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Transformieren statt reparieren

Von der klassischen Instandhaltung zur modernen Smart Maintenance
Transformieren statt reparieren

Transformieren statt reparieren
Durch den Wandel von der Instandhaltung zur Smart Maintenance hat sich das Berufsbild grundlegend geändert. Die Mitarbeiter müssen mit Daten und modernen Technologien umgehen können. Bild: leonidkos/stock.adobe.com
Reparieren, was kaputt ist – das war lange Zeit das klassische Verständnis von der Rolle der Instandhaltung. Diese Rolle hat sich in den letzten Jahren vor allem im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung grundlegend geändert. Heute geht es um die Sicherung der zukünftigen Produktionsfähigkeit und wie der Einkauf schon bei der Beschaffung darauf einwirken kann.

Ulrike Dautzenberg, Journalistin, Wiesbaden

Heute ist die wichtigste Aufgabe der Instandhaltung im Unternehmen die Transformation bestehender Produktionsanlagen“, erklärt Dr.-Ing. Thomas Heller, Abteilungsleiter Anlagen- und Servicemanagement am Fraunhofer IML in Dortmund. „Wir haben in Deutschland teilweise noch Anlagen, die 30 Jahre alt oder sogar noch älter sind. Diese können nicht alle durch moderne Anlagen ersetzt werden, also müssen wir die Anlagen, die wir haben, in die Lage versetzen, konkurrenzfähig zu laufen und zu produzieren. Und diese Transformation hin zu einer modernen Anlage, die den veränderten Rahmenbedingungen in den Produktionsunternehmen Rechnung tragen bzw. sie kompensieren kann, ist eine der wesentlichen Aufgaben der modernen Instandhaltung.“

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Dr.-Ing. Thomas Heller ist Abteilungsleiter Anlagen- und Servicemanagement beim Fraunhofer IML in Dortmund
Bild: Fraunhofer

Eine große Rolle spielen dabei Themen wie Resilienz oder Nachhaltigkeit, beispielsweise indem Anlagen so umgebaut werden, dass sie einen geringeren Energiebedarf haben bzw. mit anderen Energieformen zurechtkommen, weniger Emissionen freisetzen oder mit Alternativmaterialien zurechtkommen, wenn bestimmte Rohmaterialien oder Betriebsstoffe nicht mehr verfügbar sind. „Gerade dem Thema Energiebedarf kommt angesichts der aktuellen Energiekrise eine besondere Bedeutung zu“, so Heller. „Viele Anlagen, die heute mit Erdgas betrieben werden, lassen sich möglicherweise auch mit Wasserstoff betreiben, und die entsprechenden Umbauten sind in der Regel Aufgabe der Instandhaltung.“

Ein weiterer Aspekt ist, Anlagen in Bezug auf Vernetzung, Leistungsfähigkeit und CO2-Fußabdruck zu modifizieren, um Neuinvestitionen zu vermeiden, da der Bau neuer Produktionseinrichtungen immer mit hohem Ressourcenverbrauch verbunden ist. Im Zeitalter der Digitalisierung wird die klassische Instandhaltung so zur Smart Maintenance, die mit Hilfe von Daten und neuen Technologien dafür sorgt, dass Produktionsanlagen störungsfrei, effizient, nachhaltig und energie- und kostensparend laufen können.

Generationswechsel im Betrieb

Doch dafür braucht es neben den entsprechenden Daten und Technologien vor allem eines: gut ausgebildete Mitarbeiter. „Das Berufsbild des Instandhalters wurde in der Vergangenheit oftmals geprägt von einem Mann im blauen Montagekittel, der in wenig einladenden Arbeitsumgebungen tätig sein muss – nicht gerade ein Berufsbild, das junge Leute dazu motiviert, diesen Weg einzuschlagen“, weiß Heller. Hinzu komme, dass es „Instandhalter“ als Ausbildungsberuf in Deutschland gar nicht gebe. Durch den Wandel von der Instandhaltung zur Smart Maintenance hat sich das Berufsbild inzwischen jedoch grundlegend geändert. „Die Mitarbeiter müssen mit Daten und modernen Technologien umgehen können, aus dem „Schrauber“ von früher ist ein hochspezialisierter Mitarbeiter geworden“, so Heller. Trotzdem sei der Fachkräftemangel spürbar, denn viele Instandhalter in Deutschland seien überdurchschnittlich alt– in der Regel über 40, oft auch über 50 Jahre. Das bedeutet, sie haben sehr viel Erfahrung, nehmen aber genau diese Erfahrung dann auch mit in den Ruhestand.

Fehlende Dokumentation gefährdet Produktion

Darüber hinaus komme, so Heller, stärker noch als bei Produktionsprozessen in der Instandhaltung auch ein Wissensproblem hinzu, denn sie sei nach wie vor sehr stark geprägt von individuellem Know-how. „Es gibt wenig nutzbare Dokumentation, weil für umfassende Beschreibungen die Zeit fehlt und spezifische Instandsetzungen häufig komplexe und einmalige Vorgänge im Anlagenlebenszyklus darstellen. Dieses fehlende Wissen lässt sich nicht so ohne weiteres kompensieren.“ Es gelte deshalb, die Geschäftsführungen der Unternehmen zu überzeugen, in das Thema Wissensmanagement zu investieren. „Denn wenn sie das nicht tun, laufen sie Gefahr, eines Tages nicht mehr produzieren zu können, weil es niemanden mehr gibt, der weiß, wie man die Anlage am Laufen hält“, ist Heller überzeugt.

Zukunft heißt Smart Maintenance

Grundsätzlich gewinnt das Thema IT im Kontext von Produktion und Instandhaltung immer mehr an Bedeutung. In der Smart Maintenance geht es vor allem um datenbasiertes Management von Produktionsanlagen mittels neuer Technologien. Es geht also nicht mehr primär um mechanische Probleme, sondern in erster Linie um die vorbeugende Sicherung einer anforderungsgerechten Verfügbarkeit. „Ohne Digitalisierung ist das nicht zu machen“, erklärt Heller.

Für den Einkauf von Anlagen und Anlagen-Ersatzteilen gewinnt das Thema Daten in diesem Zusammenhang ebenfalls immer mehr an Bedeutung. „Neben dem Preis wird es zunehmend wichtiger, dass ein Lieferant in der Lage ist, die für den Betrieb oder die Instandhaltung notwendigen Informationen zusammen mit der Anlage oder dem Bauteil standardisiert zu liefern“, so Heller. „Auch dieser Datenbedarf muss klar definiert und standardisiert sein. Das bedeutet, der Betreiber und damit auch sein Einkauf muss genau wissen, welche relevanten Informationen er benötigt und ob der Lieferant in der Lage ist, diese Informationen so zu liefern, dass er sie in seinen Systemen unmittelbar übernehmen und weiter verarbeiten kann. Digitalisierung heißt in diesem Zusammenhang nicht, Papierdokumente als gescannte Datei zu übergeben, die dann beim Kunden von Hand in die entsprechenden IT-Systeme eingetragen werden.“ Die Anforderung an den Einkauf sei also, auf die Daten zu achten, dafür zu sorgen, dass der Datenbedarf für den Anlagenbetrieb klar definiert ist und dies auch bei der Lieferantenauswahl zu berücksichtigen.

Mehrwert offene Kommunikation

„Viele Hersteller versuchen sich dagegen zu wehren, weil sie es als möglichen Wettbewerbsnachteil empfinden, wenn sie ihrerseits ihre Lieferanten preisgeben sollen“, weiß Heller. Einige haben sich allerdings inzwischen darauf eingestellt, dass es zu den typischen Anforderungen ihrer Kunden gehört zu wissen, wer die Originalhersteller der Teile sind, die in der Anlage verbaut sind. Sie sehen es als Möglichkeit, neue Kunden zu gewinnen, indem sie einen Mehrwert in Form von Daten anbieten und ihren Kunden die Prozessabläufe erleichtern, wenn es um die Ersatzteilbeschaffung geht. „Dafür muss der Einkauf die Datenqualität allerdings schon bei der Lieferantenauswahl ausreichend berücksichtigen“, so Heller.

Neuausrichtung der Incentivierung

Ein wichtiger Punkt sei an dieser Stelle die Incentivierung des Einkaufs, die nach wie vor in den meisten Unternehmen hauptsächlich auf Einsparungen basiere und nicht darauf, die nachfolgenden Prozesse zu vereinfachen. „In dem Fall wäre der Anreiz deutlich größer, sich für den Lieferanten zu entscheiden, der Mehrwerte für die weitere Betriebsabwicklung liefert, dafür aber teurer ist. Denn eine Anlage, die schneller in Betrieb genommen und zuverlässiger gewartet werden kann, bedeutet einen Mehrwert für das gesamte Unternehmen“, ist Heller überzeugt.

Das nachträgliche Digitalisieren von Produktionsanlagen ist extrem aufwändig. Für den Betreiber sei es, so Heller, deshalb besser, wenn er bereits beim Kauf auch ein digitales Abbild der Anlage bekäme. Auch die Technologien, die im Zusammenhang mit der Anlage genutzt werden, wie beispielsweise AR-Brillen, sollten seitens des Anlagenherstellers zumindest vorbereitet, am besten aber bereits implementiert werden. Derzeit würde die Instandhaltung beim Anlageneinkauf häufig nicht ausreichend mit eingebunden. „Neue Technologien können aber nur dann funktionieren, wenn die entsprechenden Anlagen auch darauf vorbereitet sind, idealerweise bereits seitens des Herstellers“, so Heller. „Voraussetzung ist, dass der Einkäufer sich mit diesen Fragen auskennt bzw. die Instandhaltung in den Einkaufsprozess mit einbezieht.“

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