Startseite » Allgemein »

Wirkungsanalysen von Einkaufspotentialen

Einkaufserfolgsmessung
Wirkungsanalysen von Einkaufspotentialen

Aufgabenstellung betriebswirtschaftlicher Wirkungsanalysen ist es, die durch betriebswirtschaftliche Konzepte und Methoden erzielbaren Veränderungen von Leistungs- und Kostengrößen zu erfassen, zu systematisieren und im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die Erfolgswirksamkeit qualitativ und quantitativ zu bewerten. Für die Bewertung der Einkaufspotentialanalyse sind die Auswirkungen auf die Erfolgsfaktoren Zeit, Kosten, Qualität und Flexibilität sowie eine Differenzierung nach Effektivität und Effizienz von Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen zu unterscheiden.

Prof. Dr. Horst Wildemann

Die Wirkung auf die Erschließung der Potentialquellen ist dabei als das Ergebnis der differenzierten Ausgestaltung der Abnehmer-Lieferanten-Beziehung anzusehen. Die Messung des Grades der Realisierung der Einkaufspotentiale und deren nachhaltige Ergebniswirksamkeit bilden die wesentlichen Anforderungen an das Einkaufscontrolling.
Die Portfolioanalyse erlaubt eine differenzierte Ableitung von Beschaffungsstrategien für zu unterscheidende Materialgruppen. Für jede Beschaffungsgüter-/quellen-Kombination wird ein spezifischer Erfolgsfaktorenmix unter den gegebenen Rahmenbedingungen abgeleitet. Für die Praxis ist es erforderlich, die strategischen Erfolgsfaktoren Zeit, Kosten, Qualität und Flexibilität in beeinflußbare Kennzahlen zu operationalisieren. Kennzahlen sollen dazu benutzt werden, die Veränderungen zu messen, zu kontrollieren und zu steuern. Abbildung 1 zeigt eine Auswahl von exemplarischen Kennzahlen, die den Erfolgsfaktoren zugeordnet werden können.
Durch die Verwendung von Kennzahlen werden quantitative Tatbestände und Sachverhalte erfaßt. Sie erlauben damit eine Leistungsmessung. Denn nur was gemessen wird, wird auch verändert. Beispielsweise spiegelt die Verfolgung der Anzahl der Lieferanten pro Materialgruppe wider, inwieweit eine Lieferantenkonzentration und damit Bedarfsbündelungen vorgenommen wurden. Die Verwendung von Kennzahlen als Meßgrößen ermöglicht dann eine wirksame Verfolgung von Einkaufspotentialen, wenn sie die Wirkungsrichtungen der differenzierten Ausgestaltung der Abnehmer-Lieferanten-Beziehung widerspiegeln und als zu variierender Parameter eindeutig identifiziert sind. Es muß also ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Zielsetzung der Handlungsrichtung und der angestrebten Ausprägung der Meßgröße sichergestellt sein.
Ein weiterer Ansatz zur Beurteilung der Wirksamkeit von Einkaufspotentialen basiert auf der Unterscheidung zwischen Effektivität und Effizienz. Effektivität steht für zielgerichtetes Handeln, also die „richtigen Dinge tun“. Dies kann beispielsweise darin bestehen, das Produktionsprogramm nur auf ein bestimmtes Sortiment zu konzentrieren, um damit ein ganz bestimmtes Marktsegment abzudecken. Auch bei der Entscheidung von Make-or-Buy-Optionen ist eine Alternativenauswahl zu beantworten, welche Leistungsumfänge im Unternehmen erbracht werden und welche Leistungsumfänge fremdvergeben werden. Im Vordergrund steht die Frage des „Was“: „Was ist zu tun?“
Der Begriff Effizienz ist weiter gefaßt. Er steht für wirtschaftliches Handeln, also die „Dinge richtig tun“. Da wirtschaftliches Handeln voraussetzt, daß keine Verschwendung von Ressourcen stattfindet, ist damit impliziert, daß die richtigen Dinge getan werden. Effizienz bedeutet demnach die „richtigen Dinge richtig tun“. Dabei steht die Frage des „Wie“ im Vordergrund, wobei vorausgesetzt wird, daß das „Was“ bereits richtig beantwortet ist. Ausgehend von diesen Überlegungen stellt sich die Frage, wie diese beiden Begriffe auf die Beschaffung zu übertragen sind. Anknüpfungspunkt bilden die beiden Fragestellungen:
  • 1.Was ist einzukaufen?
  • 2.Wie ist es einzukaufen?
Die Frage, was einzukaufen ist, kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten in einem Produktlebenszyklus gestellt werden. Zu Beginn der Produktentwicklung steht zunächst noch nicht fest, welcher Anteil der zu erbringenden Gesamtleistung vom eigenen Unternehmen und welcher durch die Lieferanten zu erbringen ist. Mit der Festlegung der Kernkompetenzen wird diese Frage weitgehend beantwortet, da mit der Definition der Kernkompetenzen (Kernaktivitäten und Kern-Know-how) auch im Umkehrschluß das zu beschaffende Güterspektrum zur Leistungserstellung festgelegt ist.
Offen ist zu diesem Zeitpunkt freilich noch, wer die notwendige Entwicklungsleistung für die Beschaffungsgüter übernimmt (was entwickeln wir selbst?). Mit der Festlegung des Entwicklungsumfanges wird die Verteilung der Entwicklungskosten auf den Abnehmer und auf den Lieferanten festgelegt. Je mehr Entwicklungsleistung der Lieferant übernehmen wird, desto höher werden tendenziell zukünftig die Materialeinstandskostenanteile an den Gesamtkosten sein. Grundsätzlich erfolgt mit der Festlegung des Liefer- und Entwicklungsumfanges des Lieferanten und der im Gegensatz dazu selbst zu erbringenden Leistung eine Festlegung der zukünftigen Beeinflussungsmöglichkeiten der Gesamtkosten eines Produktes.
Die Personalkosten, Abschreibungen und Gemeinkostenanteile eines Produktes sind durch das Abnehmerunternehmen direkt beeinflußbar, während die Materialeinstandskosten nur in Zusammenarbeit mit dem Lieferanten beeinflußbar sind. Je früher die Festlegung der Aufteilung der Lieferleistung zwischen Abnehmer und Lieferant erfolgt, desto früher und stärker greifen die Ansätze der Einkaufspotentialanalyse, desto früher sind die Gesamtkosten eines Produktes nur noch indirekt beeinflußbar. Die Frage, „was“ einzukaufen ist, kann zu beliebigen Zeitpunkten im Lebenszyklus eines Produktes gestellt werden, wenn z.B. Materialien im Produkt substituiert oder wenn durch Wertanalysen Ansätze identifiziert werden, die den Materialverbrauch reduzieren.
Mit der Beantwortung der Frage, „was“ einzukaufen ist, wird zunächst nur festgelegt, welche Verteilung die Kosten des Gesamtprodukts auf Abnehmer und Lieferant haben werden. Mit der weitergehenden Detaillierung der Entscheidungsgrundlagen in Größen wie Zeit, Kosten, Qualität und Flexibilität, ist eine Operationalisierung der Effektivität möglich. Es bleibt noch die Frage offen, wie die differenzierte Ausgestaltung von Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen in den Gestaltungsfeldern auf die Potentialarten im Einkauf wirkt.
Transaktions-Kostenarten
Ein Ansatz, die Wirkung verschiedener Ausprägungsformen von Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen zur Potentialerschließung zu messen, kann über die Messung der Transaktionskosten zwischen Abnehmer und Lieferant hergestellt werden. Die Gesamtkostenhöhe einer Transaktion setzt sich aus der Summe der jeweils erforderlichen
-Anbahnungs-,
-Vereinbarungs-,
-Anpassungs- und
-Kontrollkosten
zusammen. Anbahnungskosten in der Beschaffung setzen sich zusammen aus den Kosten aktiver Beschaffungsmarktforschung, Kosten für die Durchführung von Ausschreibungen, Anfragen, Angeboten und für die Organisation von Einkaufsmessen. Vereinbarungskosten schließen sich zeitlich den Anbahnungskosten an. Sie beziehen sich auf alle Aktivitäten von Beginn bis zum Abschluß der Vertragsverhandlungen. Hierbei besteht zwischen Abnehmer und Lieferant Klärungsbedarf hinsichtlich der Preisgestaltung, der zugrunde liegenden Abnahmemenge, der Laufzeit, der Gestaltung von Rationalisierungsklauseln, Know-how-Schutzbestimmungen und Qualitätssicherungsvereinbarungen. Ebenfalls in diese Kostenkategorie fallen Aufwendungen für die Vereinbarung von Auditierungsprogrammen in Produktion und Qualitätssicherung.
Demgegenüber fallen während des Leistungsaustauschs laufende Kosten für die Kontrolle und Durchführung von Transaktionen an. Kontrollkosten resultieren aus Überwachungsaktivitäten zur Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen. Sie beziehen sich primär auf Überprüfungen des Abnehmers hinsichtlich der Einhaltung von Qualitätsstandards, Mengen, Terminen, Preisen und Know-how-Schutzbestimmungen. Anpassungskosten schließlich fallen bei jeder Veränderung von Transaktionsparametern an. Im Beschaffungsbereich setzt sich diese Kostenart insbesondere aus den Kosten für Bestellabrufe, Kosten für die Durchsetzung von Änderungen bezüglich Anlieferterminen, -ort, -art und -menge sowie aus den Kosten für die Organisation technischer Änderungen von Spezifikationen oder Varianten und für das Management fehlender Kaufteile zusammen.
Strategieempfehlung „Partnerschaftliche Zusammenarbeit“
Die unterschiedlichen Strategieempfehlungen, die sich aus der Einkaufspotentialanalyse ableiten lassen, wirken unterschiedlich auf die Transaktionskostenarten. Dies zeigt das Beispiel der Strategieempfehlung „Partnerschaftliche Zusammenarbeit“ für Beschaffungsgüter mit hoher Spezifität und Komplexität, mit einem hohen Versorgungsrisiko, einem großen wertmäßigen Anteil am gesamten Beschaffungsvolumen, für die es wenige Lieferanten gibt, die umfangreiches Logistik-, Entwicklungs- und Produktions-Know-how besitzen. Aufgrund der hohen ökonomischen und technischen Relevanz dieser Komponenten sind abstimmungsintensive, kooperative Abwicklungsstrukturen mit ausgewählten Lieferanten anzustreben, so daß im Gegensatz zu konventio- nellen Beschaffungsvorgängen von einem Anstieg der Anbahnungskosten auszugehen ist.
Es ist eine intensive Beschaffungsmarktforschung zu betreiben, um leistungsstarke, kooperationsbereite Lieferanten zu identifizieren und zu kontaktieren. Dies zieht einen Anstieg der Such- und Informationsbeschaffungskosten nach sich. Aufgrund der größeren Informationsbedarfe, die insbesondere beim Aufbau von Modul- oder Systemlieferanten zur Beschreibung von Produktspezifikationen und Lieferantenaufgaben erforderlich sind, steigen die Kosten für die Anfrageerstellung. Weiterhin ist mit einem Anstieg bei Kostengrößen zu rechnen, die aus der engen Abstimmung und Vereinbarung resultieren. Zunehmende Komplexität und Spezifität des Leistungsaustauschs bedingen umfangreiche Verhandlungen über die Ausgestaltung der Koordinationsstruktur.
Die Vertragsgestaltung erweist sich ebenfalls als transaktionskostenintensiv, da eine Vielzahl von Vertragsinhalten festzulegen ist. Insbesondere die zur Preisfindung erforderliche Identifizierung aller beschaffungsrelevanten Kostengrößen erfordert einen hohen Aufwand. Aber auch die Festlegung der weiteren Vertragsinhalte zum Aufbau einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zieht umfangreiche Verhandlungen nach sich. So sind neben den klassischen Vertragsinhalten wie die Fristigkeit der Verträge (Modell-Lebenszyklus-Verträge) oder zugrunde liegende Abnahmestückzahlen (Quotenregelungen) zusätzlich Know-how-Schutzbestimmungen, Rationalisierungsklauseln und Qualitätssicherungsvereinbarungen festzulegen.
Da die Vorgaben des Abnehmers hinsichtlich Prüfschärfe, Toleranzen, Meßmitteln und -verfahren, aber auch in Hinblick auf die Definition maximaler Wiederbeschaffungs- und Lieferzeiten steigen, fallen hohe Transaktionskosten bei der Erarbeitung der erforderlichen Vorgaben an. Als aufwendig gestaltet sich ebenfalls die Festlegung der gemeinsamen Aktivitäten in den Funktionsbereichen Logistik, Qualitätssicherung, F&E und Produktion. Hierbei steht die Bildung von Arbeitsteams zur Durchführung von Wertanalysen, Produkt- und Prozeß-FMEA, Auditierungen oder zur Einführung von Speditions- und Lagerkonzepten im Vordergrund.
Im Gegensatz zu den Anbahnungs- und Vereinbarungskosten ist mit einer Reduzierung der Kontrollkosten zu rechnen. So bewirkt die Modul- oder Systembeschaffung eine Senkung der Erstmusterprüfung, da anstatt einer Vielzahl von kleineren Teilen nur noch ein Modul auf seine Funktionserfüllung hin zu prüfen ist. Diesen Einsparungen stehen aber auch Kostensteigerungen gegenüber. So steigen die Kosten für die Auditierungen des QS-Systems des Lieferanten, sie werden jedoch durch Einsparungen bei den Prüfvorgängen im Wareneingangsbereich (Identkontrolle, Skip-Lot-Prüfverfahren) und durch einen Rückgang der Anzahl von Mängelrügen überkompensiert. Aufgrund der komplexen vertraglichen Regelungen, die einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zugrunde liegen, kann es aber auch zu einer Steigerung der Kontrollkosten hinsichtlich Überwachung von Vertragsinhalten kommen. Beispiele stellen die Überprüfung der Einhaltung von Know-how-Schutzbestimmungen, Alleinstellungsvereinbarungen und Rationalisierungsklau-seln dar.
Bei den Anpassungskosten ist tendenziell mit einer Reduzierung zu rechnen. Zwar fallen zusätzliche Kosten für eine Verbesserung des Informationsstands der Lieferanten aufgrund einer DV-Integration und der Übermittlung rollierend überarbeiteter Bedarfszahlen an, sie werden jedoch durch Einsparungen, die sich beispielsweise aus einer DFÜ-Kopplung von Abnehmer und Lieferant ergeben, überkompensiert. So vereinfacht sich die Abwicklung von Lieferabrufen, das Management technischer Änderungen sowie die Stammdatenpflege erheblich, da die benötigten Daten innerhalb kürzester Zeit übertragen werden können. Zudem bewirkt die enge Zusammenarbeit von Abnehmer und Lieferant eine Verbesserung der Fehlteilsituation beim Abnehmer.
Werden die Wirkungsrichtungen der Strategie „Aufbau partnerschaftlicher Zusammenarbeitsstrukturen“ auf die unterschiedlichen Transaktionskostenarten betrachtet, so ist festzustellen, daß aufgrund der Einmaligkeit der Kostensteigerungen für Anbahnung und vertragliche Ausgestaltung der Transaktionskostenbeziehungen und der Regelmäßigkeit der Einsparungen eine Reduzierung der gesamten Transaktionskostenhöhe im Vergleich zu konventionellen Beschaffungsvorgängen erreicht werden kann. Es kann somit zunächst ein Zusammenhang zwischen den Transaktionskostenarten und den Wirkungsrichtungen der Normstrategie aufgezeigt werden. Offen ist noch die Frage der Quantifizierung der Transaktionskosten. Ein Ansatz zur Quantifizierung der Transaktionskosten könnte sich aus dem Herstellen eines Zusammenhanges der Potentialquellen im Einkauf und den verschiedenen Transaktionskostenarten ergeben.
Quantifizierung der Transaktionskosten
Werden die Transaktionskostenarten den Potentialquellen im Einkauf gegenübergestellt, so wird deutlich, daß die Transaktionskosten sich im wesentlichen auf Prozeßvereinfachungen in der Abwicklung der Beschaffung konzentrieren. Die Abgrenzung der Potentialquellen im Einkauf basiert auf der Auswertung der Industrieprojekte in unterschiedlichsten Branchen. Sie spiegeln die wesentlichsten Ansatzpunkte wider, die zu Einsparungen führen. Die Unterscheidung von vier Potentialquellen kann erweitert werden, wenn die Sichtweise von bestehenden auf neu auszurichtende Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen innerhalb der Produktentwicklung ausgeweitet wird.
Liegt der Fokus auf der Gestaltung neuer Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen, können weitere Potentialquellen wie die Reduzierung der Entwicklungszeit, die Reduzierung der Entwicklungskosten, die Reduzierung von Änderungskosten, die Reduzierung von Fertigungskosten oder Umsatzsteigerungen als Potentialquellen auftreten. Nach ihrer Bedeutung lassen sich vier wesentliche Potentialquellen unterscheiden:
  • 1.Preissenkung beim Lieferanten,
  • 2.Prozeßvereinfachung,
  • 3.Substitution,
  • 4.Material- und Verbrauchssenkung bei konstantem Output.
Die Prozeßvereinfachungen beispielsweise beziehen sich im Kern auf die Reduzierung nicht-wertschöpfender Aktivitäten und auf die Eliminierung von Doppelarbeit und Verschwendung im Beschaffungsprozeß.
Nicht direkt wertschöpfende aber notwendige Aktivitäten sind beispielsweise die Aktivitäten, die mit der Lieferantenauswahl und -bewertung anfallen. Durch Direktvergaben wird der Lieferantensuch- und -auswahlprozeß vereinfacht, durch Rahmenverträge werden sonst wiederkehrende Vereinbarungskosten reduziert. Beinhalten Verträge Preisgleitklauseln, so können Anpassungskosten reduziert und durch vereinfachte Qualitätssicherungsvereinbarungen die Kontrollkosten vermieden werden.
In Abbildung 2 sind Beispiele aufgeführt, welche Transaktionskostenarten über welche Ansätze zur Ausgestaltung der Abnehmer-Lieferanten-Beziehung die Potentialarten in der Beschaffung beeinflussen. Hierbei zeigt sich, daß der Blickwinkel aus der Sicht der Transaktionskosten nur teilweise einen Zusammenhang zu den Potentialquellen aufzeigt. Material- und Verbrauchssenkungen zeigen keine Verknüpfung mit den Transaktionskostenarten. Aufgrund dieser Überlegungen wird deutlich, daß über den Ansatz der Transaktionskosten keine eindeutige Beziehung zu den Potentialarten herzustellen ist, so daß die Schlußfolgerung zu ziehen ist, daß die Transaktionskostenanalyse die tatsächlichen Potentiale nur teilweise beschreiben kann.
Umgekehrt kann jedoch mit Hilfe der Potentialquellen im Einkauf eine Quantifizierung der Transaktionskosten vorgenommen werden. Es zeigt sich somit, daß die Transaktionskosten einen Erklärungsbeitrag zu Wirkungen von Einkaufspotentialen liefern, das Problem aber nicht vollständig beschreiben. Ergänzend muß, ausgehend vom Bausteinkonzept der Einkaufspotentialanalyse, aufgezeigt werden, wie, ausgehend von den Normstrategien und der differenzierten Ausprägung der Gestaltungsfelder, die Potentialquellen beeinflußt werden.
Wirkungsrichtungen der Normstrategien
Die aus einer Portfolioanalyse ableitbaren Normstrategien
-„Effizient Beschaffen“,
-„Sicherstellen der Verfügbarkeit“,
-„Marktpotential nutzen, dann partnerschaftliche Zusammenarbeit“ und
-„Wertschöpfungspartnerschaft“
zur Ausgestaltung der Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen lassen sich für unterschiedliche Güter ausgestalten. Dabei werden als Gestaltungsfelder unterschieden:
  • 1.Informationsflußgestaltung,
  • 2.Materialflußgestaltung,
  • 3.Sourcing-Konzepte,
  • 4.Systematik zur Lieferantenauswahl,
  • 5.Systematik zur Lieferantenkontrolle,
  • 6.Vertragsgestaltung,
  • 7.Qualitätssicherung,
  • 8.Forschung & Entwicklung und
  • 9.Organisation.
Konkrete Konzepte zur Ausgestaltung einer Abnehmer-Lieferanten-Beziehung wie beispielsweise eine Anbindung eines Lieferanten nach dem Steuerungsprinzip Kanban stellen eine spezifische Ausprägungsform der Gestaltungsfelder Material- und Informationsfluß dar, ohne daß jedoch andere Gestaltungsfelder damit eindeutig festgelegt sind. Über die Realisierung einer Kanban-Steuerung im Materialfluß zwischen Abnehmer und Lieferant ist nun zu untersuchen, welche Potentialquellen dadurch erschlossen werden.
Am Beispiel des Steuerungskonzeptes Kanban wird deutlich, daß insbesondere die Potentialquellen der „Prozeßvereinfachung“ erschlossen werden. Durch die Senkung der Bestände in der logistischen Kette zwischen Abnehmer und Lieferant werden Kapitalbindungskosten reduziert. Wird das Logistikkonzept auf eine produktionssynchrone Anlieferung erweitert, werden andere Vertragsformen wie Rahmenverträge notwendig, die dazu führen können, daß Preissenkungen beim Lieferanten durchgesetzt werden können.
Der Lieferant seinerseits kann aber durch geringere Nachfrageschwankungen über Bedarfsvorschauen seine Produktionskapazitäten besser auslasten und somit Kostenreduzierungen realisieren. Auch in diesem Fall profitieren beide Vertragspartner von der veränderten Zusammenarbeitsform. Aus diesem Beispiel wird deutlich, wie der Zusammenhang zwischen Normstrategien, Gestaltungsfeldern, Potentialquellen und konkreten Konzepten herzustellen ist.
Abbildung 3 verdeutlicht die Vorgehensweise: Ausgehend von den Konzepten zur Umsetzung der Beschaffungsstrategie muß zunächst festgestellt werden, in welchen Gestaltungsfeldern Veränderungen auftreten und welche Potentialquellen dadurch erschlossen werden. Die dargestellte Systematik ist immer auf einen konkreten praktischen Anwendungsfall in einem Unternehmen zu beziehen. An zwei exemplarischen Fallstudien werden deshalb die Wirkungszusammenhänge zwischen Konzepten, Gestaltungsfeldern und Potentialquellen aufgezeigt.
Fallstudie 1: Bildung von Mandaten zur Koordination von Einkaufsaktivitäten.
Bei dem Unternehmen handelt es sich um einen weltweit agierenden Automobilzulieferer, der über mehrere Produktionsstandorte in unterschiedlichen Ländern die Marktnähe zu den unterschiedlichen Automobilherstellern sicherstellt. Die gesamte Gruppe besteht aus rechtlich selbständigen Ländergesellschaften, die in einer Dachgesellschaft konsolidiert werden. Basierend auf der Portfolioanalyse der Produktionsmaterialien nach Materialgruppen für den Hauptproduktionsstandort und Stammsitz in Deutschland, wurde für mehrere Materialgruppen die Frage aufgeworfen, wie die Einkaufsmacht der gesamten Gruppe durch eine Lieferantenkonzentration und eine verbesserte Koordination der Beschaffungsaktivitäten zwischen den einzelnen Ländergesellschaften gestärkt werden könnte.
Die Portfolioanalyse für die Materialien der einzelnen Ländergesellschaften machte transparent, daß fast alle Ländergesellschaften ähnliche oder gar identische Rohstoffe bei den überwiegend gleichen Lieferanten beschafften. Jedoch gab es erhebliche Differenzen in den realisierten Logistikkonzepten, in den Zahlungsbe-dingungen und in den Preisstaffelungen zwischen den einzelnen Ländergesellschaften. Jede Ländergesellschaft handelte pro Rohstoff einen spezifischen Preis mit den Lieferanten aus, bestehende Geschäftsbeziehungen zwischen den Lieferanten und anderen Ländergesellschaften wurden nur sporadisch berücksichtigt und basierten weitgehend auf persönlichen Kontakten der Einkaufsleiter. Eine systematische Koordination der Einkaufsaktivitäten wurde jedoch nicht vorgenommen.
Bestehende europaweite Rahmenverträge, die vom strategischen Einkauf in Deutschland ausgehandelt waren, wurden von den Ländergesellschaften kaum genutzt. Es handelte sich eher um einen losen Verbund ohne jegliche Quotenverpflichtung mit unverbindlichen Absichtserklärungen gegenüber den Lieferanten. Der Anreiz für die Ländergesellschaften, diese Europaverträge zu nutzen, war geringer als der Anreiz der Selbständigkeit und der eigenen Einkaufsmacht durch das Aushandeln eigener Konditionen. Es bestand auch keine Transparenz des Grads der Inanspruchnahme der Europaverträge durch die einzelnen Ländergesellschaften. Es lag keine Preisharmonisierung vor, lediglich am Jahresende wurden Boni-Verrechnungen vorgenommen. Diese Situation korrespondierte mit den aus der Portfolioanalyse heraus abgeleiteten Normstrategien für die Materialien „Marktpotential ausschöpfen, dann partnerschaftliche Zusammenarbeit“.
Im Rahmen eines GENESIS-Workshops, der sich aus Einkaufsleitern sechs verschiedener Ländergesellschaften sowie Vertretern verschiedener Entwicklungsabteilungen zusammensetzte, wurden Mandate und die Aufgabenverteilung innerhalb der Mandate auf die Ländergesellschaften definiert. Die Workshopteilnehmer brachten stellvertretend für ihre Ländergesellschaft Beschaffungsvolumina in Mandate ein oder übernahmen Mandate für die anderen Gesellschaften. Ausgehend von einer gemeinsamen Analyse der Rohstoffe und Lieferanten für festgelegte, auf Basis der Portfolioanalysen ausgewählte Materialgruppen wurden zunächst Rohstoffe und Lieferanten identifiziert, die über alle Ländergesellschaften hinweg eine hohe Bedeutung für die Gruppe besaßen.
Diese Analyse bildete auch die Grundlage zur Ermittlung des Beschaffungsvolumens pro Materialgruppe oder pro Lieferant für die gesamte Gruppe. Hieraus konnten die Defizite in der Koordination der Ländergesellschaften deutlich herausgearbeitet und konkrete Ansatzpunkte zur Definition von Mandaten abgeleitet werden. Wesentlich bei der Definition von Mandaten ist der Verhandlungs- und Entscheidungsspielraum des Mandatsträgers. Der Verhandlungsspielraum und Entscheidungsspielraum für den Mandatsträger wird mit der Möglichkeit, die Menge, die Zahlungsziele, die Lieferantenauswahl oder die Währung festzulegen, ausgeweitet. Mit der Ausweitung des Entscheidungsspielraums wird die Verhandlungsposition des Mandatsträgers gegenüber den Lieferanten gestärkt.
Mit der Anzahl der am Mandat beteiligten Gesellschaften steigt die Einkaufsmacht in einem Mandat. Bei der Definition von Mandaten können drei grundlegende Mandatstypen unterschieden werden:
  • 1.Beim Produktgruppenmandat übernimmt der Mandatsträger die Bündelung der Einkaufsvolumina und die Wahrnehmung der Einkaufsaktivitäten für alle am Mandat beteiligten Gesellschaften für eine bestimmte Produkt-, Material- oder Rohstoffgruppe.
  • 2.Ein Lieferantenmandat bedeutet die lieferantenbezogene Bündelung der Einkaufsvolumina für die beteiligten Gesellschaften durch den Mandatsträger.
  • 3.Im Rahmen von Entwicklungsprojekten kann auch ein Projektmandat vergeben werden, was einer temporären Wahrnehmung eines Mandates für die Dauer eines Entwicklungsprojektes entspricht.
Die Definition und Vergabe von Mandaten für Rohstoffe und Lieferanten an die Ländergesellschaften führte im Ergebnis zu einer Harmonisierung der Zahlungsbedingungen, bezogen auf einen Lieferanten, zu Preissenkungen bei den Lieferanten durch eine gezielte Bündelung des Einkaufsvolumens und Ausnutzens bestehender Preis- und Mengenstaffelungen, zur Substitution und Standardisierung von Materialien, und damit zu einer weiteren Bündelung der Einkaufsvolumina. Damit wurden Verbesserungen bei der Ausgestaltung der Abnehmer-Lieferanten-Beziehung in den Gestaltungsfeldern Sourcing, Lieferantenauswahl, Vertragsgestaltung, Organisation sowie Forschung & Entwicklung erreicht. Aus dem Beispiel wird deutlich, daß durch die Definition und Realisierung von Mandaten mehrere Gestaltungsfelder verändert wurden und daß dadurch auch mehrere Potentialquellen erschlossen werden konnten.
Fallstudie 2: Einkaufspotentialanalyse in einem Handelsunternehmen
Bei einem Handelsunternehmen aus der Bekleidungsindustrie wurde eine Einkaufspotentialanalyse durchgeführt. Schon bei der Ermittlung der Basisdaten im Rahmen der Istanalyse wurde anhand von Benchmark-Vergleichen deutlich, daß das Unternehmen im Vergleich zu anderen Unternehmen der Branche über eine größere Zahl von Lieferanten verfügte. Für einzelne Warengruppen wurde bereits konsequent Auslandseinkauf betrieben, für einige Warengruppen zeigten sich aus der Analyse Potentiale, die den Anteil des Beschaffungsvolumens für ausgewählte Artikelhauptgruppen, der im Inland beschafft wird, verringerten. Im Rahmen der Portfolioanalyse wurde zunächst eine Neustrukturierung des Artikelspektrums nach strategischen Beschaffungseinheiten vorgenommen.
Mit Hilfe des Beschaffungsgüter-/-quellen-Portfolios konnten auf Basis der Hauptansatzpunkte drei wesentliche Umsetzungsprojekte voneinander abgegrenzt werden. Mit der „Optimierung der Beschaffungsquellen“ wurde das Ziel verfolgt, eine konsequente Reduzierung der Beschaffungsquellen umzusetzen, eine Erhöhung des Anteils im Ausland beschaffter Ware zu erreichen und neue Beschaffungsländer zu erschließen. Damit wurde über die Gestaltungsfelder Sourcing und Lieferantenauswahl die Potentialquelle Preissenkungen bei Lieferanten erschlossen.
Mit dem Umsetzungsprojekt der „Ausweitung der Lieferleistung“ auf den Lieferanten wurde die Zielsetzung verfolgt, Logistik- und Kommissionierumfänge auf Lieferanten zu übertragen, den Anteil über EDI angebundener Lieferanten zu erhöhen und die Rahmenvertragsquote zu steigern. Die Veränderungen bezogen sich auf die Gestaltungsfelder Informationsfluß- und Materialfluß- sowie Vertragsgestaltung. Mit den Veränderungen in den genannten Gestaltungsfeldern konnten insbesondere Potentiale aus Prozeßvereinfachungen erschlossen werden.
Ein drittes Umsetzungsprojekt befaßte sich mit der „Verschiebung des Anteils Push-Pull“. Im Handel wird vielfach noch ein großer Anteil der Güter über ein Lager in die Verkaufsfilialen geschoben, so daß es zu Unter- oder Überbeständen für Warengruppen in den Verkaufsfilialen kommen kann. In beiden Fällen erleidet das Unternehmen einen Umsatzausfall. Bei Überbeständen schmälern notwendige Preisnachlässe den geplanten Umsatz, bei Unterbeständen hätte ein höherer Umsatz erzielt werden können. Die mit den Überbeständen verbundenen Logistikkosten verschärfen das Problem.
Nicht erst mit dem ECR-Konzept wird der Versuch im Handel unternommen, das Verhältnis Push zu Pull zugunsten eines höheren Anteils Pull zu verschieben. Dabei werden die Informationen über den Abverkauf am Point of sale durch Scannerkassen erfaßt und systematisch der gesamten logistischen Kette zur Verfügung gestellt. Nicht alle Lieferanten sind in der Lage, ein verändertes Konzept mit zu tragen und beispielsweise den Anteil Pull zu erhöhen.
Auch an diesem Beispiel wird deutlich, daß ein Zusammenhang zwischen dem ECR-Konzept einerseits und den damit verbundenen Veränderungen in den Gestaltungsfeldern Informations- und Materialfluß, Sourcing, Lieferantenauswahl, Vertragsgestaltung andererseits zur Erschließung der Potentiale wie Reduzierung der Logistikkosten, Verringerung der Abschriften und Erhöhung des Umsatzes führt. Die Erschließung eines Umsatzpotentials durch gezielte Veränderungen auf der Beschaffungsseite ist für den Handel von elementarer Bedeutung.
Die beiden Fallstudien verdeutlichen, daß mit unterschiedlichen Konzepten ausgewählte Gestaltungsfelder der Abnehmer-Lieferanten-Beziehung beeinflußt werden. Über die Frage, welche Veränderungen in den Gestaltungsfeldern notwendig sind, um die Potentialerschließung sicherzustellen, werden durch Konzepte Veränderungen in verschiedenen Gestaltungsfeldern gebündelt. Das Potentialcontrolling der Einkaufspotentialanalyse setzt auf den Veränderungsaktivitäten in der Abnehmer-Lieferanten-Beziehung auf.
Literaturhinweise:
Wildemann, H.: Einkaufspotentialanalyse und europäische Keiretsu-Systeme, München 1999
Wildemann, H.: Einkaufspotentialanalysen – Leitfaden zur Kostensenkung und partnerschaftlichen Zusammenarbeit, München 1999
Wildemann, H.: Entwicklungsstrategien für Zulieferunternehmen, 3. neubearb. Aufl., München 1996
Wildemann, H.: Produktivitätsmanagement: Handbuch zur Einführung eines kurzfristigen Produktivitätssteigerungsprogramms mit GENESIS, 2. Aufl., München 1997
Wildemann, H.: Prozeß-Benchmarking zur Erreichung von Quantensprüngen in Geschäftsprozessen, München 1997
Wildemann, H.: Logistik Prozeß-Management, München 1997
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 3
Ausgabe
3.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de