Ein Paradebeispiel für Kundenorientierung im Schaltschrankbau liefert Rittal mit seinem neuen Großschranksystem VX25, das soeben auf der Hannover Messe Weltpremiere feierte. Der Systemanbieter für Schaltschränke und IT-Infrastruktur konnte im Rahmen einer einjährigen wissenschaftlichen Feldstudie „Probleme bei Kunden erkennen, die diese so selbst noch nicht wahrgenommen“ hätten, beurteilt F+E-Geschäftsführer Dr. Thomas Steffen den Praxisfokus, der in eine Nutzeranalyse mündete. Dabei kristallisierten sich 150 konkrete Anforderungen an eine neue Schaltschrankgeneration heraus, die dem Erfolgsmodell TS 8 nachfolgen sollte. Das Ergebnis lässt aufhorchen. In der 2012 angestoßenen, rund fünfjährigen Entwicklungszeit für den Nachfolger setzten die Rittal-Ingenieure sämtliche Kundenanforderungen um, wobei mehr als 25 angemeldete Schutzrechte entstanden sind.
Unter der Prämisse, das Beste noch besser zu machen, verfestigte sich bei Rittal die Erkenntnis, dass der Markt einen Schaltschrank braucht, „der die Durchlaufzeiten in Engineering und Montage verkürzt, die Komplexität reduziert und sich als vollwertiger Baustein in den Megatrend Digitalisierung einfügt“, erläutert der F+E-Chef. Die 100%ige Industrie-4.0-Fähigkeit des VX25 leitet Thomas Steffen daraus ab, dass ausschließlich die Kombination aus realem Schaltschrank und seinem digitalen Zwilling in Zukunft alle Digitalisierungsanforderungen erfülle – von der Online-Konfiguration und Engineering über die Montage bis hin zu Automatisierung, Logistik und Wartung.
Der Name ist zugleich Programm
VX25 steht für die Vielzahl an Möglichkeiten, das Erfüllen X-facher Kundenanforderungen und für Symmetrie durch ein übergreifendes, durchgängiges 25-mm-Maßraster. Um das neue Rahmenprofil fertigen zu können, haben die Herborner in neue Profilieranlagen und Serienfertigungslinien mit insgesamt 31 Schweiß- und Handlingrobotern investiert. Dabei wird das Fertigungswerk in Rittershausen für „Rittal 4.0“ fit gemacht, um zukünftig rund 2500 Großschränke pro Tag produzieren zu können. Im Endausbau 2020 soll die neue Fertigung drei Profilieranlagen mit einer Länge von jeweils 70 m haben. Damit werden die horizontalen und vertikalen Rahmenprofile des VX25 in einem Prozess gefertigt.
Grundsätzlich ist die Hightech-Produktion bei Rittal wesentlicher Bestandteil der digitalen Wertschöpfungskette. Digital unterstützt, laufen sämtliche Prozesse von der Bestellung bis zur Produktion automatisiert ab. Alle Bereiche im Schaltanlagenbau des Kunden – ob Elektroplanung, mechanische Konstruktion, Einkauf, Kalkulation oder Produktion – haben Zugriff auf vollständige Daten. Auch ohne CAD-Kenntnisse soll sich der VX25 mit dem Rittal Configuration System einfach und fehlerfrei konfigurieren lassen. Eine integrierte Plausibilitätsprüfung gibt Planungssicherheit. Zudem vereinfacht der angebundene Online-Shop samt webbasierter Tools für die Umstellung vom TS 8 auf die VX25- Schrankinnovation die Bestellprozesse.
Tracking per QR-Code
Da zudem die Flachteile des neuen Großschranks mit einem QR-Code versehen sind, kann der Steuerungs- und Schaltanlagenbau zukünftig sowohl seine Produktion steuern als auch eine Rückverfolgbarkeit realisieren. Über den QR-Code lassen sich die Komponenten des Schaltschranks einem konkreten Auftrag oder Kundenprojekt zuordnen. Dadurch lassen sich die Bauteile über den kompletten Workflow tracken, den korrekten Bearbeitungsprogrammen zuordnen sowie Bearbeitungszeiten erfassen.
Bei alldem hatten die Schaltschrankentwickler die Effizienz ihrer Kunden in der Werkstatt im Blick. Unter dem Strich bedeutet das durchgängige 25-mm-Maßraster 40 % weniger Chassis und Schienen bei gleicher Funktionalität wie bisher. Schließlich wird das einheitliche Profil in allen Dimensionen verwendet. Dadurch passen Ausbaukomponenten für die vertikalen Rahmenteile jetzt auch im Dach- und Bodenbereich des Schaltschranks. Und auch bei angereihten Schaltschränken setzt sich das Maßraster im benachbarten Schrank fort.
So spart der Kunde bei der Montage reichlich Zeit. Rund 30 min sind es laut Rittal gegenüber dem konventionellen Zusammenbau. Auch dieser Effekt beruht auf dem neuen Rahmenprofil. Da der Schaltschrank von allen vier Seiten zugänglich ist, lässt sich die äußere von zwei verfügbaren Montageebenen nun auch von außen direkt ohne Zusatzteile bestücken. Auch lassen sich Montageplatten von hinten einbauen. Dies sei im Falle schwer bestückter Montageplatten ein großer Vorteil. Zudem würden auch
20 mm mehr Einbautiefe neuen Handlungsspielraum im Schaltschrank eröffnen.
Einfachere Montage
Rund 50 % weniger Montagezeit verspricht der werkzeuglose Einbau. Mit dem neuen Snap-on-Griff lässt sich ein Griff in der halben Zeit wechseln. Vorbei sind die Zeiten, wo etwa Komfortgriffe mit Schrauben demontiert und später wieder montiert wurden. Jetzt wird nur noch gesteckt. Und statt wie bisher zu bohren, kann die
Tür dank 180°-Scharnier wie eine Wohnungstür aus- und eingehängt werden. Auch beim Sockel wurde neue gedacht: Der Neue vereint jetzt alle Funktionen des TS-Sockels und dem Sockelsystem Flex-Block in einer Lösung. Laut Rittal vereinfacht dies die Sockelmontage erheblich und integriert noch weitere Funktionen wie die sichere Befestigung von Kabeln mittels Standard-Chassis.
Für F+E-Geschäftsführer Dr. Thomas Steffen ist klar: „Der VX25 tickt, wie der Steuerungs- und Schaltanlagenbauer denkt und handelt – in Funktionen und Prozessen.“ Den Kundennutzen fasst er in drei Kernpunkten zusammen: „Maximale Datenqualität und -durchgängigkeit, reduzierte Komplexität sowie Zeitersparnis und Sicherheit in der Montage.“
Dietmar Kieser,
Redakteur Beschaffung aktuell
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