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CE-Kennzeichnung: Gleichzeitige Anwendung verschiedener Richtlinien

CE-Kennzeichnung elektrischer Betriebsmittel
Gleichzeitige Anwendung verschiedener Richtlinien

Elektrische Betriebsmittel, wie Schaltschränke für Maschinen oder Schaltgerätekombinationen, dürfen nur dann verkauft werden, wenn sie richtlinienkonform produziert worden sind. Das muss der Hersteller durch eine CE-Kennzeichnung bestätigen. Doch das Aufbringen der Kennzeichnung ist nur der letzte Schritt eines Prozesses, der die gesamte Fertigung des Produkts begleitet. Die Einhaltung der europäischen Richtlinien ist dabei keineswegs freiwillig, denn diese wurden im deutschen Recht in Gesetzesform umgesetzt.

Am Beginn des Prozesses zur CE-Kennzeichnung steht die Auswahl der relevanten Richtlinien. Sie bildet außerdem die Grundlage für die anschließende Festlegung der anzuwendenden Normen. Da elektrische Betriebsmittel in den Geltungsbereich verschiedener Richtlinien fallen können, die teilweise gleichzeitig anzuwenden sind, sollte die Komplexität des Selektionsverfahrens nicht unterschätzt werden. Während es noch relativ eindeutig ist, in welchen Fällen die Niederspannungs-, EMV-, Atex- oder RoHS-Richtlinie für elektrische Betriebsmittel zum Einsatz kommt, lässt sich der Zusammenhang in anderen Fällen vermeintlich schwieriger erkennen. Insbesondere die Funkanlagenrichtlinie (2014/53/EU) fließt häufig nicht in die Betrachtungen ein.

Nachfolgend werden deshalb die Anwendungsbereiche sowie wesentliche Anforderungen der Niederspannungs-, EMV- und Funkanlagenrichtlinie beleuchtet. Danach wird aufgezeigt, wie diese Anforderungen in der Praxis realisiert werden können.

EMV- und Niederspannungsrichtlinie ergänzen sich

Die Niederspannungsrichtlinie hat einen klar definierten Geltungsbereich. In ihr sind elektrische Betriebsmittel mit einer Nennspannung zwischen 50 bis 1000 V Wechselstrom sowie 75 bis 1500 V Gleichspannung erfasst. Die EMV-Richtlinie beinhaltet hingegen Betriebsmittel, die elektromagnetische Störungen verursachen oder durch derartige Störungen beeinträchtigt werden können. Ein Abgleich dieser Anwendungsbereiche mit realen Produkten verdeutlicht, dass für viele Betriebsmittel beide Richtlinien gültig sind. Das ist im Konzept der europäischen Richtlinien genauso vorgesehen; die wesentlichen Anforderungen ergänzen sich lediglich.

Die in der Niederspannungsrichtlinie aufgeführten wesentlichen Anforderungen dienen dem Schutz von Menschen, Haus- und Nutztieren sowie Sachgütern. Erörtert werden einerseits die Gefährdungen, die von den elektrischen Betriebsmitteln ausgehen. Andererseits werden Gefahren berücksichtigt, die durch äußere Auswirkungen auf die Betriebsmittel entstehen können. Die EMV-Richtlinie verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Sie beschäftigt sich ebenfalls mit dem Einfluss der Geräte auf ihre Umgebung sowie mit der Fragestellung, welche Effekte die Umgebung auf die einzelnen Geräte haben kann.

Der Fokus liegt hierbei auf elektromagnetischen Phänomenen. So ist es Geräten, welche den Ansprüchen der EMV-Richtlinie gerecht werden, nicht erlaubt, einen zu hohen elektromagnetischen Störpegel auszusenden. Andererseits dürfen sie sich nicht von EMV-Phänomenen, die in der Einsatzumgebung auftreten können, unzulässig beeinflussen lassen. Typischerweise wird dabei zwischen einem industriellen und öffentlichen Anwendungsbereich unterschieden.

Geräte mit Funkschnittstelle sind als Funkanlage zu betrachten

Im Sinne der Richtlinie 2014/53/EU handelt es sich bei einer Funkanlage um ein Erzeugnis, das zum Zweck der Funkkommunikation und/oder Funkortung Funkwellen ausstrahlt und/oder empfängt. Somit schließt die Richtlinie nicht nur klassische Funkprodukte wie Mobilfunk-Router ein, sondern auch GPS-Empfänger, RFID-Geräte sowie NFC-Devices und Ähnliches. Durch die Definition des „Combined Equipments“ wurde ferner dem Umstand Rechnung getragen, dass aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung immer mehr Produkte über eine Funkschnittstelle verfügen. Unter Combined Equipment ist der feste Zusammenbau einer Funkeinrichtung mit einer Nicht-Funkeinrichtung zu verstehen. Als Beispiel sei die Ausstattung einer Schaltgerätekombination mit einem Mobilfunk-Router angeführt.

Als wesentlich erweist sich, dass ein Combined Equipment als Ganzes als Funkanlage betrachtet werden muss. Folglich ist die Konformität des Produkts auf der Grundlage der Funkanlagenrichtlinie zu bewerten. Die Funkanlagenrichtlinie legt insgesamt drei Anforderungen fest, denen entsprochen werden muss. Die erste Voraussetzung enthält die Ziele der Niederspannungs- und EMV-Richtlinie. Die zweite Anforderung konzentriert sich auf die effektive und effiziente Nutzung von Funkfrequenzen. Der letzte Anspruch umfasst schließlich mehrere Unteranforderungen, die momentan noch nicht beachtet werden müssen. Ihnen kommt erst durch sogenannte delegierte Rechtsakte eine Verpflichtung zu.

Untersuchungen sind bei funktionellen Änderungen notwendig

Da elektrische Betriebsmittel häufig mit einer Funkeinrichtung kombiniert werden, stehen die Hersteller von Schaltschränken, Schaltgerätekombinationen und Ähnlichem vor der Herausforderung, ihre Produkte zum Teil gemäß der Funkanlagenrichtlinie in Verkehr bringen zu müssen. Die gute Nachricht ist, dass sich durch diesen Sachverhalt in der Praxis lediglich wenig für sie ändert. Bei der Konformitätsbewertung können sich die Hersteller eines Combined Equipments in der Regel auf die Konformität der installierten Funkeinrichtung berufen, sofern sie alle Vorgaben an deren Einbau und Betrieb einhalten. Sollte dies aus funktionellen Gründen nicht möglich sein, weil beispielsweise eine nicht vorgesehene Antenne montiert werden muss, sind messtechnische Untersuchungen erforderlich.

Die Voraussetzungen der Niederspannungs- und EMV-Richtlinie, die in die Anforderungen der Funkanlagenrichtlinie inkludiert sind, werden üblicherweise schon seit Längerem betrachtet. Hier muss der Hersteller seine täglichen Arbeiten also kaum anpassen, da er weiterhin auf die bekannten harmonisierten Normen zurückgreifen kann. Als wichtig erweist sich jedoch, dass die Niederspannungs- und EMV-Richtlinie bei Funkanlagen nicht zusätzlich auf der Konformitätserklärung aufgeführt werden müssen. Des Weiteren sind einige Details bei der technischen Dokumentation zu berücksichtigen.

Abläufe müssen eng verzahnt werden, um CE-Prozess effizient einzusetzen

Aufgrund der Vielzahl an möglicherweise relevanten Richtlinien sowie deren notwendiger paralleler Anwendung scheint die richtlinienkonforme Fertigung von elektrischen Betriebsmitteln manchmal eine große Hürde für die Hersteller zu sein. Bei einer engen Verzahnung mit den betrieblichen Abläufen lässt sich der CE-Prozess trotzdem effizient und nutzbringend umsetzen. Weil sich die gesetzlichen und normativen Vorgaben natürlich stetig weiterentwickeln, sollten sich die Hersteller regelmäßig mit der Thematik der CE-Konformität auseinandersetzen.


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Hauke Abbas, B.Sc., Experte für elektrische Sicherheit im Competence Center Services, Phoenix Contact Deutschland GmbH, Blomberg

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