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Sprung in eine neue Dimension

Aufbau der Leichtbau-Sparte nimmt Gestalt an
Sprung in eine neue Dimension

Der Hydraulik- und Antriebstechnikspezialist Hänchen geht mit Zylindern aus dem neu entwickelten Werkstoff H-CFK technologisch neue Wege. Mit dem aus carbonfaserverstärkten Kunststoff und weiteren Materialien veredelten, hochbelastbaren Werkstoff sollen jetzt neue Märkte erschlossen werden.

Befragt man Tanja Hänchen zu ihren Erlebnissen der letzten zwölf Monate, verweist sie auf einen „steinigen Weg mit viel Schweiß und Tränen“. Inzwischen ist die Geschäftsführerin der Herbert Hänchen GmbH & Co. KG aus Ostfildern nahe Stuttgart sichtlich stolz auf das, was sich als Erfolgsgeschichte zu entwickeln scheint. Der Grund des Jubels ist ein doppelter Familienzuwachs. Zeitgleich mit der Hannover Messe 2015 erweiterte der Anbieter von Hydrauliklösungen und Antriebssystemen seine Produktbereiche um die beiden Neuzugänge Maschinenelemente und H-CFK.

H-CFK ist der von Hänchen selbst entwickelte hochbelastbare Verbund aus carbonfaserverstärktem Kunststoff und weiteren Komponenten, veredelt zu einem Werkstoff. Im ersten Schritt produziert Hänchen daraus längliche Bauteile wie Kolbenstangen aus Carbon mit metallischen Enden sowie druckdichte und druckfeste Rohre mit Befestigungselementen. Hydraulikzylinder werden so bis zu 80 Prozent leichter und sind besonders biegesteif und dehnungsarm. Bedarf besteht aber nicht nur im Leichtbau. Denn ein H-CFK-Bauteil ist korrosionsbeständig, amagnetisch und soll bis zu 50 Prozent energieeffizienter als ein herkömmlich gefertigtes sein.
Ihr Team hätte nicht nur eine Neuheit entwickelt, präzisiert Tanja Hänchen, „sondern drei neue Technologien auf einen Schlag“. Die innovatorische Leistung der schwäbischen Tüftler besteht in der Fertigung runder, in drei Dimensionen hochbelastbarer Bauteile, hochfester Verbindung zwischen Carbon und Metall sowie einer harten, druckdichten und verschleißfreien Oberfläche. Das Ergebnis wurde mit dem ersten Platz beim mit 40 000 Euro dotierten Innovationspreis des Landkreises Esslingen ausgezeichnet.
Drei Technologien auf einen Schlag
Das neue Terrain forderte das Hänchen-Entwicklungsteam, das mangels marktverfügbarer Produktionsmaschinen in Eigenleistung gehen musste. In vierjähriger Fleißarbeit wurden die Grundlagen mit dem Werkstoff erforscht und die drei Technologien entwickelt – umgesetzt auf einer selbstgebauten Wickelmaschine, die einen aus 12 000 Fasern verpressten Carbonstrang verarbeitet, samt Trocknungsanlage sowie spanenden Bearbeitungs- und Beschichtungsverfahren.
„H-CFK ist ein reines Forschungsprojekt geworden“, blickt Tanja Hänchen zurück. Rechtzeitig zur Hannover Messe 2015 wurde die erste H-CFK-Kolbenstange fertig. Mit Beginn des Jahres 2016 wird die Prototypenfertigung zu einem Produktprogramm für runde, längliche Bauteile ausgebaut. Eigens hierfür wird Hänchen eine H-CFK-Fertigung am Stammsitz Ostfildern errichten, angesiedelt in direkter Nähe zur 25-köpfigen Entwicklungs- und Konstruktionsabteilung. „Alles wird eine Nummer größer“, verdeutlicht Entwicklungsleiter Klaus Wagner den nächsten Sprung.
Das Wickelverfahren ist bislang auf die Fertigung von Prototypen ausgelegt und begrenzt auf die Bearbeitung von maximal 2,5 m langen Bauteilen und Durchmessern bis 200 mm. Künftig werde man deutlich längere und im Durchmesser größere Bauteile produzieren können, sagt Wagner.
Fit für Kleinserienproduktion
Mit dem Ausbau werde das Wickelverfahren fitgemacht für die Einzel- und Kleinserienproduktion. Diese ausgewiesene Hänchen-Spezialität kommt im gesamten Portfolio zum Tragen: vom Hydraulikzylinder über Maschinenelemente bis zum kompletten Antriebssystem. Qualitative Produkte und Engineering für den Einzelfall und damit für den Sondermaschinenbau sind seit Gründung vor 90 Jahren eine Spezialität des Unternehmens.
Mit dem erweiterten Fokus wird das für runde Bauteile konzipierte CFK-Wickelverfahren prozesstechnisch wie auch in puncto Geschwindigkeit weiter optimiert. Die Forschung ist dabei keineswegs ad acta gelegt. Im Gegenteil: Etwa eine Wellentorsion abbilden zu können, erfordert weiterhin Gehirnschmalz. So wird die Entwicklung stark forciert, Drehmomentbelastung wie auch größere Abmessungen sind Themen, die hineinspielen. Auch die Beschichtungstechnologie bietet Möglichkeiten, etwa zum Beschichten von Kolbenstangen als Alternative zur Verchromung. Selbst andere Verfahren wie das Flechten will der Entwicklungsleiter zukünftig nicht ausschließen. Entscheidend für das weitere Vorgehen sei die Resonanz aus dem Markt, betont Wagner.
Neue Einsatzfelder im Visier
Bei allem bislang Erreichten „stehen wir erst am Anfang“, schildert Tanja Hänchen den Status quo. Auch als Forschungsthema werde der Leichtbau ihr Unternehmen, das sie in dritter Generation zusammen mit ihren Cousins Stefan und Matthias Hänchen leitet, „noch viele Jahre begleiten“, um es zu einem weiteren Standbein auszubauen. Jedenfalls sehen die Schwaben in ihrem cleveren Werkstoffverbund die Zukunft und wollen sich über diese Technologie neue Märkte erschließen. Aufgrund der Eigenschaften von H-CFK rechnet sich Marketingleiterin Sarah Bässler „sehr gute Chancen aus, in für Hänchen neuen Einsatzfeldern Fuß zu fassen“.
Das künftige Vermarktungsterrain erstreckt sich auf Testen und Prüfen, auf mobile Anwendungen und Automotive sowie Maschinenbau und Werkzeuge.
Beispielsweise können die Kolbenstangen aus H-CFK für den Prüfbereich im Produktkonfigurator Häko (www.haenchen.de) über den Einstieg „Prüf-Zylinder Baureihe 320“ ausgewählt werden. „Wir laden Einkäufer ein, mit ihren Anforderungen zu uns zu kommen. Unter Umständen lautet unsere Antwort dann: Das ist etwas ganz Neues, aber wir können es entwickeln und herstellen“, beruft sich Sarah Bässler auf das bei Hänchen vereinte Fertigungs-Know-how und die Technologien.

Dietmar Kieser,
Redakteur Beschaffung aktuell
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