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Wie geht es weiter mit Chinas Wirtschaft?

Buchrezension
Wie geht es weiter mit Chinas Wirtschaft?

Wie geht es weiter mit Chinas Wirtschaft?
Warum hat sich das Wirtschaftswachstum Chinas in den letzten Jahren verlangsamt? Liegt das an dem Handelskonflikt mit den USA? Liegt dies an bisher wenig bekannten hausgemachten Problemen? Welche Rolle spielt dabei die Politik des „Made in China 2025“ von Präsident Xi? Dies sind einige der Fragen, die in dem kenntnisreichen, wissenschaftlich konzipierten Buch von Nicholas R. Lardy, der am amerikanischen Peterson Institute for International Economics forscht und sich seit Jahren mit China befasst.

Zum Thema Wirtschaftswachstum in China, das unbestritten essenziell für die Weltwirtschaft und insbesondere für die deutsche Industrie ist, gibt es viele Meinungen. Diese gehen weit auseinander. Die Optimisten glauben, dass Chinas Bruttosozialprodukt schon bald das der USA übertreffen werde. Die Pessimisten meinen dagegen, dass Chinas Wirtschaftswachstum sich in der nächsten Dekade auf nur noch zwei bis drei Prozent verringern werde. Sollte Letzteres eintreffen, so hätte dies unzweifelhaft dramatische Konsequenzen für die Weltwirtschaft, nicht zuletzt für die Exportnation Deutschland.

Nicholas R. Lardy lässt sich auf solche Spekulationen nicht ein. Als ausgewiesener Researcher begründet er, dass der Wachstumspfad des Reiches der Mitte keineswegs determiniert sei. Er verweist in seinem absolut lesenswerten Buch auf die Pferdefüße des chinesischen Wachstums, die unter Präsident Xi leider immer größer werden. Lardy macht dabei zwei schwere Belastungen für das chinesische Wirtschaftswachstum aus: Es ist auf der einen Seite die zunehmende volkswirtschaftliche Bedeutung der Staatsfirmen in China und auf der anderen Seite die ins Kraut schießende Misallokation des Kapitals durch die lokalen Parteibarone in einem wenig transparenten Finanzsektor. Lardy kommt zu dem Ergebnis, dass für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass die chinesische Führung weiterhin für ein staatlich gelenktes Wachstum unter der politischen Kontrolle der Kommunistischen Partei optiert, sich Chinas Wachstumstrend abschwächen dürfte. Sollte hingegen die Führung zurückkehren zu dem von dem legendären Deng Xiao Ping 1978 begründeten marktorientierten Reformprogramm, so würde dies die Wachstumsraten über das stagnierende Niveau der letzten Jahre hieven. Lardy belegt dies mit gut recherchierten Zahlen. Er weist nach, dass der Staat in China nach 2011 wieder „zurückgeschlagen“ habe. Die ökonomischen Kosten der massiven staatlichen Eingriffe seien für China und die Welt enorm hoch.

Xi unterstützte zu Beginn seiner Amtszeit zwar weitreichende marktorientierte Reformen, änderte aber dann seinen Kurs zugunsten massiver Staatseingriffe in die Ressourcenallokation. So verfolgt die chinesische Führung aggressive, detaillierte Industriepolitiken unter dem Motto „Made in China 2025“ und verteilt hiervon ausgehend die Ressourcen gemäß ihrer Prioritäten. Sie fördert Zusammenschlüsse von großen, wenig produktiven Unternehmen zu noch größeren Conglomerates – ganz im Gegensatz zum Mainstream im Westen heute – und reduziert so den Wettbewerb in vielen Sektoren. Es findet zudem eine wenig transparente Umverteilung der Kreditvergabe weg von produktiven privaten Unternehmen hin zu wenig leistungsfähigen staatlichen Unternehmen statt. Diese interventionistische Wirtschaftspolitik hat sich, so Lardy, für China nicht ausgezahlt: Die Produktivität der Staatsbetriebe in der Industrie ist um zwei Drittel niedriger als noch vor einer Dekade. Demgegenüber ist die Produktivität der privaten Unternehmen im gleichen Zeitraum gestiegen.

Es gibt noch weitere Probleme. China wandelt sich von einer Sparer- zu einer Kreditnehmernation. Das birgt in einer sich stärker auf den Binnenmarkt fokussierenden Wirtschaft Wachstumspotenzial, beinhaltet aber auch Risiken einer chinesischen Schuldenkrise.

Nicholas R. Lardy bleibt nicht nur bei der Analyse; er hält in seinem Buch ein überzeugendes Plädoyer für marktorientierte Reformen der chinesischen Wirtschaft, die die Wachstumsbremsen lösen würden. Mehr Markt in China würde auch Xis Eintreten als Fürsprecher der Globalisierung mehr Glaubwürdigkeit verleihen.

Die Lektüre des Buches fordert dem Leser einiges ab, lohnt sich aber. Er erhält einen hervorragenden Einblick in das Funktionieren der chinesischen Wirtschaft und der politischen Prozesse.

Prof. Dr. Robert Fieten,
fachlicher Berater der
Beschaffung aktuell,
Köln

 


The State Strikes Back. The End of Economic Reform in China?
Nicholas R. Lardy. Peterson Institute for International Economics, Washington, D.C. 2019.
Softcover, 172 Seiten. € 19,99.ISBN: 97-80881327373

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