Die japanische Aufräum-Queen Marie Kondo hat sich mit ihrer KonMari-Methode in den letzten Monaten einen Namen gemacht. Der Grundsatz: Nur die Gegenstände sollen behalten werden, die uns Freude bereiten. Bei dem Rest bedanken wir uns und schmeißen es weg. Der Hintergedanke: Besitz belastet. Umgeben wir uns dagegen nur mit Dingen, die uns Freude bereiten, werden wir zu entspannteren und glücklicheren Menschen.
Also: Aufräumen für den Seelenfrieden. Was im ersten Moment wie Ausmist-Vodoo klingt, hat seinen Ursprung in der japanischen Tradition des Shintoismus, einer Naturreligion, die zum Ziel hat, dass Menschen ihrer Umwelt größere Dankbarkeit entgegenbringen und mit ihr in ein harmonisches Zusammenleben treten.
Systematisch zum Glück
In der westlichen Welt wurde ihre Methode mit meist positivem Feedback angenommen, einmal, weil uns die fernöstliche Philosophie dahinter neuartig und innovativ erscheint, aber sicher auch, weil Marie Kondo den Nerv der Zeit trifft: Konsum des Konsumes willen ist schon lange nicht mehr cool, der Trend geht hin zu minimalistischeren Lebensstilen. Und Kondo ermöglicht es, die Errungenschaften unserer Konsumwut mit einem dankenden Nicken in den Mülleimer zu befördern.
In ihrem vorherigen Buch, „Das große Magic Cleaning Buch – über das Glück des Aufräumen“ hat Kondo ihre Methode für ein systematisches Reinemachen konkret dargelegt. Die Schritte sehen wie folgt aus: Erst teilt man seinen Besitz in verschiedene Stapel nach Kategorie: Kleidung, Bücher, Unterlagen, Kleinkram und Erinnerungsstücke. Dann arbeitet man sich durch die einzelnen Kategorien, nimmt jedes einzelne Teil zur Hand und fragt sich, ob es einem Freude bereitet. Ist dies nicht der Fall, hat seine letzte Stunde geschlagen. Hat man sich so von dem Großteil der unnützen Besitztümer getrennt, weist man dem Rest einen festen Platz zu. Und schon ist dauerhaft aufgeräumt. Zumindest dann, wenn man keinen neuen Kram kauft und den alten ordnungsgemäß ablegt.
Reinemachen am Arbeitsplatz
Ihr neues Buch, „Joy at Work – Aufgeräumt und erfolgreich im Arbeitsleben“ schrieb sie zusammen mit ihrem Co-Autor Scott Sonenshein, einem amerikanischen Professor aus dem Forschungsbereich „positive Organizations“. Darin überträgt sie ihre Methode auch auf den Arbeitsplatz. Der Grundgedanke bleibt dabei der Gleiche. Sie modifiziert ihn nur so weit, zu sagen, dass nicht unbedingt alle Arbeitsunterlagen wirklich Freude bereiten müssen; die Gebote der Nützlichkeit und der Aufbewahrungsplicht gelten hier auch. Doch mit dem Reinemachen des physischen Schreibtisches ist es am Arbeitsplatz oft nicht getan: auch die Festplatte und das E-Mail-Postfach erfordern Aufmerksamkeit. Hier hat nun der Co-Autor Sonenshein seinen Auftritt. Nach den ersten drei Kapiteln, in denen sich Kondo dem Schreibtisch widmet, übernimmt er für den Großteil des Buches und geht weitere Themen der Arbeitsorganisation an. Zuerst gibt es Tipps, wie man die Ordnerstruktur auf dem Rechner und im E-Mail-Postfach verbessern kann. Danach widmet er sich Themen wie Zeitmanagement, Entscheidungsfindung, Netzwerkpflege, Meetingstrukturen und Teamgestaltung.
Im ersten Moment haben diese Themen nicht viel mit dem „Aufräumen“ zu tun, wie wir es verstehen. Dennoch fügen sie sich zu einem konsistenten Gesamtbild zusammen. Sonensheins Tipps sind gut erklärt, praktisch und einfach umsetzbar. Auch die Tatsache, dass die beiden Autoren einzelne Abschnitte des Buches geschrieben haben, führt nicht zu dem Bruch, den man erwarten könnte. Das liegt daran, dass beide eine sehr ähnliche Philosophie vertreten und sich auch ihr Schreibstil sehr ähnelt. So nutzen beide zum Beispiel die herzerwärmenden Erfolgsgeschichten einzelner Klienten, um ihre Theorie greifbarer zu machen, was dem Buch eine persönliche Note verleiht. Insgesamt ist dies also ein rund und leicht geschriebenes Buch mit Praxisbezug. Mal ehrlich: ein bisschen mehr Freude am Schreibtisch – wer würde dazu schon Nein sagen wollen?