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Wie mit emotionalen Konflikten umgehen?

Buchrezension
Wie mit emotionalen Konflikten umgehen?

Wie mit emotionalen Konflikten umgehen?
Verhandeln. Die neue Erfolgsmethode aus Harvard. Daniel Shapiro. Campus Verlag. Frankfurt am Main 2018, 352 Seiten, 24,95 EuroISBN 978–3–593–50932–7
Ein Verhandeln-Buch, dass gar keines ist, sondern viele weitere interessante Erkenntnisse bietet, stellt Ihnen hier unser wissenschaftlicher Berater Dr. Robert Fieten vor.

Sicherlich haben Sie das auch schon erlebt: Man sitzt geschäftlich oder privat ganz friedlich und will über Sachfragen sprechen. Und plötzlich geschieht folgendes: Ein falsches Wort, was das Gegenüber in seiner Identität (so wie sie/er sich selbst definiert) trifft und verletzt, lässt die Stimmung kippen und löst einen heftigen emotionalen Konflikt aus. Man steht fassungslos davor und weiß nicht, wie man aus der verfahrenen Situation wieder herauskommen soll. Da kommt das Buch des Gründers und Direktors des „Harvard International Negotiation Program“ gerade recht. Der Autor analysiert die Konfliktsituationen und geht den Ursachen der emotionalen Konflikte und den diesen vorgeschalteten Verletzungen auf den Grund. Er gibt fundierte praktische Ratschläge, die erfreulicherweise unmittelbar umsetzbar sind.

Analyse von Beziehungen

Der renommierte Autor Daniel L. Shapiro gilt als einer der international anerkanntesten und immer wieder gefragten Experten für schwierige, emotional belastete Verhandlungen nach der legendären Harvard-Methode, auf die auch Einkaufstrainer gerne zurückgreifen. Shapiro berät seit Jahrzehnten erfolgreich Staatschefs in Krisengebieten sowie Top Manager bei Geschäftsverhandlungen, besonders mit ausländischen Partnern. Er ist Psychologe und hat zahlreiche viel gelesene Bücher stets zu seinem Leitthema geschrieben.

Das vorliegende Buch geht über die klassische Harvard-Verhandlungs-Methode hinaus; es ist auch eigentlich Methodenbuch und noch weniger ein Rezeptbuch. Es analysiert sehr tiefgehend Konfliktsituationen und erarbeitet hierauf aufbauend Lösungsansätze. Die Schrift erschien 2016 unter dem absolut passenden Titel „Negotiating the Nonnegotiatable: How to Resolve Your Most Emotionally Charged Conflicts“ bei Penguin Books. Leider wurde in der deutschen Version der Titel völlig irritierend übersetzt, sodass der falsche Eindruck entsteht, hier komme eine neue, erweiterte Auflage der Erfolgsmethode aus Harvard auf den Schreibtisch.

Ob knirschende Geschäftsbeziehungen, kriselnde Ehen oder politische Konflikte – selten scheitern Verhandlungen an den reinen Sachfragen, so die Erkenntnis des Autors. Vielmehr sind es die persönlichen Glaubenssätze der Verhandlungspartner auch der sozialen Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen, die deren Identität ausmachen, die einer Lösung im Weg stehen. In der Regel definieren die Konfliktparteien ihre Identität in Abgrenzung zu anderen: Ich gegen dich, wir gegen die. Sie zeigen mit dem Finger auf die anderen, lassen sich von Vorurteilen leiten und weisen den anderen und nur den anderen die Schuld zu. Das Aufeinanderprallen von Identitäten verschärft den Konflikt. Man kann dies leider an jedem Wochenende in den Bundesligastadien besichtigen.

Der Autor geht angesichts dieses kaum zu entwirrenden Knäuels in die Tiefe und legt ein in sich schlüssiges Handlungsprogramm vor, das geeignet ist, auch die tiefsten emotionalen Gräben zu überwinden. Er lotet einen Aspekt des Konfliktes aus, der immer wieder übersehen wird: den Raum zwischen den beiden Seiten. In der Tat: All zu oft sehen wir Konflikte als eine binäre Angelegenheit – ich gegen dich, wir gegen die – und versuchen dabei, unsere eigenen Interessen durchzusetzen.

Aufeinanderprallen von Identitäten

Aber in der Realität besteht der Konflikt – so der Autor – buchstäblich zwischen uns, und gerade dies macht die Lösung so schwer. In unserer Beziehung und in diesem Raum herrscht eine komplexe, oftmals schwer zu durchschauende emotionale Dynamik, die eine gemeinsame Suche nach einer Lösung unmöglich zu machen scheint. Shapiro meint daher, dass wir lernen müssen, diesen Zwischenraum besser zu nutzen. Daher bemüht er sich garniert mit Beispielen aus seiner Ratgeberpraxis, diesen Raum zwischen den Konfliktparteien zu verstehen und geeignete Methoden zu entwickeln, mit denen sich hartnäckige Emotionen, polarisierende Dynamiken und widerstreitende Überzeugungen überwinden lassen. Er ist optimistisch, dass sich der Graben zwischen der eigenen Identität und der Identität der anderen durch kluges Verhandeln überwinden lässt, und dass eine integrierende Dynamik im Geiste der Versöhnung in Gang gesetzt werden kann. Versöhnung sei aber eine freie Entscheidung eines jeden Einzelnen.

Fazit: Das Buch ist keine ganz leichte Kost. Es geht unter die Haut. Man sollte es unbedingt prall und mit genügend Muße lesen, und dann sollte man die Erkenntnisse konsequent im eigenen Umfeld anwenden!


Prof. Dr. Robert Fieten,
fachlicher Berater der
Beschaffung aktuell,
Köln

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