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Buchrezension: "Ikigai. DIe japanische Lebenskunst" von Ken Mogi

Leben
Buchrezension: „Ikigai. Die japanische Lebenskunst“ von Ken Mogi

Nicht erst seit Marie Kondos liebevoller Aufräumtechnik steht fernöstliche Lebensphilosophie auch im Westen hoch im Kurs. In diesem Werk beschreibt der Neurowissenschaftler und Autor Ken Mogi, was es mit dem „Ikigai“ auf sich hat – einem japanischen Lebenskonzept oder Wertesystem, das sich nicht einfach beschreiben lässt, aber zu Lebenssinn und guten Werten führen soll.

Ikigai ist eines dieser Wörter, die sich nur mit Mühe und einiger Umschreibung übersetzen lassen. Die Definition des Begriffs fällt auch Autor Ken Mogi schwer. Er spricht von einem, wörtlich übersetzt, „Lebenssinn“ (p.17) oder einem „Barometer, dass die Lebensperspektive eines Menschen umfassend und treffend darstellt“ (p.22). Aber die Aufgabe ist auch keine einfache, denn der Begriff des ikigai ist tief in der japanischen Kultur und Philosophie verwurzelt und so für westliche Leser schwer zu erschließen.

Das Buch ist also weniger ein rigider, wissenschaftlicher Definitionsversuch, als eine Suche und Annährung an einen philosophisch-umfassenden Begriff. Und so geht er die Bedeutung des Konzepts, anders als sein Beruf als Neurowissenschaftler und Lehrender an der Universität vermuten lassen, eher hermeneutisch an. Wer wissenschaftliche Studien zum Thema Lebenssinn finden will, der sucht in diesem Werk vergeblich. Die wenigen Studien, die der Autor anspricht, werden unvollständig im Text zitiert. Auch ein Quellenverzeichnis sucht man vergeblich. 

Stattdessen benutzt Mogi eine eher assoziative Erzähltechnik und reiht verschiedene Anekdoten, Einzelschicksale aneinander, in denen er ikigai erkennen kann. Die Rede ist zum Beispiel von Radio-taiso, einer in Japan sehr beliebten Morgengymnastik, von der Lautsymbolik der japanischen Sprache, welche zu einer feinen Sinnenwahrnehmung der Welt beitragen soll, der ritualisierten und traditionellen Teezeremonie, engagierten Whiskeybrauern, beharrlichen Sumo-Ringern und der Laissez-Fair-Haltung der Japaner, wenn es um ihre Religionszugehörigkeit geht. In all diesen kulturell doch sehr japanisch geprägten Fällen will Mogi ikigai erkennen.

Im Vorwort werden außerdem die „fünf Säulen des ikigai“ genannt:
1. Klein anfangen
2. Loslassen lernen
3. Harmonie und Nachhaltigkeit leben
4. Die Freude an kleinen Dingen entdecken
5. Im Hier und Jetzt sein

Diese Säulen werden im Laufe des Texts hin und wieder angesprochen, die Aufteilung der Kapitel ist aber nicht an ihnen ausgerichtet.

Zusätzlich beschreibt Mogi andere Verhaltensmuster und philosophische Konzepte, um sich dem Konzept aus verschiedenen Richtungen anzunähern: zum Beispiel „kodawari“, was großes Engagement oder Beharrlichkeit beschreibt, „Flow“, also die Versunkenheit in eine Tätigkeit.

Was der Autor anhand dieser Herangehensweise schafft, ist es, den Begriff „ikigai“ einzukreisen, nicht aber, ihn tatsächlich handfest einzufangen. Ob es aber notwendig oder überhaupt möglich ist, ein so komplexes und flüchtiges Konzept wie „ikigai“ zu beschreiben, muss jeder Leser selbst wissen.

Im Großen und Ganzen hat das Buch eher einen vorsichtigen, romantisch-nostalgischen, manchmal geradezu verklärend-mythischen Ton auf die japanische Gesellschaft. Was der Autor allerdings sehr gut schafft, ist es, einen überraschenden und vielseitigen Blick auf das Land, seine Traditionen und Menschen zu vermitteln. Wer also an der Kultur Japans mehr als einem philosophischen Diskurs interessiert ist, der findet hier ein schönes kleines Büchlein für ein gemütliches langes Wochenende.

Eine Rezension von Sanja Döttling.


Ikigai. Die japanische Lebenskunst.
Ken Mogi. Dumont Verlag, 2017.
Hardcover, 176 Seiten, € 20,00. ISBN 978-3832198992

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