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Zunehmender Einfluß auf strategische Unternehmensentscheidungen

Marketing für den Einkauf
Zunehmender Einfluß auf strategische Unternehmensentscheidungen

Das Umfeld des Einkaufs hat sich in den 90er Jahren stark verändert. Die Globalisierung und Entwicklung der Datenverarbeitung und der Informationstechnologie eröffnen dem Einkauf neue Möglichkeiten. Die Reduktion administrativer Aufgaben – Bestellvorgänge werden automatisiert, Beschaffung von nicht-strategischen Produkten und Materialien wird ausgelagert (Beispiel Purchasing Cards) – öffnet Raum für strategischere Aufgaben im Rahmen der Produktentwicklung und in der Pflege der Lieferantenbeziehung.

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christian Carduck

Zunehmende Kooperation mit Zulieferern führte in der Automobilindustrie zu steigender Bedeutung der Beschaffung als Schnittstelle.
Die neuen Aufgaben erfordern eine stärkere Kooperation mit anderen Unternehmensfunktionen, auf deren Vertrauen der Einkauf als Partner angewiesen ist. Eine Befragung von Einkäufern in US-Elektronikunternehmen von 1996 zeigt, daß die Wahrnehmung des Einkaufs in seiner strategischen Bedeutung noch nicht auf dem Niveau von anderen wichtigen Unternehmensfunktionen steht und er dementsprechend von diesen nicht durchweg als gleichwertiger Partner anerkannt wird1). Aufgeteilt nach Funktionen zeigt sich, daß der Einkauf besonders von F&E und Marketing teilweise als administrativer Bereich angesehen wird. Die Autoren der Studie sehen allerdings einen deutlichen Trend zur stärkeren Akzeptanz des Einkaufs im Laufe der letzten Jahre.
Interne Akzeptanz als Schlüssel
Wo es dem Einkauf gelingt, sich bei diesen Unternehmensfunktionen, die am Anfang des Innovationsprozesses (von der Idee bis zur Markteinführung) federführend sind, den Ruf eines gleichberechtigten Partners zu verschaffen, steigt auch die Akzeptanz bei den anderen Bereichen. Die interne Akzeptanz beeinflußt den Zugang zu Informationen und die Beteiligung an Entscheidungsprozessen. Da in der Phase der Produktentwicklung die größten Einflußmöglichkeiten auf die Kosten bestehen, ist die Einbeziehung des Einkaufs in dieser Phase besonders wichtig.
Interne Akzeptanz ist auch wichtige Voraussetzung für die Tätigkeit von zentralen Einkaufsstellen, die als interne Dienstleister für selbständig wirtschaftende Geschäftsbereiche auftreten. Insbesondere als separate Gesellschaften auftretende Einheiten, wie z.B. die im umstrukturierten Hoechst-Konzern gebildete Hoechst Procurement International, stehen unter dem Druck, deutliche Einsparungen zu erzielen und somit ihr Mandat zu rechtfertigen.
Rahmenbedingungen
Wie kann der Einkauf nun seine Akzeptanz und damit seinen Einfluß innerhalb der Organisation stärken? Smeltzer untersucht in einer CAPS-Studie die Rahmenbedingungen, die den Einfluß des Einkaufs auf die strategische Planung des Unternehmens erhöhen2). Er stellt dabei fest, daß vor allem Unternehmen, die sich in einem wettbewerbsintensiven Umfeld bewegen, permanent ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern müssen. In dieser Situation erkennt das Top-Management eher, welche Potentiale auf der Beschaffungsseite liegen und ist bemüht, diese auszuschöpfen.
Die Unterstützung durch die oberste Führungsebene ist für die Entwicklung des Einkaufs ebenso essentiell wie eine starke Führung des Beschaffungsbereiches selbst. Diese ist gefordert, die Vorgaben des Vorstandes in konkrete Maßnahmen zur stärkeren Einbeziehung des Einkaufs in die Unternehmensprozesse umzusetzen. Eine zentrale Rolle in der erfolgreichen Einbindung des Einkaufs in verschiedenste Unternehmensbereiche spielt das interne Marketing.
Internes Marketing
War der Einkauf bisher gewohnt als Kunde aufzutreten, muß er sich nun verstärkt um seine Kunden bemühen. Der Einkauf muß andere Unternehmensfunktionen als interne Kunden betrachten. Produktqualität und Versorgungsicherheit sollten nicht alleiniger Fokus bleiben. Der Einkauf ist vielmehr gefordert, sich verstärkt um die Qualität seiner Dienstleistung zu bemühen. Dabei spielen die Dimensionen Zuverlässigkeit, Reaktionszeit, Unterstützungsbereitschaft, Aufmerksamkeit, Ausstattung und Auftreten eine große Rolle. Viele Einkaufsabteilungen setzen Qualitätssicherungsprogramme für ihre Dienstleistung ein und lassen sich nach ISO 9002 zertifizieren.
Solche Zertifizierungen wirken in der Hauptsache im Innenverhältnis und sollen das Vertrauen der internen Kunden in die Fähigkeiten des Einkaufs stärken. Ein zentraler Bestandteil solcher Programme sind Kundenbefragungen in Form von Fragebögen. Sie sind ein geeignetes Mittel, um die Bedürfnisse und Erwartungen der anderen Abteilungen kennenzulernen, die innerhalb eines Unternehmens sehr unterschiedlich sein können. Darüber hinaus ist es notwendig, die firmeninternen Partner von der Leistungsfähigkeit des Einkaufs auf informellem Wege zu überzeugen.
Wie eine solche interne Offensive des Einkaufs aussehen kann, zeigt das Beispiel von Hüls America, Tochtergesellschaft der Hüls AG, Marl3). Aus der Mitarbeit in funktions- und organisationsübergreifenden Teams heraus wurden die Einkäufer verstärkt in die Planung und Arbeit der einzelnen Geschäftsfelder miteinbezogen. Dazu war es zunächst notwendig, daß der Einkaufsleiter von sich aus den persönlichen Kontakt zu seinen internen Kunden suchte.
Daraufhin überzeugte er seinen Gesprächspartner von seinen Vorstellungen, welche Vorteile die Integration der Mitarbeiter des Einkaufs in die Teams bedeutet. Die Integration durch zahlreiche informelle Gruppen und Besprechungen hat die gegenseitige Kenntnis über die Arbeitsweise und Bedürfnisse des Einkaufs und seiner Kunden verbessert und den Beitrag der Einkäufer zum Geschäftserfolg der Geschäftsfelder vergrößert. Im ersten Jahr nach der Einführung dieser Maßnahmen konnten Einsparungen in Höhe von 5% der Gesamtausgaben des Unternehmens erzielt werden.
Kern der Entwicklung bei Hüls America war der Umstand, daß der Einkauf aus eigenem Antrieb Wertschöpfungspotentiale aufdeckte, den Kontakt zu seinen Partnern suchte und diese mit Informationen und anderen Dienstleistungen versorgte. Beschaffungsmarktinformationen werden so zur Bringschuld der Einkaufsabteilung, insbesondere an die Entwicklungsabteilung. Das Beschaffungsmarketing sollte sowohl Hintergrundinformationen über Beschaffungsmärkte bereithalten als auch aktuelle Änderungen bei Preisen oder Angeboten und deren Einfluß auf das eigene Geschäft selbständig an die internen Kunden weitergeben.
Teil der Marketing-Maßnahmen ist es, die Transparenz der Leistung des Einkaufs zu erhöhen. Moderne Methoden des Einkaufs-Controlling ermöglichen es z.B. beim Commodity-Einkauf, die eigene Leistung von der allgemeinen Entwicklung des Marktes abzugrenzen. Wenn keine direkten Marktindizes zur Verfügung stehen, ist es dennoch meistens möglich, diese aus anderen Daten abzuleiten. Eine aus diesen Ergebnissen resultierende leistungsorientierte Bezahlung der Mitarbeiter erhöht einerseits die Motivation der Mitarbeiter, schafft andererseits auch mehr Glaubwürdigkeit bei den internen Partnern.
Wie in vielen Bereichen, hängt die Leistungsfähigkeit einer Organisation von ihren Mitarbeitern ab. Mit der steigenden Bedeutung und dem veränderten Umfeld des Einkaufs steigen auch die Anforderungen an sein Personal. Die Ausbildung der Mitarbeiter und die Rekrutierung von leistungsstarken Nachwuchskräften sollte deshalb höchste Priorität haben. Dabei ist wichtig, den Mitarbeitern Freiräume zu bieten und Karrieremöglichkeiten zu eröffnen. Die Bereitschaft, auch Risiken einzugehen, ohne daß gescheiterte Projekte der eigenen Karriere schaden, sollte gefördert werden.
Insbesondere das technische Wissen der Einkäufer muß sich verbessern. Wie es schon lange den Vertriebsingenieur gibt, so setzt sich auch verstärkt der „Einkaufsingenieur“ durch. Allerdings darf sich das technische Wissen nicht nur auf Produkte und Materialien beschränken, sondern der Beschaffungsmanager muß sich mit den unterschiedlichsten Prozessen innerhalb des Unternehmens vertraut machen. Beispielsweise ist eine gute Kenntnis des Produktionsprozesses, der für einen großen Teil der Kosten verantwortlich ist, notwendig, um bei der Erarbeitung von Target Costing im Entwicklungsprozeß kompetent mitsprechen zu können.
Um solche Maßnahmen anzustoßen, sollten für die Beschaffungsfunktion formale Ziele festgelegt werden, an denen die Geschäftsprozesse ausgerichtet werden können. Dabei ist wichtig, daß sich Zielsetzung und Planung für den Einkauf stark an der allgemeinen Strategie und Kultur der Unternehmung ausrichten. Wenn ein Unternehmen eine offene, risikofreudige Kultur mit minimaler Kontrolle pflegt, so muß dies im Einkauf auch gelten. Herrschen eher formale, hierarchische Strukturen mit klaren Regelungen vor, sollte auch der Einkauf so organisiert sein. Gleiches gilt für den Umgang mit den internen Kunden, auf die der Einkäufer eingehen muß.
Organisatorischer Rahmen
Die Rolle des Einkaufs drückt sich auch in der organisatorischen Einbindung in das Unternehmen aus. Im Spannungsfeld zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung hat sich bei den meisten Firmen eine fallspezifische Kombination aus Schaffung von Synergien durch Zentralisierung und Berücksichtigung bereichs- bzw. länderspezifischer Bedürfnisse durch Dezentralisierung herausgebildet. Überlagert werden diese Strukturen von der Bildung funktions- und organisationsübergreifender Teams, die regelmäßig oder fallweise zu Projekten zusammenkommen.
Einerseits werden Entscheidungen, die vormals alleine durch den Einkauf getroffen wurden, an Teams delegiert, und die Entscheidungsmacht des Einkaufs scheint reduziert. Auf der anderen Seite wird der Einkauf durch die Einbeziehung in diese Teams an weit mehr Entscheidungen – wie zum Beispiel während der Entwicklung neuer Produkte – beteiligt. Der Aktionsradius des Einkaufs und sein Einfluß auf Unternehmensentscheidungen steigt. Mitarbeiter der Beschaffungsfunktion können auf diese Weise den direkten Kontakt zu den Kollegen anderer Bereiche nutzen, um den Beitrag des Einkaufs zur Wertschöpfung des Unternehmens zu steigern.
In technologiegetriebenen Branchen mit geringer Fertigungstiefe ist die Beziehung des Einkaufs zur F&E-Abteilung besonders wichtig. In solchen Fällen spielt die räumliche Nähe der Abteilungen eine große Rolle. Wie diese Erkenntnis erfolgreich umgesetzt wird, zeigt das Beispiel von BMW. Dort ist der Einkauf im modernen Forschungs- und Entwicklungszentrum (FIZ) ansässig und nicht im Verwaltungshochhaus. Durch die räumliche Nähe wird die Kommunikation auf dem kleinen Dienstweg erheblich erleichtert.
Mit der gestiegenen Bedeutung des Einkaufs stellt sich auch die Frage nach seiner Vertretung im obersten Management. Je höher der Einkauf in der Organisation aufgehängt ist, desto stärker kann er seine Projekte durchsetzen. Höhepunkt einer solchen Entwicklung ist die Aufnahme eines Verantwortlichen, der exklusiv für die Beschaffung verantwortlich ist, in den Vorstand. Mit der Bedeutung des Einkaufs steigen auch die Anforderungen an ihn. Sobald der Einkauf zum gleichberechtigten Partner der anderen Unternehmensfunktionen wird, werden ihm von der obersten Führungsebene auch höhere Zielsetzungen auferlegt, die es in der Zukunft zu erfüllen gilt. Im Rahmen der genannten Veränderungen kann das alte Motto „im Einkauf liegt Segen“ neuen Glanz bekommen.
Literatur
  • 1)Pearson, J; Ellram, L.; Carter, C.: Status and Recognition of the Purchasing Function in the Electronics Industry, in: International Journal of Purchasing and Materials Management, Frühjahr 1996, S. 30-36
  • 2)Smeltzer, L.: Conditions that Create Influence for Purchasing in Corporate Strategic Planning, Focus Study, Center for Advanced Purchasing Studies, 1997
  • 3)Lewis, C.: Selling the value of purchasing, in: Purchasing, 5. Juni 1997
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