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Verbindungstechnik: So erwirtschaftet man einen Wettbewerbsvorteil

Hans van der Velden, Geschäftsführer Bossard Deutschland
„Wir verhelfen unseren Kunden zu wettbewerbsfähigeren Produkten“

„Wir verhelfen unseren Kunden zu wettbewerbsfähigeren Produkten“
„Durch die Reduzierung auf ein Bauteil und eine Montagerichtung bringt die Zeiteinsparung im Montageprozess den entscheidenden Gewinn“, weiß Hans van der Velden, Geschäftsführer von Bossard Deutschland in Illerrieden.Bild: Alexander Bernhard/Konradin Mediengruppe
In vielen Produkten sind typischerweise bis zu 50 Prozent Kleinteile verbaut, die vermeintlich ‚nichts‘ kosten. Laut Bossard-Deutschland-Chef Hans van der Velden ist hier eine ganzheitliche Sichtweise gefragt, die auch die dadurch verursachten Prozesskosten berücksichtigt und reduziert. Diese lassen sich durchaus halbieren. Der Kunde profitiert von höherer Produktivität als Wettbewerbsvorteil.

Beschaffung aktuell: An welcher Stelle bringt Bossard als Spezialist für Verbindungselemente sowie die B- und C-Teile-Logistik sein Engineering-Know-how ein?

Hans van der Velden: Möglichst früh im Produktentstehungsprozess – denn hier werden die Randbedingungen der folgenden Montageprozesse festgelegt, was wiederum die Kosten beeinflusst. Ziel ist es, einen wettbewerbsfähigen Preis für das jeweilige Produkt zu realisieren. Genau an dieser Stelle setzen wir mit unserem Anwendungs-Engineering an, aufbauend auf der umfangreichen Erfahrung im Bereich der Verbindungselemente, die wir im Laufe der Jahre erworben haben.

Beschaffung aktuell: Könnten Sie das an einem Beispiel konkretisieren?

van der Velden: Nehmen wir das eines Lampenherstellers, der eine Dünnblechverbindung realisieren will. In der Vergangenheit wurde dazu eine Einpressmutter von der einen Seite gesetzt, von der anderen eine Schraube mit Sicherungselement montiert. Das hat immer funktioniert, war aber mit drei Bauteilen und zwei Montagerichtungen relativ komplex. Unsere Ingenieure haben den Stanzprozess für die Einpressmutter durch Fließlochformen ersetzt und mit einer gewindefurchenden Schraube mit Kratznocken unter dem Kopf den elektrischen Kontakt hergestellt. Im Ergebnis reduzieren wir damit den Montageprozess auf ein Bauteil und eine Montagerichtung, was nicht nur die Automatisierung erleichtert, sondern im vorliegenden Fall – bezogen auf die Material- und Montagezeiteinsparung – auch die Kosten um 60 Prozent senkt.

Beschaffung aktuell: Sind diese 60 Prozent ein repräsentativer Wert?

van der Velden: Normalerweise halten unsere Kunden 50 Prozent eher für unrealistisch, aber wie das Beispiel zeigt, lassen sich mit geringen Veränderungen beachtliche Resultate erzielen. Konkret hängt das natürlich vom jeweiligen Anwendungsfall ab und davon, dass bereits in der Designphase entsprechend vorgedacht wird, gerade mit Blick auf die Montageprozesse. Nicht zuletzt ist das auch der Grund, warum wir als Bossard in die 3D-Druck-Technologie eingestiegen sind. Mit einer Beteiligung von 49 Prozent an der 3d-prototyp GmbH im schweizerischen Stans festigen wir unsere Kompetenz in der additiven Fertigung.

Beschaffung aktuell: Wie passen 3D-Druck und Verbindungstechnik zusammen?

van der Velden: Wollen wir für unsere Kunden bereits in der Designphase ein Partner sein, braucht man relativ schnell nicht nur Ideen und Skizzen – Entwickler und Konstrukteure wollen auch etwas in der Hand halten. 3D-gedruckte Prototypen auf Kunststoffbasis sind hier ideal und schnell verfügbar. Anhand dieser Modelle wird die Diskussion verschiedener Befestigungsstrategien sehr erleichtert und zielführender. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir im Rahmen unserer strategischen Ausrichtung ja auch in den Verkauf von 3D-Druckern eingestiegen sind; bereits seit dem Frühjahr 2018 existieren Partnerschaften mit drei Herstellern von 3D-Druckern und die Bossard Gruppe hat für die Schweiz Vertretungen und Vertrieb übernommen. Damit wollen wir unseren Kunden die Gelegenheit geben, zu erkunden, ob und welche Bauteile sich zukünftig auch additiv herstellen lassen. Der Fokus liegt auch hier immer auf der Entwicklungsphase und vor allem dem technischen Verständnis! Wir denken, dass der 3D-Druck das Design der Produkte beeinflussen wird – und wenn die Bauteile dann beispielsweise viel mehr Hohlräume aufweisen, muss sich auch die Verbindungstechnik anpassen. Schrauben und Nieten wird dann unter Umständen nicht mehr ausreichen. Auch hier kommt uns unsere Erfahrung zugute, nicht zuletzt bei der Entwicklung neuer Fügetechnologien. Ein Beispiel ist etwa das prozesssichere Verbinden verschiedener Leichtbaumaterialien per MultiMaterial-Welding unserer Tochter KVT-Fastening.

Beschaffung aktuell: Vorteile des 3D-Drucks liegen ja ebenfalls in der Reduzierung der Zahl der Bauteile und damit weniger Montagevorgängen. Entzieht sich Bossard damit nicht selbst die Geschäftsgrundlage?

van der Velden: Wir kannibalisieren unser Businessmodell etwas – das machen wir aber schon heute mit der Beratung zu klassischen Verbindungstechniken; am Ende landen wir ja meistens bei weniger Teilen. Entscheidend ist aber der folgende Aspekt: Unseren Kunden verhelfen wir damit zu wettbewerbsfähigeren Produkten, mit denen sie Marktanteile gewinnen können. Das führt zu steigenden Volumina und die Erfahrung zeigt, dass am Ende sowohl der Kunde als auch wir besser damit fahren. Fokussieren wir uns zu Beginn ausschließlich auf das Produkt und seine Funktionen, profitieren Kunde und Bossard.

Beschaffung aktuell: Wie sieht die Rechnung für das oben angesprochene Lampenbeispiel aus?

van der Velden: Das ist recht spannend, denn unser Umsatz ist kurzfristig um 75 Prozent eingebrochen, weil unter anderem die Einpressmuttern relativ kostenintensiv sind und nun entfallen. Das macht auch die im Vergleich höherpreisigere Sonderschraube nicht wett. Relevant aus Sicht des Kunden ist aber, dass durch die Reduzierung auf ein Bauteil und eine Montagerichtung die Zeiteinsparung im Montageprozess den entscheidenden Gewinn bringt. Anders formuliert: Er kann jetzt deutlich mehr Lampen in kürzerer Zeit fertigen und damit seinen Umsatz steigern. Entscheidend ist der entstehende Wettbewerbsvorteil.

Beschaffung aktuell: Aus Sicht des Kunden verständlich, aber kann auch Bossard davon profitieren? Wie bepreisen Sie dann die Engineering-Dienstleistung?

van der Velden: Hier ist ganz wichtig, nicht den klassischen Bottom-up-Ansatz (Materialpreis + Marge = Verkaufspreis) zu wählen, sondern ausgehend von der Ist-Situation detailliert die Gesamtkosten herunterzurechnen. Für uns gibt es dann unterschiedliche Modelle, mit unseren Kunden zu einer Übereinkunft zu kommen. Einflussgrößen sind unter anderem Laufzeit oder Abnahmevolumen – immer unter Berücksichtigung der Produktivitätsziele des Kunden. Diese prozessgetriebene Sicht löst den Druck und stellt das umsetzbare Optimierungspotenzial in den Vordergrund.

Beschaffung aktuell: Wie groß ist denn der Erfahrungsschatz, den die Bossard-Entwickler inzwischen aufbauen konnten?

van der Velden: Das ist sicherlich einer unserer größten Vorteile, welcher weit zurückreicht: Bossard wurde bereits 1831 in der Schweiz gegründet und ist bis heute – mittlerweile in der siebten Generation – familiengeführt. Trotz unserer global guten Vernetzung sind wir dabei immer ein überschaubares Unternehmen geblieben. Die fast 200 Entwickler machen weltweit rund zehn Prozent der Belegschaft aus. Alle Projekte werden zudem auf einer eigenen Plattform nachverfolgt – hilfreich insbesondere für junge Konstrukteure. Über die Plattform hat jeder Zugriff auf alle Details, was das schnelle Finden erster Ideen erlaubt, basierend auf Beispielen aus verschiedensten Branchen. Der Vorteil ist: Auf diese Weise können wir branchenübergreifend neue Impulse geben und Trends setzen.

Beschaffung aktuell: Entscheidend dürfte das prozessorientierte Denken sein – wie lautet Ihr Fazit?

van der Velden: Der Mehrwert entsteht immer aus einer Komplexitätsreduktion – das ist ein ganz wichtiges Thema. Je weniger Artikel zu bewirtschaften sind, desto besser. Hinzu kommt das Thema Qualität: Je weniger Teile verbaut werden müssen, desto weniger kann falsch gemacht werden. Interessant ist zudem aus unserer Sicht, dass viele Rückrufe bezogen auf die Verbindungstechnik auf konstruktiven Fehlern basieren – ein Grund mehr, bereits in frühen Phasen des Produktentstehungsprozesses entsprechendes Know- how einzubinden. Nicht minder wichtig sind folgend Schulungen des Personals, um Anwendungsfehler zu vermeiden. Umso erstaunlicher finde ich, in welch kurzer Zeit das Thema Verbindungstechnik in der Ingenieursausbildung abgehandelt wird. Logischerweise greift man dann auf bewährte Lösungen zurück und geht kein Risiko ein. Aus der Kenntnis um dieses ‚Unwissen‘ heraus planen wir aktuell, unsere bislang nur intern genutzte E-Learning-Plattform auch für Kunden zu öffnen – mit entsprechend angepassten Inhalten und einem breiten Themenspektrum. Damit ergänzen wir die bereits bestehenden lokalen Fachseminarangebote.

Das Interview führte Michael Corban,

Chefredakteur in der Konradin-Mediengruppe


Last Mile Management

Beschaffungskonzepte für die Smart Factory

Wurden mittels Anwendungs-EngineeringVerbindungstechnik und Montageprozess optimiert, bietet Bossard mit dem ‚Last Mile Management‘ auch eine einfache Lösung für die Intralogistik. Mit diesem Konzept werden die Montagearbeitsplätze effizient und zeitsparend mit den erforderlichen Bauteilen versorgt. Der Nachfüllablauf erfolgt in vier Schritten:

  • Bedarfsanforderung: An den Montagearbeitsplätzen wird halb- oder vollautomatisch eine Bedarfsanforderung aus-
    gelöst.
  • Digitale Rüstliste: Die Bedarfsanforderung wird online an die Bossard-Software Arims übermittelt und eine digitale Rüstliste erstellt.
  • Zentrale Lagerorte: Mithilfe der digitalen Rüstliste kann das Material effizient kommissioniert werden.
  • Optimierter Tourenplan: Der Milkrun erhält anschließend papierlos einen wegoptimierten Tourenplan zur Befüllung der Montagearbeitsplätze.

Den Ablauf erläutert auch ein Video auf
Youtube zum Last Mile Management:
http://hier.pro/TvpXs

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