Das Sammelwerk „Digitalisierung im Einkauf“ will hier fundierte Orientierung bieten. Die beiden Herausgeber, Florian Schupp und Heiko Wörner, sind nach dem Erwerb ihrer akademischen Meriten in der Automobilzulieferindustrie tätig. Im Vorwort schreiben sie, das Werk wolle eine Brücke schlagen zwischen dem großen Wort Digitalisierung und der gelebten Praxis im Einkauf und wolle damit chancenorientiert eine fundierte und umsetzbare Entwicklung ermöglichen. Daran ist das Buch zu messen.
Beiträge aus Wissenschaft und Praxis
Sie kündigen an, dass zahlreiche Beiträge aus Wissenschaft und Praxis digital geprägte Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen und Hinweise zur praktischen Umsetzung liefern würden. So gehe es darum, im Gestaltungsbereich des Einkaufs zehn Ansatzpunkte für Digitalisierung zu verorten und inhaltlich zu skizzieren. Dies klingt alles sehr gut, und aufgrund des Buchtitels und der Ankündigungen auf dem Cover nimmt man das Buch mit großen Erwartungen zur Hand.
Wenn man dann etwas tiefer einsteigt, ist man allerdings ernüchtert, stellt sich doch heraus, dass es nur zum Teil um die Digitalisierung im Einkauf geht, und dass stattdessen dem Leser ein bunter Strauß von grundsätzlichen Betrachtungen und Studien rund um die digitale Transformation offeriert wird. Man vermisst den Bezugsrahmen zur Einordnung der Themen, und es wird auch nicht genügend unterschieden zwischen luftigen Visionen und der Realität insbesondere im industriellen Einkauf. Ein geschlossenes, zukunftsweisendes Werk für Einkaufsverantwortliche wird hier nicht präsentiert – dafür jedoch ein Patchwork von Einzelbeiträgen, die für sich betrachtet nicht uninteressant sind.
Im ersten Beitrag nach der Einführung der Herausgeber wird die Rolle des Individuums bei der digitalen Transformation recht anschaulich und zutreffend skizziert. In einem weiteren Beitrag geht es um die unzureichende Verknüpfung des Wissens von Individuen speziell in kleinen und mittleren Unternehmen mit den Digitalisierungswerkzeugen des Knowledge Managements. Im Vordergrund stünden immer noch die Nutzung von E-Mails und anderen traditionellen Instrumenten.
Effizientes Working Capital Management
Ein absolut lesenswerter und fundierter Beitrag thematisiert die Rolle der Digitalisierung für ein effizientes Working Capital Management. Die Autoren zeigen auf, wie durch kollaboratives Handeln in der Wertschöpfungskette gebundenes Kapital freigesetzt werden kann. Ein eher befremdlicher Beitrag behandelt in wenig fundierten Thesen das Thema Digitalisierung und Unternehmenskrise bis hin zur Insolvenz. So meinen die Autoren, dass mit dem Fortschreiten der Digitalisierung auch die Gefahr ökonomischer Krisen oder sogar von Insolvenzen zunehmen werde. Eine stichhaltige Begründung dafür haben sie aber nicht.
Digitalisierung und Wirtschaft
Ein interessanter, futuristischer Beitrag skizziert den Einfluss von intelligenten, autonomen Produktionssystemen (Industrie 4.0) auf die Einkaufsprozesse. Leider wird jedoch nicht deutlich, was und wie viel davon schon realisiert wird in der industriellen Praxis, und was noch Fiktion ist. Zwei weitere Artikel gehen ein auf die digital unterstützte Absicherung von Produktqualität sowie und die spannende Frage der Digitalisierung in der Lieferantenanbindung mit ihren Konsequenzen für die Logistik. Hier wird fundiert Praxis pur geboten. Zwei weitere Beiträge gehen ein auf die Frage, wie diese mihHilfe der Digitalisierung das Management der Lieferanteninnovationen als erweiterter Bestandteil des Einkaufs gestaltet werden kann, und wie einkaufende Unternehmen mit Start-ups sinnvoll zusammenarbeiten können. Der abschließende Beitrag behandelt aus volkswirtschaftlicher Sicht den Einfluss der Digitalisierung auf die Wirtschaft und den Wettbewerb. Es wird deutlich, dass hier noch viel zu erforschen ist. Die Lektüre des Buches liefert einige Denkanstöße aber keine Roadmap für das Going Digital rund um den Einkauf.