Rana Foroohar geht dieser fatalen Entwicklung journalistisch, nicht wissenschaftlich auf den Grund. Nach ihrer festen Überzeugung liegt die Wurzel des selbstgemachten Übels in der „Finanzialisierung“ der amerikanischen Wirtschaft. Damit meint sie eine immer stärkere Dominanz des Finanzwesens inklusive eines falsch verstandenen Shareholder-Value-Denkens über die Realwirtschaft. In den großen Industrieunternehmen – so ihre Einschätzung – herrschen aufgrund dessen Zahlenmenschen und nicht mehr technik- sowie produkt- und serviceorientierte Unternehmerpersönlichkeiten, die mit passgenauen Angeboten für die Kunden Wert schaffen wollen.
Die „Finanzialisierung“ versteht die Autorin als Triumph der „Takers“ über die „Makers“. Die „Takers“, das sind die „Kassierer“, die Granden der Wall Street, die einzig und allein das Ziel verfolgen, Geld zu vermehren, aber keine nachhaltigen Werte schaffen. Und die „Makers“, das sind die Entrepreneure, die Macher der Main Street, die mit ihren neuen Ideen, Produkten und Dienstleistungen Problemlösungen für die Volkswirtschaft erbringen. Anteilseigner an den Aktiengesellschaften sind in der Regel Banken und Fonds, also die Finanzwelt. Wenn deren Gewinne im Mittelpunkt der Unternehmenspolitik stehen, dann regiert in der Regel nur noch kurzfristig orientiertes Denken mit fatalen Konsequenzen für die Unternehmen und auch die Jobs.
Maker against Taker
„Maker“ in diesem Sinne war zum Beispiel Apple-Gründer Steve Jobs, der unermüdlich daran arbeitete, mit seinen Innovationen das Leben der Menschen zu verbessern. Ein typischer „Taker“ ist demgegenüber sein Nachfolger, Tim Cook, der davon beseelt scheint, durch immer neue Finanztricks das Vermögen von Apple zu vermehren, von dem aber so gut wie keine unternehmerischen Impulse ausgingen. So etwas möge eine Zeit lang gutgehen, längerfristig schadeten solche Praktiken aber den Unternehmen, ihren Aktionären und der gesamten Gesellschaft. Apple sei kein Einzelfall, denn die meisten US-Großkonzerne zahlten trickreich keine oder nur minimale Steuern. Die Autorin zeigt an vielen Beispielen, wie die Innovationskraft von stolzen Industrien, die Qualität ihrer Produkte und die Unternehmenskulturen systematisch zerstört wurden. Der Niedergang der US-Automobilindustrie, die Verwandlung der Ikone General Electric von einem kreativen Unternehmen in eine faktische Schattenbank, der Niedergang von Xerox oder Hewlett Packard und andere zeigen mit aller Deutlichkeit, wohin die „Finanzialisierung“ führt.
Bleibt nur die Frage: Warum griff niemand ein? Die Antwort der Autorin: Alle jüngeren US-Administrationen waren in erheblichem Maße von Vertretern der Finanzindustrie durchseucht. Nicht nur die Main Street liege im Würgegriff des Finanzkapitals, sondern faktisch der gesamte Staat. Die „Finanzialisierung“ ist für die Autorin eine Krankheit, die Obama nicht unter Kontrolle bekam und die jetzt unter Trump noch stärker grassiert, wenn man sich die Entourage des amerikanischen Präsidenten ansieht (Anmerkung des Rezensenten).
Diener der Wirtschaft und nicht ihr Herr
Um die US-Wirtschaft wieder fitzumachen, wird es nach diesen Erkenntnissen nicht ausreichen, sie einfach nur gegen die Billigkonkurrenz abzuschotten. Vielmehr muss es auch darum gehen, sie aus der festen Umklammerung des Finanzwesens zu lösen.
Rana Foroohar belässt es nicht bei der möglicherweise etwas überzogenen und einseitigen Kritik. Sie zeigt auch zumindest ansatzweise Lösungswege auf, wie man das von ihr zu Recht beklagte Machtungleichgewicht zugunsten der Realwirtschaft neu justieren könnte. Das Finanzwesen muss wieder auf den Platz verwiesen werden, der ihm zukommen sollte, nämlich „als Diener der Wirtschaft und nicht als ihr Herr“. Grundvoraussetzung hierfür wäre ein im positiven Sinne starker Staat mit politischen Akteuren, die von eigenen wirtschaftlichen Interessen unabhängig sind. Von der Trump-Administration ist da wohl kaum viel zu erwarten.