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Akquise von Unternehmen

Die Rolle des Einkaufs in Akquisitionen
Bei Übernahmen müssen „quick wins“ ab Tag eins fließen

Bei Übernahmen müssen „quick wins“ ab Tag eins fließen
Nur wer auch mit den vielen vermeintlich kleinen und verästelten Details intelligent und professionell umzugehen vermag, kann auch im Falle einer Unternehmensübernahme auf den Punkt liefern. Bild: diez-artwork/stock.adobe.de
Wenn es nach der Corona-Krise wieder aufwärts geht, wird es wieder unweigerlich zu Übernahmen kommen. Dabei wird der Einkauf eine erfolgskritische Rolle spielen. Hoffentlich können die Protagonisten dann auch liefern. Thomas Mademann, Geschäftsführer der GMVK Procurement GmbH, wirft einen Blick zurück und voraus.

„Nur ein Jahr nach dem Kriseneinbruch entwickeln Unternehmen wieder kräftig Appetit auf Akquisitionen. Wertbeitrage soll vor allem die Beschaffungsseite liefern. Einkaufsmanager sind deshalb gut beraten, eine Strategie für den Fall der Fälle parat zu haben.“ Das schrieb das BME-Magazin BIP in seiner Premierenausgabe im Mai 2010. Zehn Jahre später lässt sich diese Aussage wunderbar wieder heranziehen – denn es wird in der Post-Corona-Zeit unweigerlich zu Übernahmen kommen, und dabei wird der Einkauf eine erfolgskritische Rolle spielen. Hoffentlich können die Protagonisten liefern. Thomas Mademann, Geschäftsführer der GMVK Procurement GmbH, blickt zurück und voraus.

In dem Artikel wird rückblickend beschrieben, welche bedeutende Rolle die Beschaffungsverantwortlichen beim Zusammenschluss der Pharma-Größen Sanofi-Synthélabos und Aventis spielten. Am Abend des 10. Mai 2004 hatten die Vorstände des größeren Wettbewerbers Aventis dem Drängen des kleineren Kontrahenten aus Straßburg nachgegeben und ihre Unterschrift auf das Übernahmedokument gesetzt.

„Tatort“: Sheraton Frankfurt

Lothar Fischer, seinerzeit Chefeinkäufer Industrie bei Aventis Deutschland mit Sitz in Frankfurt-Höchst, und Yann LeBihen, Leiter Konzerneinkauf Industrie bei Sanofi, sollten die zukünftige Einkaufsorganisation des neu entstehenden Pharmakonzerns Sanofi-Aventis zu skizzieren – bemerkenswerterweise noch bevor der Deal unterzeichnet wurde. Das erste Treffen der beiden Einkaufschefs fand im Sheraton Hotel am Frankfurter Flughafen statt; Logischerweise kein Plauderstündchen bei Café au Lait und Croissants. Beide Profis waren sich der drängenden Anforderungen und hohen Erwartungen ihrer Organisationen bewusst: Mauern im eigenen Interesse war keine Option, das galt insbesondere für den Deutschen, der auf Seiten des Übernahmekandidaten eigentlich defensiver zu argumentieren hatte. Beiden war klar: „Quick wins müssen praktisch mit Tag eins fließen“. Im Sheraton legten die Einkaufschefs erstmals Zahlen, Warengruppen und Namen übereinander. Im Nachgang zeigt sich schnell: 80 Prozent der Warengruppen waren deckungsgleich.

Gemeinsame Sprache und Blick auf „Indirekt“

„Wichtig war, bei getrennt erhobenen Daten mit derselben Mechanik und Systematik zu arbeiten“, wird Lothar Fischer zitiert. Beispiel: Paritätisch besetzte Teams kümmerten sich später um einzelne Kategorien, bildeten Preisindizes und definierten mögliche Einsparungen. Gemeinsam ging man anschließend als neuer, starker Partner zu den Lieferanten. Diese hatten dann die Möglichkeit, entsprechend zu „reagieren“ – freilich auch mit der Aussicht auf neue Kontingente. „Vor allem bei indirekten Gütern und Dienstleistungen kann man am schnellsten Synergien einfahren“, befand Lothar Fischer im Rückblick.

Und: „Wichtig im gesamten Integrationsprozess ist von Anfang an eine gemeinsame Sprache, auch und vor allem in den technischen Begrifflichkeiten.“ In dem Artikel wurde gesagt, dass damals kein Einkäufer unmittelbar entlassen worden sei. Wer von Bord ging, habe sich – nun ja – in der neuen Struktur nicht wohlgefühlt … Stratege Lothar Fischer verabschiedete sich jedenfalls erst Jahre später als Vice President Purchasing Industrie bei Sanofi-Aventis (und Mitglied des Vorstands beim BME) in den Ruhestand.

Warum der Blick zurück?

Der Einkauf pocht auch heute – 16 bzw. zehn Jahre später (2004/2010) – noch immer auf die frühzeitigere Einbindung der eigenen Organisation in Planungsprozesse, etwa von Forschung und Entwicklung. Nur wer es an den Tisch geschafft hat, wer im Frühstadium gleichberechtigt validierte Argumente in Sachen Kosten, Markttrends, Lieferanten, Preise oder auch Innovationsbeiträge einbringen darf (und hoffentlich auch liefern kann), vermag auch im diffizilen Fall einer angepeilten Übernahme (s)ein gutes Kartenblatt auszuspielen.

Eine schöne Vorstellung, oder? Leider hat auch heute noch oft dasjenige Unternehmen den Schwarzen Peter, das den Einkauf erst spät, schlimmstenfalls in der Post-Merger-Phase hinzunimmt. Ein schwerer Fehler, schließlich hätte man im Vorfeld einer generellen Bewertung detaillierte Analysen und Kalkulationen hinsichtlich Beschaffungsmärkte und Potenziale als belastbare Grundlage benötigt. So aber folgen unweigerlich Fehlannahmen und so manche falsche Weichenstellung. „Viele Einkaufschefs, die durch einen Merger gegangen sind, hätten sich das Modell Sanofi-Aventis gewünscht“, befanden die damaligen BIP-Verantwortlichen Sabine Ursel und Volker Haßmann in ihrem Leitartikel im Mai 2010 ganz richtig. Auch diese Aussage hat bis heute nicht an Aktualität verloren.

Wertbeiträge des Einkaufs bei Verschmelzung

„Greifbare Synergien entstehen durch Konsolidierung der Einkaufsorganisation, Synchronisierung der Konditionen, Bündelungseffekte, Best Practice Sharing in Bezug auf Prozesse und Lieferantenportfolio“, so die Autoren im Mai 2010. Stimmt! Was sich bis heute ebenfalls nicht geändert hat: Der Teufel liegt im Detail – und nur wer auch mit den vielen vermeintlich kleinen und verästelten Details (Methodik, Systematik, Fallstricke, Befindlichkeit, Kultur etc.) intelligent und professionell umzugehen vermag, kann auch im Falle einer hochsensiblen und nicht selten riskanten Unternehmensverschmelzung (Übernahme, Fusion, Upstream Merger, Downstream Merger) auf den Punkt liefern. Beispiele:

  • Es gilt, Lieferanten und Stammdaten zu den Bedarfen zu harmonisieren.
  • Bei den Lieferanten ist die DUNS-Nummer zur Identifikation der Lieferanten und zur Aufdeckung von Firmenverflechtungen heranzuziehen.
  • Bei den Stammdaten sind gleichartige Bedarfe/Artikel über die Klassifizierung nach eCl@ss zu identifizieren.
  • Mit Business-Intelligence-Lösungen müssen Spend Cubes aufgebaut werden.
  • Es gilt neue Beschaffungsstrategien zu entwickeln (Distributionsstufe, Beschaffungsmärkte, Vertragsart, Transaktionsanbindung).
  • Anschließend müssen Ausschreibungen folgen, um mit neuer Einkaufsmacht verhandeln zu können.
  • Es gilt zu standardisieren und Best Practice zu identifizieren.
  • Am Ende ist eine neue Supply Chain zu implementieren.

Der Autor

Thomas Mademann

… ist Geschäftsführer der GMVK Procurement GmbH in Essen. Das Unternehmen unterstützt Einkaufsprojekte im Hinblick auf Materialgruppen, Controlling, Reporting, Entscheidungen und Strategieentwicklung. Zur Anwendung kommt dabei auch die Business Intelligence Software 4EBIT-Suite, die zusammen mit der Detect Value AG, Walldorf, entwickelt wurde.

www.gmvk.de


Der Autor

Thomas Mademann, Geschäftsführer, GMVK Procurement GmbH, Essen, www.gmvk.de

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