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Auswahlprozess – so finden Sie die richtige E-Lösung

Serie: Digitalisierung des Einkaufs, Teil V
Auswahlprozess – so finden Sie die richtige E-Lösung

Die Auswahl der optimalen E-Lösung muss die Anforderungen des Einkaufs und der Stakeholder (u. a. IT, Rechtsabteilung, Lieferanten) gleichermaßen berücksichtigen. Nur eine gemeinsame, methodische und auf Fakten begründete Entscheidung führt zu einer durchgängigen Nutzung und damit effizienten Digitalisierung und Automatisierung der Beschaffungsprozesse. So gehen Sie vor!

Es ist keine einfache Aufgabe, für den unternehmensweiten Einkauf eine optimale, durchgängige E-Lösung zu finden. Der Markt ist aufgrund der Vielzahl von Anbietern sehr unübersichtlich und gleichzeitig stark in Bewegung. Aktuell sind 150 verschiedene Lösungen am Markt. Die Bandbreite und Tiefe der Funktionen, die diese Vielzahl von Systemen abdecken, ist extrem umfassend und selbst langjährige Experten behalten nur schwer den Überblick über die vielen Funktionalitäten und insbesondere deren Kosten und Nutzenversprechen. Messebesuche wie die der BME-eLösungstage verhelfen zu einem ersten Eindruck über rund 60 verschiedenen Lösungen. Für eine fundierte Auswahlentscheidung sind jedoch weitere Schritte notwendig, die das Projektteam konsequent gehen muss, bis das richtige System gefunden ist.

In drei Etappen zum optimalen System

Nicht jede Einkaufsorganisation erwartet von einem Digitalisierungsprojekt das gleiche. Die Ziele sind sehr individuell. Genauso wie die zeitlichen und funktionalen Anforderungen. Klären Sie deshalb vorab zunächst folgende Punkte:

  • welche Zielsetzung verfolgen Sie mit dem Systemumstieg,
  • welche Funktionsbausteine benötigen Sie zu welchem Zeitpunkt,
  • welche weiteren Rahmenbedingungen sind für eine schnelle und positive Realisierung sowie Implementierung aus Ihrer Sicht notwendig

Dies lässt sich am besten im Rahmen eines strukturierten, in der Grafik beschriebenen Prozesses klären.

1. Standortbestimmung und

Digitalisierungs-Roadmap

Zur Klärung, welche Systemunterstützung der Einkauf künftig benötigt, analysieren Sie zunächst die vorhandenen Einkaufsprozesse. Ziel ist es festzustellen, wie standardisiert, messbar und IT-gestützt die unterschiedlichen Prozesse im Einkauf – auch im Vergleich zu anderen Unternehmen – bereits sind. Je Prozess legen Sie im nächsten Schritt fest, welchen Zielreifegrad der Prozess erreichen soll. Dabei empfiehlt es sich, die anderen Prozess-Stakeholder (Bedarfsträger, Finance, IT, Betriebsrat) einzubeziehen. Sie bringen häufig konstruktive Blickwinkel ein und sind wichtige Multiplikatoren. Im letzten Schritt priorisieren Sie Ihre Verbesserungsziele. So entsteht ein individuelles Zielbild mit Roadmap für den Einkauf zur Optimierung seiner Prozesse und deren Systemunterstützung.

Der Einkauf muss eine klare Vorstellung haben, welche Funktionen er zu welchem Zeitpunkt benötigt und wie diese zur Erfüllung der spezifischen Anforderungen ausgeprägt sein sollten. Hierfür gibt es keinen für alle Unternehmen perfekten Standardweg. Im Mittelstand ist häufig eine ausformulierte Auflistung der geforderten Anforderungen als Tabelle ausreichend.

Deutlich mehr Aufwand ist mit einem Sollkonzept oder Lastenheft verbunden. Ein detailliert ausgearbeitetes Lastenheft erlaubt es den Anbietern, ein Verständnis für die Anforderungen Ihres Unternehmens zu entwickeln. Entsprechend präzise angepasst sind die Konzepte und Angebote, die Sie auf Basis spezifizierter Lastenhefte erhalten.

Eine empfehlenswerte Alternative zum Lastenheft ist die Methodik der Use Cases. Use Cases beschreiben in strukturierter Form, anhand von Fallbeispielen, was die Fachbereiche und der Einkauf von der E-Lösung erwarten. Der Vorteil ist, dass solche Use Cases häufig bereits verfügbar sind und mit wenig Aufwand an die individuellen Anforderungen angepasst werden können. Außerdem können Use Cases sowohl bei den Proof-of-Concepts als auch später für die Qualitätssicherung genutzt werden. Und sie dienen als Grundlage für die abschließenden Tests bei der Implementierung.

Wichtig und davon unabhängig, ob Sie über Lastenhefte oder Use Cases ausschreiben: Sparen Sie in dieser Phase nicht an Kapazität, Zeit und Mitteleinsatz! Der Ressourceneinsatz zur strukturierten Definition der Anforderungen ist dringend anzuraten und zahlt sich bei der späteren Realisierung und Implementierung mehrfach aus, indem Sie aufwändige Nacharbeiten und Change Requests vermeiden.

2.  Konzeptausschreibung

und Evaluation

Im nächsten Schritt entsteht auf Basis der beschriebenen Anforderungen in Verbindung mit dem Überblick über die Systeme und deren Funktionalitäten eine qualifizierte Longlist. Datenquellen hierfür sind insbesondere:

  • die von der amc Group für den BME erstellte, jährliche E-Solution-Marktübersicht,
  • Magic Quadrant von Gartner,
  • die Forrester Wave für
    E-Procurement Systeme.

Die Erfahrung zeigt, dass es auch in der Ausschreibungsphase Sinn macht, gründlich vorzugehen: Planen Sie auf jeden Fall bei den Anfragen für die Anbieter zur Erarbeitung der Lösungskonzepte ausreichend Zeit ein. Sehr kurzfristige Ausschreibungen haben in der Regel zur Folge, dass nur Standardkonzepte ohne wirklichen Bezug auf die definierten Anforderungen angeboten werden. Empfehlenswert ist es bei einer Anfrage mit Lastenheft oder Use Cases den Anbietern eine Bearbeitungszeit von drei bis vier Wochen zu gewähren.

Bevor Sie die Angebote auswerten, sollten Sie gemeinsam mit der IT und den relevanten Fachbereichen eine Evaluationssystematik festlegen. Sie ermöglicht eine von allen Unternehmensteilen mitgetragene Auswahlentscheidung.

Neben den reinen Systemfunktionalitäten sollten Sie hierzu weitere Dimensionen betrachten – das ist für eine valide, ganzheitliche Beurteilung entscheidend. Darunter fallen unter anderem Fragen zum IT-Betrieb, zum Datenschutz, zur Datensicherheit, zu Projektmanagementmethoden, der Usability, der Implementierungserfahrung und dem konkreten Changemanagement-Bedarf. Gewichten Sie diese Betrachtungswinkel im Konsens und hinterlegen Sie diese in der Evaluationsmatrix. Beachten Sie: Die Nachvollziehbarkeit der Bewertung ist ein entscheidendes Erfolgskriterium für das Auswahlprojekt.

3.  Proof of Concept

und Entscheidung

Das Ergebnis der Evaluation ist üblicherweise eine Shortlist von 3–4 Anbietern. Die abgegebenen Fachkonzepte enthalten immer wieder auch Pauschalaussagen bzw. Alternativen und lassen insbesondere hinsichtlich der Usability kaum Rückschlüsse zu. Im Rahmen von Proof-of-Concept-workshops mit den Anbietern lässt sich die notwendige Qualitätssicherung und Feinabstimmung mit überschaubarem Aufwand durchführen. Trotzdem kostet auch das Zeit, pro Proof-of-Concept sollten Sie mindestens einen halben Tag einplanen.

Folgende Methoden bieten sich für die Workshops an:

  • Sie hinterfragen die Konzeptschwächen auf Basis des Lastenheftes.
  • Sie lassen das System auf Basis definierter Use Cases vorstellen und testen diese selbst, wodurch Sie auch die Usability der Lösungen bewerten können.

Es stimmt, diese sehr systematische Vorgehensweise erscheint auf den ersten Blick sehr aufwendig. Unsere Erfahrung aus einer Vielzahl von Projekten zeigt jedoch, dass sich jede Minute zur Identifikation eventueller Konzeptschwächen im Implementierungsprojekt und besonders beim späteren Rollout mehrfach auszahlt. Sparen Sie deshalb nicht an der falschen Stelle und planen Sie für die Konzept- und Ausschreibungsphase auf jeden Fall genügend Ressourcen und Zeit ein.

Das Management überzeugen

Nicht zu unterschätzen sind neben der fachlichen Auswahl die Argumente, die das Projektteam benötigt, um das Management von der Einführung eines Systems zu überzeugen. Letzten Endes zählen für eine Budgetfreigabe eine klare Zielvorgabe, umsetzbare Strategien sowie valide Zahlen und Fakten, die Kosten und Nutzen ins Verhältnis setzen. Umso entscheidender ist die konsequente Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Fachbereichen, der IT, den Finanzen und dem Controlling bei der Erarbeitung sämtlicher Ergebnisse sowie Daten und Fakten.

Hinsichtlich der Zahlen sind neben den kommerziellen Angeboten der Anbieter insbesondere die internen Kosten für Detailkonzeptionierung, IT, Weiterbildung, Change-Management und Organisationsanpassungen zu berücksichtigen.

Es ist richtig, dass eine E-Lösung Prozesse automatisieren kann, jedoch sind hierfür unter anderem Rollen- und Berechtigungskonzepte, optimale Stammdaten, saubere Bewegungsdaten, die Bereitschaft der Systemnutzung von Bedarfsträgern und Lieferanten etc. elementar. Stellen Sie sich vor, eine E-Lösung ist eingeführt, aber nur ein Bruchteil der Vorgänge wird darüber automatisiert abgewickelt. Beispielsweise beim operativen Prozess von der Bedarfsanforderung bis zur Rechnung – der erwartete Effekt wird hier nicht eintreten.


Bisher erschienen

Themen der Serie

  • Ausgabe Juni 2017:
    Ist die Auswahl und Einführung einer
    E-Solution schon Digitalisierung?
  • Juli/August 2017:
    Auswahlkriterien für operative Prozesse
  • September 2017:
    Auswahlkriterien für taktische Prozesse
  • Oktober 2017:
    Auswahlkriterien für strategische Prozesse
  • November 2017:
    Vorgehensweise bei der Auswahl

Joachim v. Lüninck
Managing Partner, amc Group


Andreas Rensch-Bergner,
Senior Project Manager, amc Group

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