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Zukunftsweisende Impulse durch neue Medien

Zusammenarbeit Einkauf und Entwicklung
Zukunftsweisende Impulse durch neue Medien

„Der Gewinn liegt im Einkauf“ lautet eine alte Redensart. In Zeiten des Shareholder Values können es sich Unternehmen weniger denn je leisten, weiterhin enorme Einkaufspotenziale zu verschenken. Crossfunktionale Zusammenarbeit zwischen Einkauf und Entwicklung unter Ausnutzung moderner Informationstechnologie ist die Antwort.

Dipl. Phys., Dipl. Wirtsch. Phys. Thomas Drebinger

Die Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen führt zu einer Aufwertung der Einkaufsfunktion: Einerseits nimmt durch den Trend zum Outsourcing das Einkaufsvolumen zu. Je nach Branche erreicht es Werte zwischen 30 und 70% des Umsatzes und führt zu einer steigenden Hebelwirkung des Einkaufs auf den Ertrag. Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen bedeutet andererseits jedoch auch, für zukünftig extern bezogene Leistungen die leistungsfähigsten Lieferanten zu identifizieren und optimal in die Prozesse des eigenen Unternehmens zu integrieren. Neben der traditionellen Materialkostenminimierung kommen dadurch neue strategische und organisatorische Aufgaben auf den Einkauf zu.
Untersuchungen der Produktkosten entlang des Produktentstehungsprozesses zeigen, dass mehr als die Hälfte der Kosten bereits in der Entwicklung festgelegt werden. Dies geschieht z.B. in Form von technischen Spezifikationen sowie der Auswahl von Komponenten und Lieferanten. Ausgabewirksam und damit sichtbar werden diese Kosten jedoch erst während der späteren Fertigungsphase. Hier sieht sich der Einkauf exotischen Lieferanten, hohen Materialeinstandspreisen sowie Kosten für mangelnde Qualität und Flexibilität der Lieferanten gegenüber.
Diese Lücke – Kostenfestlegung in der Entwicklung bei späterer Kostenentstehung im Einkauf – macht deutlich, warum speziell die Zusammenarbeit zwischen Einkauf und Entwicklung ein besonders hohes Einsparpotenzial bietet. Nur durch eine enge Kooperation dieser beiden Funktionen ist die Optimierung der Gesamtkosten im Sinne eines Total-Cost-of-Ownership-Ansatzes möglich. Kommerzielle, logistische und qualitative Aspekte der Fertigungsphase müssen von Anfang an in das Produktdesign einfließen. Durch die frühzeitige Einbindung des Einkaufs in den Entwicklungsprozess erspart man sich nachträgliche Änderungen, die um so aufwendiger und teurer werden, je später sie stattfinden.
Miteinander statt nacheinander
In der Praxis liegt bei der frühzeitigen Einbindung des Einkaufs noch vieles im argen. Dies hat vor allem organisatorische Gründe: Die Arbeitsteilung entlang des Produktentstehungsprozesses ist im wesentlichen funktional. Suboptimierungen innerhalb der beteiligten Funktionen bzw. Abteilungen sind an der Tagesordnung: Ingenieure entwickeln entsprechend der technischen Spezifikationen ein Produkt und übergeben die fertige Stückliste an die Fertigungsplanung. Der Einkauf hat die Aufgabe, die Einstandskosten der auf der Stückliste aufgeführten Komponenten zu minimieren.
Wenn es eine institutionalisierte Einbindung des Einkaufs in den Entwicklungsprozess gibt, so beschränkt sich diese in der Realität meist auf die allerdringlichsten Einzelfälle und greift bei den kritischen Prozessen zu spät an. Sucht z.B. ein Entwickler eine Komponente mit bestimmter Funktionalität, so ist es heute in den meisten Unternehmen noch immer einfacher, ein Bauteil aufgrund der technischen Parameter in Herstellerkatalogen zu finden und als Neuteil zuzulassen, als unter den bereits im Unternehmen verwendeten Komponenten ein passendes Teil zu finden. Angesichts der resultierenden ausufernden Teilevielfalt bleibt eine systematische Teilestandardisierung und Bedarfsbündelung so ein unerreichbares Ideal des Einkaufs. Selbst dort, wo es eine vom Einkauf wohldefinierte Lieferanten- und Vorzugsteilestrategie gibt, kann diese nicht greifen, solange die Auswahl der Komponenten aufgrund technischer Parameter erfolgt. Vermeidbare Redesigns und langwierige Diskussionen zwischen Einkauf und Entwicklung sind die Folge.
Erschwerend für die Zusammenarbeit zwischen Einkauf und Entwicklung wirkt der Trend zu global verteilten Fertigungsstandorten, die als eigenständige Profitcenter geführt bzw. ganz an externe Dienstleister vergeben werden. Aus dieser geographischen und organisatorischen Trennung ergeben sich für die Einbindung des Einkaufs in den Entwicklungsprozess völlig neue, ungelöste organisatorische Herausforderungen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass selbst dort, wo ein entsprechendes Problembewusstsein für die Schnittstelle Einkauf/Entwicklung vorhanden ist, eine ausufernde Teilevielfalt bei gleichzeitig zu vielen Lieferanten zu beobachten ist. Der Einkauf verwendet einen wichtigen Teil seiner Ressourcen für reaktive Maßnahmen sowie für die Arbeit mit strategisch irrelevanten Einkaufsteilen.
Wie in vielen anderen Bereichen gehen auch an der Schnittstelle Einkauf/Entwicklung wichtige neue Impulse von Informationstechnologien aus. Diese Auslöserfunktion der IT darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie gegenüber den funktionsübergreifend neu auszurichtenden Geschäftsprozessen letztendlich nur eine unterstützende Funktion ausüben kann. Ohne die Akzeptanz und das Engagement der Mitarbeiter ist jede Änderung von Geschäftsprozessen zum Scheitern verurteilt. Der Ansatz des „Integrierten Einkaufs“ nutzt deshalb die von neuen Informationstechnologien eröffneten Potenziale als Rahmen, um Geschäftsprozesse neu zu gestalten und dabei die Mitarbeiter durch entsprechendes Change Management von Anfang an voll zu integrieren.
Informationstechnologie eröffnet freie Ressourcen
Die bisher in Einkauf und Entwicklung verwendeten IT-Systeme lassen sich einteilen in einerseits Produkt-Daten-Management-Systeme, mit denen insbesondere der jeweilige Status der Stücklisten verwaltet wird, und andererseits Produktions-Planungs-Systeme, die mit Hilfe der Stücklisten abgeleitete Fertigungsbedarfe anzeigen und die notwendigen Einkaufstransaktionen anstoßen. Für die erfolgskritische Schnittstelle Einkauf/Entwicklung gab es bisher keine spezifische IT-Unterstützung.
Neue Component and Supplier Management Systeme (CSM) schließen diese Lücke. Bereits bei der Suche und Auswahl einer Komponente werden nicht nur sämtliche technischen Herstellerangaben zur Verfügung gestellt, sondern auch einkaufsrelevante Informationen wie die Wiederbeschaffungszeit und insbesondere der Vorzugsteilestatus.
Der Vorzugsteilestatus resultiert aus den kommerziellen, logistischen und qualitativen Erfahrungen der Fertigung, aus denen der Einkauf eine Vorzugsteile und -lieferantenstrategie ableitet und im CSM-System hinterlegt. Damit ist zukünftig sichergestellt, dass jeder einzelne Entwickler soweit wie möglich auf bereits verwendete Vorzugsteile zurückgreift, ohne z.B. durch Rücksprachen weitere Ressourcen des Einkaufs in Anspruch zu nehmen. Ist eine Teilewiederverwendung nicht möglich, kann die Suche auf eine umfassende Referenzdatenbanken ausgedehnt werden. Die komfortablen Such- und Vergleichsmöglichkeiten sämtlicher relevanter Technikparameter zusammen mit der hohen Trefferquote gewährleisten eine hohe Akzeptanz des Systems innerhalb der Entwicklung.
Prozessorientierung statt Abteilungsdenken
Das Konzept des „integrierten Einkaufs“ wandelt die reaktive Rolle des Einkaufs in eine proaktive Rolle. Diese bereits bekannte Forderung ist in der Vergangenheit jedoch häufig an den Schnittstellenproblemen gescheitert. So waren bisher viele Einkaufsressourcen in zeitaufwendigen Einzelabstimmungen mit Entwicklern und Diskussionen zu nachträglichen Design- änderungen gebunden. Da das CSM-System sicherstellt, dass die Entwicklungsingenieure zumindest bei den technisch unproblematischen B- und C-Teilen den vom Einkauf im System hinterlegten Empfehlungen folgen, kann der Einkauf seine Anstrengungen in Zukunft auf die verbleibenden 20% der strategischen A-Teile fokussieren. Diese A-Teile stellen zwar etwa 80% des Einkaufsvolumens dar, sind jedoch häufig Single-Source-Komponenten und deshalb nach Abschluss der Entwicklung sehr schwierig zu verhandeln.
Ein bei der Komponentenauswahl eingebundener Integrierter Einkauf kann durch gezielte Preisverhandlungen mit verschiedenen Anbietern erhebliche Preiseinsparungen erzielen. In crossfunktionalen Teams vertritt er kompetent ein konsequentes Design to Cost, das auch logistische und fertigungstechnische Aspekte berücksichtigt. Damit legt er von Anfang an die Grundlage für eine spätere, optimierte Supply Chain während der Fertigungsphase des Endprodukts. Mit der Möglichkeit, nachhaltig Einfluss auf Designentscheidungen und damit die zukünftige Umsatzentwicklung der Zulieferer zu nehmen, kann er eine konsequente Lieferantenstrategie mit anschließender Lieferantenentwicklung durchsetzen. Wie die funktionsübergreifende Prozessoptimierung in Einkauf und Entwicklung im Detail zu gestalten ist, hängt von der Ausgangssituation und den Potenzialen des jeweiligen Unternehmens ab. Historisch gewachsene Teillösungen sollten zwar geprüft werden, dürfen jedoch keinesfalls davon abhalten, ein best-practice-orientiertes, konsistentes Gesamtkonzept zu entwickeln und umzusetzen.
Die Rolle des Change Management
Jede Veränderung in Unternehmen löst bei den Mitarbeitern zunächst Verunsicherung bezüglich der persönlichen Zukunft aus, die häufig in ein Abwehrverhalten mündet. Um die tiefgreifenden Veränderungen einer funktions- und damit abteilungsübergreifenden Prozessoptimierung erfolgreich umzusetzen, bedarf es deshalb einer besonderen Aufmerksamkeit für die betroffenen Mitarbeiter. Von Beginn an ist bei den Mitarbeitern das Verständnis in die Notwendigkeit der Veränderungen zu schaffen. Die Möglichkeit, eigene Vorschläge einzubringen und so die Veränderungen mitzugestalten, erhöht sowohl die Bereitschaft zum Wandel als auch die spätere Akzeptanz der gefundenen Lösung. Für den Mitarbeiter heißt es Abschied zu nehmen von der sequentiellen Teiloptimierung von Aufgaben innerhalb der vertrauten Abteilungsgrenzen.
Crossfunktionale Entwicklungsteams z.B. aus Marketing, Entwicklung und Einkauf verfolgen ein gemeinsames Ziel und erfordern die Auseinandersetzung mit fachfremden Argumenten und Kollegen. Bei international agierenden Unternehmen stellen kulturelle Unterschiede innerhalb des Teams eine große Herausforderung dar, die es zu bewältigen gilt. Die Einrichtung eines Commodity Managements bedeutet auf der einen Seite die Abgabe des Verhandlungsmandats, stellt jedoch für den jeweiligen Commodity Manager eine erhöhte Verantwortung dar. Im Resultat werden durch die Veränderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter völlig neue soziale und fachliche Anforderungen gestellt. Es ist deshalb entscheidend, nicht nur die Einsicht und die Bereitschaft zum Wandel sicherzustellen, sondern auch die Fähigkeit, die neuen Prozesse in der Praxis zu leben.
Schwer zu imitierende Wettbewerbsvorteile aufbauen
Was bedeutet nun ein Integrierter Einkauf aus wettbewerbsstrategischer Sicht? Traditionell stehen hier Produkt- und Prozessinnovationen im Vordergrund: Produktneuentwicklungen unterliegen immer kürzeren Lebenszyklen sowie der Gefahr der Imitation durch Wettbewerber. Produktionsprozesse können in vielen Fällen nur noch durch sehr hohe Investitionen verbessert werden. Die unternehmensspezifische Optimierung funktions- und unternehmensübergreifender Prozesse bietet demgegenüber eine ideale Möglichkeit, schwer zu imitierende Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
Ein Integrierter Einkauf, der in den Entwicklungsprozess eingebunden ist und seinerseits die Einbindung strategischer Lieferanten zum frühestmöglichen Zeitpunkt forciert, ist insofern eine wichtige Voraussetzung, um flexibel und erfolgreich auf sich ständig ändernden Märkten zu agieren: Die effiziente Suchmöglichkeit nach Komponenten und die Berücksichtigung wichtiger nichttechnischer Aspekte von Anfang an beschleunigen den Entwicklungsprozess und vermeiden unnötige Redesigns im Hinblick auf ein schnelles Time-to-Market. Durch den verstärkten Einkaufsfokus auf die A-Teile und strategische Lieferanten können marktgerechte Preise für kundengerechte Produkte erreicht werden. Die Qualität der eigenen Produkte profitiert von einem fertigungsgerechten Produktdesign und der Einbindung qualitätsbewusster Lieferanten.
Zusammenfassung
Für ein professionelles Management des steigenden Materialkostenanteils ist eine enge Kooperation zwischen Einkauf und Entwicklung unerlässlich. In der Praxis sind noch bestenfalls unbefriedigende Einzellösungen zu finden, ein Großteil des enormen Einsparpotenzials wird nicht realisiert. Neue CSM-Systeme unterstützen systematisch die Zusammenarbeit zwischen Einkauf und Entwicklung und geben dadurch Impulse für eine unternehmensspezifische Neugestaltung der Geschäftsprozesse an dieser erfolgskritischen Schnittstelle. Über die erheblichen Einsparpotenziale hinaus stellt die funktionsübergreifende Prozessoptimierung aus wettbewerbsstrategischer Sicht eine wichtige Möglichkeit dar, schwer zu imitierende Wettbewerbsvorteile bei Kosten, Zeit und Qualität zu erzielen.
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