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„Wir fangen an!“ —Gründerzeit für Werkzeugdaten

Dr. Jochen Kress, Mitglied der Mapal-Geschäftsleitung, über die Werkzeugdaten-Plattform c-Com
„Wir fangen an!“ —Gründerzeit für Werkzeugdaten

„Wir fangen an!“ —Gründerzeit für Werkzeugdaten
Dr. Jochen Kress, Mitglied der Geschäftsführung des Aalener Präzisionswerkzeugherstellers Mapal Dr. Kress AG (Bild: Mona Willrett)
Das Teilen von Daten ist ein notwendiger Schritt, um die Voraussetzungen für Industrie 4.0 zu erfüllen. Mit einer gemeinsamen Plattform kann die Kommunikation zwischen Einkauf, Produktion und Lieferanten gezielt strukturiert und vereinfacht werden. Der Werkzeugbauer Mapal hat sich der Umsetzung dieser Vision angenommen. Auf der Fachmesse AMB stellt er die Werkzeugdatenmanagement-Plattform c-Com vor.

Beschaffung aktuell: Sie werden auf der Fachmesse AMB das Datenmanagementsystem c-Com vorstellen. Was hat Sie zu dieser Entwicklung motiviert?

Dr.-Ing. Jochen Kress: Werkzeuge unterscheiden sich von anderen indirekten Materialien dadurch, dass sie bei den Kunden einen hohen Verwaltungsaufwand erzeugen. Für den Werkzeugkäufer, vor allem in der Großserienfertigung, fängt nach dem Kauf die Arbeit erst richtig an: Er muss darauf achten, dass die Werkzeuge gewartet werden, instandgesetzt werden, nachgeschliffen werden, er muss sie lagern, zusammenbauen, die Disposition machen. Und er muss sie natürlich auf der Maschine zum Einsatz bringen. Für all diese Tätigkeiten braucht er die aktuellen Werkzeugdaten.
Auch der Einkauf möchte wissen, wann er was nachbestellen muss, denn der pflegt ja auch seine Daten. Der Kunde, der Lieferant pflegt Daten. Der Außendienstler beim Lieferanten pflegt irgendwelche Daten. Das derzeitige Problem ist, dass die Werkzeugdaten nicht an einer Stelle zentral verfügbar und in der Regel auch nicht aktuell sind.
Beschaffung aktuell: Wie wollen Sie es schaffen, dass diese Informationen aktuell allen am Prozessbeteiligten zugänglich sind?
Kress: Dazu haben wir eine offene, cloudbasierte Plattform entwickelt, auf die Kunden und Lieferanten Zugriff erhalten. Auf Basis klar definierter Regeln und Zugriffsrechte können dort alle relevanten Werkzeugstammdaten abgelegt, gepflegt und geteilt werden.
Beschaffung aktuell: Wo können Ihre Kunden die Plattform einsetzen?
Kress: Am Anfang der Kette steht die Beschaffung der Werkzeuge. Dort besteht noch ein erhebliches Potenzial zur Steigerung der Effizienz. Aber anders als bei „normalen“ Einkaufsplattformen, wo die Verbindung zum Lieferanten mit der Lieferung abgeschlossen ist, wollen wir den Kunden und das Werkzeug weiter begleiten, um die Nutzung zu verbessern. Unsere großen Kunden, die an mehreren Standorten produzieren, wissen beispielsweise nicht, mit welchen Schnittwerten, mit welchen Standzeiten die Werkzeuge in unterschiedlichen Werken laufen. In der Regel ist es ein Riesenaufwand, diese Informationen zusammenzubringen.
Mit c-Com könnte man beispielsweise erkennen, wenn ein Fräser in verschiedenen Werken bei der gleichen Bearbeitung unterschiedliche Standzeiten erreicht. Es wären auch die Standzeiten der Werkzeuge nach dem Nachschärfen bei verschiedenen Dienstleistern transparent. So kann c-Com dem Nutzer helfen, seine Prozesse zu optimieren oder die idealen Partner entlang der Wertschöpfungskette zu finden.
Beschaffung aktuell: Ist auch Prozessoptimierung in der Fertigung ein Thema?
Kress: Wir haben viele Ideen, wofür man diese Daten auch in der Fertigung nutzen könnte. Das reicht von der NC-Programmierung über die Prozessoptimierung bis hin zum Überwachen und Steuern von Prozessen. Aber um das zu realisieren, ist der Aufwand derzeit noch größer als der Nutzen. Viele Kunden stehen noch eher am Beginn des Weges hin zur vernetzten Fertigung. Deshalb beschränken wir uns im ersten Schritt darauf, aktuelle Daten schnell und einfach bereitzustellen. Wir nennen das ‚voraussetzungslose Digitalisierung‘. Aber selbst diese Basisversion bietet dem Anwender bereits einiges an Zusatznutzen.
Beschaffung aktuell: Übernimmt das System die Daten automatisch?
Kress: Technisch wäre das durchaus machbar. Bis hierfür aber flächendeckend bei allen potenziellen Anwendern die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen sind, dürften noch einige Jahre vergehen. Deshalb setzen wir derzeit auf händische Datenergänzung. Aber diese Eingaben müssen nur einmal erfolgen und stehen dann allen Nutzern immer und überall aktuell zur Verfügung.
Beschaffung aktuell: Wie gewährleisten Sie die Sicherheit der Daten?
Kress: Wir nutzen die aktuellen technischen Möglichkeiten, um die Datensicherheit zu gewährleisten. Außerdem gibt es für den Abruf von Informationen genau definierte Regeln und Rechte. Unsere Philosophie heißt: Wer die Maschine hat, auf der die Werkzeuge eingesetzt werden, dem gehören die Daten und der bestimmt, wer sie sehen und nutzen darf. Unter unseren Pilotanwendern gibt es diesbezüglich ganz unterschiedliche Einstellungen. Einige können sich vorstellen, sämtliche Daten freizugeben. Ihr Hintergedanke: Wenn ich neuen Ausrüstern oder Partnern meine Situation zeige, haben sie die Möglichkeit, mir Verbesserungen vorzuschlagen. Andere halten ihre Daten nach wie vor unter Verschluss und wollen unser System lediglich intern nutzen. Grundsätzlich erkenne ich hier aber einen Trend zu größerer Offenheit. Meine Meinung ist: Wir sollten nicht aus Übervorsicht heraus die Chancen verspielen, die uns die Vernetzung bietet.
Beschaffung aktuell: Für welche Unternehmen ist c-Com relevant?
Kress: Zunächst richtet sich unser Angebot vor allem an Tier-2- und Tier3-Zulieferer. Größere Unternehmen haben vielfach bereits eigene Strukturen und Systeme für die Datenverwaltung. Aber kleineren Betrieben hilft c-Com, die Effizienz erheblich zu steigern.
Beschaffung aktuell: Ab wann ist c-Com für Kunden verfügbar?
Kress: Zur AMB stellen wir eine Beta-Version vor und zeigen die Möglichkeiten. Ein verkaufsfähiges Produkt werden wir im zweiten oder dritten Quartal 2017 anbieten können.
Beschaffung aktuell: Haben Sie bereits Erfahrungen mit dem System?
Kress: Ja. Wir testen c-Com im eigenen Unternehmen und auch bei ausgewählten Kunden. Die Rückmeldungen bisher sind sehr ermutigend. Die Entwicklung eines solchen Produkts erfolgt sinnvollerweise in einer engen Kooperation mit wenigen Partnern. Mittlerweile sind wir aber offen, falls andere Kunden ebenfalls interessiert sind. Je mehr Rückmeldungen wir erhalten, umso besser.
Beschaffung aktuell: Werden Sie das System als Kaufsoftware anbieten oder über eine Art Mietmodell?
Kress: Das ist noch nicht abschließend geklärt. Da es sich aber um eine Cloud-Lösung handelt, wird es auf ein Bezahlmodell über pay per use oder pay per click hinauslaufen.
Beschaffung aktuell: Ist c-Com eine Mapal-Entwicklung?
Kress: Wir haben das System in Kooperation mit SAP auf der S4 Hana-Cloud-Lösung entwickelt.
Beschaffung aktuell: Wer betreibt und pflegt das System?
Kress: Das macht zunächst Mapal. Dass das Kind einen eigenen Namen hat, deutet aber bereits an: Wenn das Produkt eine entsprechende Dynamik entwickelt, die das rechtfertigt, könnten Pflege, Weiterentwicklung und Vermarktung von c-Com in ein rechtlich eigenständiges Unternehmen ausgelagert werden.
Beschaffung aktuell: Ein Problem von Industrie-4.0-Lösungen ist die fehlende Kompatibilität einzelner Module. Sind hier nicht Standards gefragt?
Kress: Ich bin ein großer Fan von Standards, aber hier erleben wir derzeit eine Art Gründerzeit-Stimmung. Hier steckt noch viel Bewegung drin. Die Entwicklung ist so schnell, dass im Moment noch keiner sagen kann, welche Lösung schlussendlich die beste ist. Deshalb meine ich: Wir sollten uns einfach auf den Weg machen und herausfinden, was funktioniert. Und wenn wir das wissen, dann sollten wir uns über Standards unterhalten.
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