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Unsere Hidden Champions müssen zu Weltbürgern werden

Wie zukunftsfähig sind unsere Mittelständler?
Unsere Hidden Champions müssen zu Weltbürgern werden

Unsere Hidden Champions müssen zu Weltbürgern werden
Hidden Champions – Die neuen Spielregeln im chinesischen Jahrhundert. Campus Verlag, Frankfurt/M, – New York 2021, 280 Seiten, 39,95 Euro, ISBN: 9783593514840 Bild: Campus
Die mittelständische Industrie gilt als das Herzstück der deutschen Wirtschaft. Es sind unsere Hidden Champions, die in den letzten Jahrzehnten von der Globalisierung und den offenen Märkten profitiert haben. Doch nun gerät die Weltordnung in Bewegung und es stellt sich die bange Frage, wie es weitergehen wird mit dem exportstarken deutschen Mittelstand.

Den Begriff Hidden Champions prägte Hermann Simon vor mehr als 30 Jahren. Er tat damit einen Glücksgriff. Seine zu diesem Thema seit 1996 erschienenen Schriften haben weltweit große Beachtung gefunden. Hidden Champions erfüllen – so Simons Abgrenzung – drei Kriterien: Erstens gehören sie in ihrem Marktsegment zu den Top 3 in der Welt oder sind die Nummer eins auf ihrem Kontinent. Zweitens ist ihr Umsatz kleiner als 5 Mrd. Euro (reichlich hoch gegriffen!), und drittens ist ihre Bekanntheit in der breiten Öffentlichkeit eher gering.

Simon hat herausgefunden, dass es Ende 2020 in Deutschland 1573 Hidden Champions (weltweit 3406) gab. Diese waren im Mittel 71 Jahre alt und der Median ihres Umsatzes lag bei 150 Mio. Euro. Die üblicherweise im B2B-Geschäft tätigen Hidden Champions kommen vor allem aus dem deutschsprachigen Raum und sind nicht selten in der tiefsten Provinz beheimatet. Sie sind geprägt durch die Gründerpersönlichkeiten. Ihr genetischer Code ist der der kreativen TüftlerInnen.

Die vorliegende, angenehm zu lesende Schrift legt den beeindruckenden Aufstieg der Hidden Champions in den goldenen Jahren der Globalisierung 1990 bis 2010 dar. Doch inzwischen haben sich die Zeiten grundlegend geändert. Von freiem Handel sowie Wandel durch Handel kann man leider immer weniger sprechen. Simon postuliert die These, dass das chinesische Jahrhundert mit völlig neuen Spielregeln eingeläutet sei. Man mag das so sehen oder auch nicht. Nicht zu bestreiten ist jedenfalls, dass die Globalisierung nicht zuletzt wegen des Aufstiegs Chinas von der Werkbank des Westens zum sehr ernst zu nehmenden Wettbewerber in eine neue Ära eingetreten ist. Immer deutlicher wird, dass sich in der neuen Weltordnung mit den USA, China und Europa drei auf strategische Autonomie, ja sogar Autarkie bedachte Wirtschaftsblöcke herausbilden.

Für deutsche Exporteure ist dies nicht ungefährlich. Sie leiden schon jetzt unter der seit Jahren zunehmenden Zahl der Handelshemmnisse. Dies hat zur Folge, dass das überkommene, auf den Export setzende Geschäftsmodell der deutschen Mittelständler an seine Grenzen stößt. Die Hidden Champions müssen sich einer tiefgreifenden Transformation unterziehen in puncto Digitalisierung, aber mehr noch in puncto internationale Aufstellung. Hidden Champions müssen mit eigenen Produktionsstätten und lokalem Personal in den drei entscheidenden großen Blöcken vertreten sein. Das neue Mantra lautet Glokalisierung.

Neue Chance nutzen

Simon lässt zu Recht Zweifel anklingen, ob unsere Mittelständler in der Lage sind, die erforderlichen Investitionen zu finanzieren und die Herausforderungen organisatorisch und personell zu stemmen. Ob aus den deutschen Tüftlern schnell echte Weltbürger werden, ist nicht ausgemacht. Insofern muss man sich durchaus einige Sorgen machen um den deutschen Mittelstand. Die Lektüre des vorliegenden Buches stimmt nachdenklich. Dennoch, Hermann Simon wäre nicht Hermann Simon, wenn er nicht auch auf die neuen Chancen etwa der Dekarbonisierung und der Verbesserung der Energieeffizienz für technisch spezialisierte, findige Mittelständler hinweisen würde.


Prof. Dr. Robert Fieten

Wissenschaftlicher Berater der Beschaffung aktuell, Köln

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