternehmen einen beträchtlichen Beschaffungsanteil an Materialien und Dienstleistungen. Dieser liegt durchschnittlich zwischen 10 und 20% bei reinen Vertriebsniederlassungen und zwischen 40 und 60% bei produzierenden Unternehmenseinheiten.
Sparpotenziale im Einkauf
Aus der Befragung ergeben sich drei Gruppen von Unternehmen mit unterschiedlichen Erfolgen bei Preiseinsparungen:
  • 1.Unternehmen, die Kostensteigerungen erfolgreich verhindern konnten,
  • 2.Unternehmen, die durchschnittliche Einsparungen von ca. 5% erreicht haben und
  • 3.die Spitzengruppe von Unternehmen, die in den vergangenen drei Jahren Einsparpotenziale von bis zu 15% realisiert haben – sowohl im direkten als auch im indirekten Bereich – sie streben weitere Preisreduktionen zwischen 3 bis 5% an.
Das Einkaufsvolumen pro Einkaufsmitarbeiter liegt durchschnittlich bei 9 Mio. Euro. Ein Spitzenwert aus anderen Industrien liegt hier bei 35 Mio. Euro. Die Steigerung der Prozesseffizienz ist deshalb ein wichtiges Zukunftsthema für die Pharmaindustrie: Die befragten Unternehmen nennen bei den Prozesskosten mit durchschnittlich 5% und maximal bis zu 20% die höchsten Zielwerte. Vor allem Maßnahmen im strategischen Beschaffungsmanagement sollen zum Erfolg führen:
–Erhöhung der Rahmenvertragsquote,
– Verbreitung der Ausschreibungsbasis, zum Beispiel durch einen europäischen Ausschreibungsverbund im Unternehmen,
–Intensivieren der Verhandlungen mit bisherigen Lieferanten,
–Neubildung und Kompetenzausweitung von Materialgruppenteams, die Einsparpotenziale identifizieren und realisieren; diese Teams agieren bei Großkonzernen verstärkt global,
–Supply-Chain-Management-Systeme, z.B. bei Rohstoffen und Packmaterialien, die stärkere Lieferantenintegration ermöglichen,
–E-Procurement-Initiativen und Prozessautomatisierung zu den Lieferanten, zum Beispiel durch elektronische Rechnungsstellung.
Einige große Pharmakonzerne konnten durch systematische Make-or-buy-Entscheidungen Kosten einsparen. Ein Unternehmen, das sein gesamtes Facilitymanagement bereits auf einen Dienstleister outgesourct hatte, hat diesem nun auch den Einkauf der entsprechenden Services und Güter anvertraut. Andere denken darüber nach, den gesamten C-Teile-Einkauf ebenfalls durch Dienstleister vornehmen zu lassen.
Struktur des Einkaufs
Die meisten Einkaufsabteilungen sind eher operativ statt strategisch ausgerichtet. Bislang wenden rund 50% der befragten Unternehmen E-Procurementsysteme an – alle befragten Großkonzerne, die mittelständischen Unternehmen halten sich zurück.
Ein Großteil der Firmen plant die Aufrüstung ihrer Einkaufsabteilungen um strategische Ressourcen. Zukünftige Gestaltungsfelder des strategischen Einkaufs in der Pharmaindustrie sind:
–Weiterer Ausbau des Bedarfsmanagements, das heißt, Standardisierung und Bündelung von Bedarfen. Diese Option wird heute erst von einem Drittel der teilnehmenden Unternehmen wahrgenommen.
–Entwicklung von warengruppenspezifischen Lieferantenstrategien und Optimieren des Lieferantenportfolios. Dazu gehört eine konsequente Lieferantensuche und -auswahl und die engere Zusammenarbeit bis hin zum Aufbau von Lieferantenpartnerschaften.
–Überprüfen der Wertschöpfungstiefe und Vorbereitung von Make-or-buy-Entscheidungen.
–Optimieren der Prozesseffizienz.
Von den Teilnehmern der Studien sind derzeit nur zwei im Einkauf ausgesprochen strategisch aufgestellt. Hierbei handelt es sich um zwei internationale Konzerne, die bereits über 70% der entsprechenden Mitarbeiterkapazitäten im strategischen Einkauf eingesetzt haben. Bei den anderen Unternehmen sind 59% der Mitarbeiter mit den operativen Tätigkeiten des Einkaufs beschäftigt, 41% sind in die strategischen Funktionen eingebunden.
Fast alle befragten Unternehmen wollen das Übergewicht der operativen Tätigkeiten zukünftig verlagern. Sie planen, mehr Mitarbeiter mit strategischen Aufgaben zu betreuen.
Größtenteils streben die Unternehmen ein Verhältnis von je 50% an strategischen und operativ ausgerichteten Mitarbeitern an. Bei einigen Befragten geht die Tendenz sogar zu einem Verhältnis von 70 zu 30%.
Die organisatorische Einbindung der Einkaufsabteilungen soll entsprechend ihrer Bedeutung für den Unternehmenserfolg direkt an die Geschäftsführung oder den Finanzvorstand berichtend erfolgen.
Einkaufsabteilungen sollen in Bereiche mit ausschließlich operativen Funktionen und strategischen Einkauf organisatorisch getrennt werden.
Rolle des Bedarfsmanagements
Über 90% der Teilnehmer werten das intensive Bedarfsmanagement als kritischen Erfolgsfaktor. Vorteile sehen sie vor allem in der unternehmensweiten Standardisierung der Bedarfe und durch die Vergabe der so gebündelten Bedarfe an möglichst wenige Lieferanten. Durch entsprechende Rahmenverträge können so Einsparungen bei den Einkaufspreisen erzielt werden.
Insgesamt wollen die meisten Unternehmen die Rahmenvertragsquote erhöhen. Dies zeigt sich auch darin, dass 46% der Firmen Strategien verfolgen, um die Anzahl ihrer Lieferanten zu reduzieren. 77% der Befragten halten darüber hinaus den Ausbau des Wettbewerbs für eine erfolgsentscheidende Preissenkungsstrategie, sowohl bei direktem als auch bei indirektem Material.
Um ein optimales Bedarfsmanagement einzurichten, planen die befragten Unternehmen folgende Schritte:
–Aufbau und Stärkung von internen Warengruppenteams mit klaren Konsolidierungszielen und unternehmensweiter Verantwortung zur kostenoptimierten Spezifikation der Bedarfe.
–Globale Suche nach neuen Lieferanten, um regionale oder historische Abhängigkeiten zu reduzieren.
–verstärkte internationale Ausschreibung von Aufträgen.
–eine stärkere Nutzung von E-Business-Technologien, wie Reverse Auctions oder Informations-Websites im Internet.
Zusammenarbeit mit Lieferanten
Durchschnittlich arbeiten die Studienteilnehmer mit ca. 2.000 Lieferanten zusammen; auf die einzelnen Unternehmen bezogen liegt die Bandbreite der genutzten Lieferanten jedoch von 500 bis 10.000 aktiven Lieferanten.
Bei Einkauf von Produktionsmaterialien ist die Versorgungs- und Qualitätssicherheit am wichtigsten. Teilweise prüfen sie die Lieferanten über viele Jahre vor dem Produktionsstart auf „Herz und Nieren“ und binden sie langfristig vertraglich. Das heißt, Lieferantenwechsel ist ein sehr komplexes Thema, und der Lieferantenwettbewerb ist stark eingeschränkt.
Bei indirekten Beschaffungsgütern sind die Lieferanten kaum in den Beschaffungsprozess integriert. Bei fast 50% der befragten Unternehmen ist eine Integration gar nicht vorhanden. Nur bei einem Teil der Befragten existieren vereinfachte automatisierte Prozesse, etwa bei der Rechnungsstellung durch die Lieferanten. Dabei hat jedoch noch kein Teilnehmer bei einem nennenswerten Anteil des Beschaffungsvolumens tatsächlich innovative Lösungen eingeführt, wie einen elektronischen Datenaustausch oder das Self-Invoicing.
Bestellprozesse
Alle Befragten waren sich einig, dass in der Automatisierung der Beschaffungsprozesse noch wesentliche Verbesserungspotenziale liegen. Drei von vier Unternehmen organisieren die operativen Prozesse vorwiegend über den Einkauf, das heißt, sie wickeln den Großteil der Bestellungen direkt über den Einkauf ab. Nur bei 23% der Befragten bestellen die Bedarfsträger direkt auf Basis zugrunde liegender Rahmenverträge.
Mehr als 80% der Befragten sind der Meinung, dass elektronische Werkzeuge im täglichen Prozess des strategischen Einkaufs angewendet werden sollten. Die Realität sieht allerdings anders aus. Die Mehrheit der Unternehmen (62%) hat noch nie Auktionen über Internet getätigt. Nur wenige Großkonzerne arbeiten regelmäßig mit Auktionen (15%). Diese werden vor allem in Warengruppen für standardisierte Produkte, wie Computer oder bestimmte Rohstoffe, eingesetzt. Ähnlich verhält es sich mit den elektronischen Ausschreibungen – nur zwei Großkonzerne nutzen diese Methode, z.B. für komplexe Dienstleistungen wie Bauleistungen.
Mehr als 50% der befragten Unternehmen setzen heute bereits E-Procurement-Systeme ein. Bei vielen sind diese Systeme allerdings noch in der Pilotphase; hier können nur einige Warengruppen internetbasiert bestellt werden. Dies spiegelt sich auch in dem niedrigen Anteil des über E-Procurement bezogenen Beschaffungsvolumens wider. Lediglich zwei Großkonzerne beschaffen hier ein nennenswertes Volumen, das über 50% der indirekten Güter liegt. Bei den anderen Befragten liegt das Volumen deutlich unter 10%. Allerdings haben diejenigen Unternehmen, die E-Procurement-Systeme nutzen, darauf geachtet, dass eine volle Integration in die Back-End-Systeme gegeben ist – drei Viertel der Unternehmen setzen dabei SAP als ERP-System ein.
Nutzung von elektronischen Marktplätzen
In der Pharmaindustrie werden Portale verstärkt bei der Unterstützung von Partnerschaften im Forschungs- und Entwicklungsbereich (31%) und bei klinischen Studien (15%) eingesetzt. Für die Bereiche Marketing, Verkauf oder Produktion spielt dieses Medium allerdings noch kaum eine Rolle.
Befragt, was sie im Bereich Einkauf und Beschaffung in Sachen Informationstechnologie als Nächstes anstreben, geben alle Unternehmen an, dass sie sowohl in die Integration als auch in den Ausbau der IT-Infrastruktur investieren wollen. Grundsätzlich weisen die Teilnehmer den Beschaffungsplattformen eine wachsende Rolle (67%) zu. Sie ermöglichen beispielsweise den elektronischen Ausschreibungen und Auktionen genügend Nachfrage- und Angebotsfrequenz. Ein Marktplatz, der diese Anforderungen erfüllt, existiert jedoch nach Meinung der Studienteilnehmer in dieser Form noch nicht.
Der Einsatz von E-Procurement-Systemen in der Pharmaindustrie entspricht dem Nutzungsgrad in anderen Branchen. Auswirkungen auf die Prozesseffizienz sind bisher nicht in größerem Umfang sichtbar. Arthur Andersen begründet dies mit dem noch unvollständigen Roll-out der Systeme bei den meisten Befragten.
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