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Compliance Tipps für den Einkauf in China

Compliance beim Einkauf in China
Beschaffung von Nonfood-Konsumgütern aus Asien

Beschaffung von Nonfood-Konsumgütern aus Asien
Etwa 80 Prozent der Spielwaren für den europäischen Markt stammen aus China. Allein im Jahr 2016 wurden für Babys und Kleinkinder unter drei Jahren in Deutschland 529 Mio. Euro für Spielzeug ausgegeben. Dabei steht für die Eltern die Gesundheit des eigenen Kindes an erster Stelle. Bild: Africa Studio/stock.adobe.com
Beim Einkauf von Nonfood-Konsumgütern in China liegt der Fokus der Verhandlungen auf den Preisen, den Features der Produkte, den Mindestabnahmemengen und auch den Lieferfristen der Produkte. Doch aus Produkt-Compliance-Sicht gibt es noch einige zentrale Aspekte, die Einkäufer berücksichtigen sollten.

Um Verbraucher und die Umwelt zu schützen, gibt es sowohl europäische als auch nationale Vorgaben, an die sich Unternehmen bei der Einfuhr und der Vermarktung von Produkten halten müssen. Werden diese Vorgaben nicht eingehalten oder nicht nachvollziehbar und vor allem nicht aktuell und umfassend dokumentiert, können Behördenprüfungen oder auch Angriffe durch Wettbewerber hohe personelle und finanzielle Aufwendungen nach sich ziehen. Diese reichen von Importverzögerungen über Verkaufsverbote und Produktrückrufe bis hin zu Bußgeldern oder sogar Haftstrafen.

Wir haben fünf Tipps für Sie zusammengestellt, die Ihnen bei der Verhandlung mit bereits bestehenden Zulieferern und bei der Auswahl neuer Zulieferer helfen.

Tipp 1: Informieren Sie sich über europäische und landesspezifische Vorschriften

Wie viel wissen Ihre aktuellen oder zukünftigen Lieferanten eigentlich über europäische und deutsche Anforderungen?

Selbst für inländische Verantwortliche (z. B. im Einkauf, im Qualitäts-Management oder in den Rechtsabteilungen) ist es teilweise schwierig, einen Überblick über die vielfältigen Anforderungen zu behalten. In den letzten Jahren sind viele Vorschriften und Normen harmonisiert worden, sodass sie in der gesamten EU gelten. Doch daneben gibt es nach wie vor viele landesspezifische Vorschriften. In der Regel beliefern asiatische Lieferanten ihre Kunden weltweit. Daher ist es für sie aufwendig und zeitraubend, alle weltweiten Vorschriften und Normen sowie die damit verbundenen Veränderungen zu kennen und immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Die Kenntnis über alle notwendigen Vorschriften sollten Sie nicht voraussetzen. Aus diesem Grunde dürfen Sie sich auch nicht darauf verlassen, dass die von Lieferanten zusammengestellten Listen vollständig und aktuell sind. Sie müssen sich selbst über europäische und landesspezifische Vorschriften informieren und stets auf dem Laufenden bleiben.

Tipp 2: Kümmern Sie sich um Bill of Material (BOM) und Bill of Substances (BOS)

Wie sind Ihre Produkte eigentlich zusammengesetzt und woraus bestehen sie ?

Diese Informationen finden Sie in der Bill of Material (oft auch Stückliste genannt) und in der Bill of Substances.

Die BOM zeigt, welche Bauteile wie oft in Produkten benutzt und verbaut wurden.

In der BOS erkennen Sie, aus welchen Substanzen die einzelnen Bauteile bestehen.

Wofür braucht man diese genaue und kleinteilige Auflistung?

Einzelne Anforderungen (z. B. aus REACH oder RoHS) und die zugehörigen Dokumente und Testberichte können nur geprüft und nachvollzogen werden, wenn bekannt ist, aus welchen Bauteilen, Substanzen oder Gemischen sich das Produkt zusammensetzt und wie es produziert wurde. Lieferanten und Vorlieferanten können oder wollen diese Informationen oft nicht preisgeben.

Als Inverkehrbringer müssen Sie dennoch eine vollständige Bill of Material und Bill of Substances vorweisen können und den Behörden hierüber Auskunft geben.

Tipp 3: Überprüfen Sie die Vollständigkeit der Dokumentation für Produkte und einzelne Lieferungen

Welche Unterlagen benötigen Sie neben BOM und BOS?

Viele der neuen EU-Richtlinien wie z. B. die Niederspannungsrichtlinie, die EMV-Richtlinie, RED (Radio Equiment Directive) u. v. m. verlangen umfangreiche technische Unterlagen, um die Einhaltung produktspezifischer Anforderungen zu belegen. Das sind u. a. Fertigungszeichnungen und Pläne von Bauteilen, Risikoanalysen, Normenauflistungen und Prüfberichte.

Diese Unterlagen sind unabdingbar zur Vermarktung von Produkten – das Fehlen dieser Dokumente kann zu verheerenden Konsequenzen durch Prüfbehörden führen.

Auch bei Serienfertigung müssen diese Unterlagen stets aktuell sein. Genau dieser Punkt ist oft schwierig: Verändern sich technische Spezifikationen oder tauschen Sie ein Bauteil oder eine Komponente aus, dann müssen Sie erneut prüfen, ob die Produkte weiterhin den Anforderungen entsprechen und dementsprechend die gesamte Dokumentation anpassen, auch in Bezug auf Vorschriften und Normen.

Selten ist diese Dokumentation vollständig oder ausreichend und würde einer Behördenprüfung standhalten.

Fordern Sie die entsprechend aktualisierten Dokumente bei Ihren Lieferanten ein und prüfen diese mit einem risikobasierten Verfahren zumindest stichprobenartig.

Tipp 4: Bauen Sie Kommunikationskanäle mit den wirklichen Experten auf

Können Sie über Produkt-Compliance-Themen mit den richtigen Ansprechpartnern sprechen ?

In der Regel sprechen nur die Sales-Verantwortlichen Ihrer asiatischen Lieferanten gutes bis brauchbares Business-Englisch. Gleichzeitig haben diese jedoch meist wenig Know-how und Erfahrung im Bereich der Produkt Compliance: Themen wie die Bill of Material, Bill of Substances, Prüfberichte/Zertifikate zu europäischen Anforderungen oder Bescheinigungen zu REACH haben bei den Sales-Verantwortlichen der Lieferanten eine geringe Priorität.

Die Mitarbeiter der produktionsnahen Abteilungen wie Einkauf, Produktion und Qualitätsmanagement haben zwar das Wissen zu den Produkt-Compliance-Themen, haben jedoch selten Kundenkontakt und sind auch nicht immer in der Lage, sich auf Englisch mit Ihnen zu unterhalten.

Für Sie als kaufendes Unternehmen ist es daher besonders wichtig, die Produkt Compliance-relevanten Themen von Beginn an in den Verhandlungen zu berücksichtigen und einen kompetenten, Englisch sprechenden Ansprechpartner für diese Themen einzufordern. Wenn die Einkaufsgespräche zu aktuellen Produkten erst einmal abgeschlossen sind und derartige Aspekte nicht berücksichtigt wurden, ist es später nahezu unmöglich, die erforderlichen Unterlagen und Dokumente für ein verkehrsfähiges Produkt zu erhalten.

Fordern Sie von Ihren Lieferanten englischsprachige Experten ein oder investieren Sie in kompetente Übersetzungsdienstleister, die die Kommunikation mit diesen Experten ermöglichen

Tipp 5: Halten Sie Produkt-Compliance-Anforderungen in Lieferantenverträgen fest

Wie können Sie sich eigentlich darauf verlassen, die nötigen Unterlagen von Ihren Lieferanten zu erhalten?

Für die Einfuhr von Produkten benötigen Sie – wie oben beschrieben – eine große Menge an Unterlagen, um die durch Richtlinien und Verordnungen gestellten Anforderungen einzuhalten und deren Einhaltung zu beweisen. Diese Unterlagen zu erhalten stellt oft ein schwieriges Unterfangen dar: Für die Lieferanten ist dies oft viel Arbeit, die eine geringe Priorität hat.

Sinnvoll ist es, das frühzeitige Übermitteln dieser Unterlagen in den Lieferantenverträgen festzuhalten und diese mit ähnlicher Priorität zu versehen wie Produktqualität, Lieferzeiten, Exklusivitäten, Gewährleistung, u. v. m.

Halten Sie diese Produkt-Compliance-Anforderungen nicht in Ihren Einkaufsverträgen fest, ist eine nachträgliche Kompensation durch den Lieferanten bei Ihnen entstandenen Schäden eher unwahrscheinlich. Und diese Schäden können erheblich sein: Verstoßen Produkte z. B. gegen chemikalien-rechtliche Vorschriften, drohen dem Unternehmen Bußgelder bis zu 100.000 Euro und Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren. Je besser Sie diese Aspekte im Vorhinein in Ihren Verträgen abgebildet haben, um so höhere Wichtigkeit und Sorgfalt genießen diese auch bei Ihren Lieferanten.

Berücksichtigen Sie Produkt-Compliance-Anforderungen gleichberechtigt neben anderen Regelungen in den Verträgen. Die Erfüllung der produktspezifischen Voraussetzungen sollte auch die Voraussetzung für das Bezahlen der Ware sein.

Diese Tipps sollen helfen vor negativen Konsequenzen zu schützen und dabei helfen, auch langfristig erfolgreich einzukaufen.


Über den Autor

Dr. Hartmut Voss

… ist Gründer und Geschäftsführer der trinasco GmbH und Experte für Produkt-Compliance- Management. Vor seiner Tätigkeit als Berater war Voss bei führenden internationalen Unternehmen tätig (Pepsi-Cola, Sony, Nokia) und hat dabei erfolgreich diverse Marketing-, Vertriebs- und General-Management-Funktionen bekleidet. Durch seine langjährige, europaweite Erfahrung als Produktmanager und Geschäftsführer kann er die Risiken und Herausforderungen im Bereich Produkt Compliance einschätzen und seine Kunden unterstützen.


Dr. Hartmut Voss, Geschäftsführer, trinasco GmbH

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