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Einkauf 4.0: Spielwiese statt Labor – durch Testen zu neuen Erfahrungen

Wegweiser 4.0, Teil VII
Einkauf 4.0: Spielwiese statt Labor – durch Testen zu neuen Erfahrungen

Einkauf 4.0: Spielwiese statt Labor – durch Testen zu neuen Erfahrungen
(Bild: Konradin)
Industrie 4.0 geht mit einem Paradigmenwechsel in Prozessen und Köpfen einher. Das schürt Ängste. So mancher „Think Tank“ in Unternehmen agiert in einer Laborumgebung: abgeschottet, von außen argwöhnisch betrachtet. Was droht, wo sind Risiken, wo Chancen? Wie begegnen wir ungelösten Fragen? Sind alle Abteilungen involviert? Wie weit sind unsere Lieferanten, Partner und Wettbewerber? Haben wir den Einstieg verschlafen? Diese Fragen stellen sich zu Recht auch Mitarbeiter außerhalb des „Labors“. Der CPO ist gefordert, die Diskussionen offen zu gestalten, konstruktiv voranzubringen sowie notwendige Maßnahmen und Strategien abzuleiten.

Heraufbeschworene, vermeintlich über-bordende Anforderungen an den Menschen bieten breiten Raum für allerlei Annahmen und Spekulationen. Die gute Nachricht: Kein Unternehmen, kein Berater, kein Anbieter von IT-Lösungen hat Patentrezepte parat, die mal eben aus der Schublade zu ziehen sind. Es gibt weder den Königsweg noch einen exakt zu befolgenden Zeitplan, der stabile Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft garantiert. Das ist freilich kein Freibrief für Zauderer. Der Appell sollte vielmehr lauten: Machen wir aus Gedankenspielen und ersten Lösungsansätzen eine Spielwiese. Laden wir zum Mitspielen ein. Experimentieren wir gemeinsam. Lernen wir durch intelligentes Fragen in offener, kommunikativer Umgebung. Stellen wir uns unterschiedlichen Blickwinkeln. Neue Ideen für Produkte, Prozesse und Notwendigkeiten gewinnen wir nur dann, wenn wir alle Sichtweisen in Betracht ziehen. Also: Fordern wir ausdrücklich zum Testen und Benchmarken auf!

Heterogene Teams sollten sich vor allem folgenden Rahmenfragen widmen:
Strategie allgemein:
  • Was bedeutet Industrie 4.0 und Einkauf 4.0 für unsere traditionellen/derzeitigen Geschäftsmodelle?
  • Wo – und wie lange noch – können wir verfahren wie bisher und wo wird die Digitalisierung (additive) Disruption erforderlich machen?
  • Wie kann/muss unsere Digitalisierungsstrategie für die nächsten zwei, drei und fünf Jahre aussehen?
  • Wie können wir langfristig erfolgsentschei-dende Wettbewerbsfaktoren antizipieren?
  • Welche Erwartungshaltung haben unsere Mitarbeiter?
  • Was erwarten unsere externen Kunden?
  • Was erwarten und fordern wir von unseren Lieferanten?
  • Wie können wir neue Impulse und Innovationen generieren?
  • Welche aktuellen und künftigen Netzwerkpartner sind unabdingbar? Welche nützlich? Und welche weniger relevant?
  • Wo müssen wir zukünftig unser Netzwerk auch auf Lieferanten der 2. oder 3. Lieferantenstufe ausweiten?
  • Wie gehen wir mit individualisierten Produkten um (bis Losgröße 1)?
  • Können wir intelligente Prozesse aufsetzen, die auch den „irrationalen“ Kundenwunsch nahezu standardisieren?
  • Wie kommen wir weg von unseren IT-Flickenteppichen?
  • Wie harmonisieren wir unterschiedliche Datenstrukturen und Sicherheitssysteme?
  • Wie sieht ein adäquater Umgang mit Themen wie Rechtssicherheit, Datenschutz, Systemausfällen etc. aus?
Content und Personal:
  • Wer kommt in unserem Unternehmen/in unserer eigenen Abteilung für eine Steuerungsaufgabe in Sachen Digitalisierung/Industrie 4.0 infrage? Und wie müssen wir diese Personen weiterbilden?
  • Auf welche Definitionen und Visionen und legen wir uns fest? Welche Missionen lassen sich daraus ableiten?
  • Welche separaten Infopools bauen wir auf?
  • Welche Jobprofile brauchen wir zukünftig?
  • Welches benötigte Wissen ist ggf. heute schon im Unternehmen vorhanden?
  • Wie schulen wir (welche) Mitarbeiter?
  • Wie generieren wir neues Know-how und neues Personal?
  • Für welche Prozesse brauchen wir externen Input/Support?
  • Welche Informationen aus Big Data wollen wir kanalisieren bzw. welche Infos benötigen wir wirklich?
Einkauf: Technik, Prozesse:
  • Welche Hürden im Einkauf gilt es aufgrund der IT-Hoheit zu überwinden?
  • Wie kann zukünftig ein konstruktives und produktives Zusammenspiel zwischen IT und Einkauf aussehen?
  • Welche Dienstleisterlösungen gibt es derzeit? Was ist technisch heute bereits möglich?
  • Wissen wir genau, welche Funktionalitäten/Informationen/Schnittstellen wir in fünf Jahren benötigen?
  • Welche Dienstleister sind innovativ, zukunftsfähig bzw. wer ist in der Lage, uns proaktiv bei unseren Baustellen von morgen zu begleiten?
  • Haben wir bereits diejenigen Dienstleister, die uns in die Zukunft begleiten?
  • Haben wir Tools, die – jetzt und in Zukunft – unseren Anforderungen in Sachen Agilität, Offenheit, Vernetzung, Echtzeit, Predictive Procurement, Decision Support, Perfect Match etc. entsprechen?
  • Welche Anbieter bieten bereits heute eine Vielzahl nutzwertiger Anwendungen in einer offenen Plattform?
  • Was wollen wir messen, um unsere Performance zu verbessern bzw. zu belegen?
  • Kennen wir zukünftige Geschäftsmodelle, Mengenrüste und deren Effekte auf KPIs?
  • Was können wir von B2C lernen?
  • Wie vermeiden wir es, Spielball der großen Vertriebsmaschinen wie Amazon, Alibaba und Co. zu werden?
  • Wie kann eine gezielte Steuerung gelingen?
  • Haben wir Tools, die unsere Ziele im Einkauf transparent machen?
  • Lassen sich CPO-Ziele durch konkrete Maßnahmen abbilden?
Unternehmen sind bei den Fragen in ihren Diskussionen und Maßnahmen unterschiedlich weit vorangekommen. Wer bereits breit automatisiert hat, verfügt zwar über einen intellektuellen Vorsprung beim Gedankenspiel Industrie 4.0, hat aber nichtsdestotrotz mit Schnittstellenproblematiken zu kämpfen. Heterogene IT-Systeme und isolierte Tools bremsen in nahezu allen Unternehmen – besonders in großen – die anwendungsübergreifende Kommunikation mit Mitarbeitern, Abteilungen und Lieferanten. Die Aufgabe des CPO: Er muss eine digitale Roadmap initiieren, die es im ganzen Unternehmen proaktiv vorzustellen gilt. Im Kontext bestimmender Trends wie Industrie 4.0, Big Data und Cloud Computing sind Wege, Savings und andere Benefits herauszuarbeiten, die der Einkauf wertschöpfend beisteuern kann. Ziel darf nicht sein, den Gesamtkontext auf IT-Fragen zu reduzieren. Industrie 4.0 ist vor allem eine Frage des Prozess- und Change Managements. Produkte aller Art werden auch im Zeitalter von kommunizierenden Maschinen durch den Menschen konstruiert. Vernetzung meint nicht nur den Austausch von Datenströmen, sondern auch den konstruktiven offenen Austausch von Gedanken durch interne und externe Know-how-Träger.
CPO muss digitale Roadmap initiieren
Die Mitglieder der Task Force Einkauf 4.0 des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich (BMÖ) konstatieren in einem Thesenpapier, dass Unternehmen auf der Basis aktueller Trends und Entwicklungen reagieren, aber zugleich proaktive Gesamtlösungen vermissen. Weiter heißt es: „Der Einkauf ist gefordert, auf Dienstleister aktiv einzuwirken. Das bedingt freilich, dass er intellektuell in der Lage ist, Zukunftsvisionen für sich und seine Business-Partner zu entwickeln. Ohne kritischen Input der CPOs wird es kaum hinreichende Lösungen geben.“ Eine offene Spielwiese, die auch Dienstleister hinreichend einbezieht, kann ein entscheidender Schritt hin zu zukunftsfähigen Gesamtlösungen sein. Dazu gehört, dass der CPO seine Führungsrolle versteht und sie entsprechend proklamiert – nicht nur als Teil der Supply Chain, sondern als wertsteigernder Business-Partner für alle Bedarfsträger, Abteilungen und die Geschäftsleitung.

Wie ist Ihre Meinung?

Serie Wegweiser 4.0

Auf der Webpage www.wegweisereinkauf.de können Sie alle bisher erschienenen Beiträge der Serie nachlesen und kommentieren.Zudem erhalten Sie dort Infos zu unseren Kompetenzpartnern Wescale und Meplato.

Georg Wall, CEO Wallmedien Sabine Ursel, Journalistin

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