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Die Gesamtkosten im Griff

Global Sourcing
Die Gesamtkosten im Griff

Die Gesamtkosten im Griff
Professionelle Lieferantenauswahl im Global Sourcing erfolgt durch Kombi- nation einer Total-Cost-of-Ownership- Analyse und der Lieferanteneinschätzung unter strategischen Gesichtspunkten. So hat der Einkauf die Gesamt- kosten im Griff und die Unter- nehmensausrichtung im Auge.

Wilfried Krokowski, Geschäftsführer eines Beschaffungsbüros in Asien, hat langjährige Erfahrungen im Global Sourcing und ist regelmäßig in den Beschaffungsmärkten Asiens unterwegs. Er ist Lehrbeauftragter an der TU Berlin und Berater zahlreicher Unternehmen in Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz.

Das Kosten- und Unternehmensrisiko ist im Rahmen einer Global-Sourcing-Entscheidung nicht unerheblich. Viele Unternehmen sind in den vergangenen Jahren aufgrund falscher Entscheidungen und fehlender Kontrollmechanismen zahlungsunfähig geworden. Um Entscheidungsprozesse vor dem Hintergrund einer Global-Sourcing-Entscheidung für das Unternehmen in ihrer gesamten Komplexität transparent, weitgehend objektiv und kalkulierbar darzustellen, müssen entsprechende Instrumentarien geschaffen und installiert werden. Eines dieser Werkzeuge ist die Gesamtkostenbetrachtung und strategische Lieferantenauswahl nach einem Konzept, welches alle Kosten, Total Cost of Ownership (Toco), berücksichtigt, das „Toco-Konzept“. Diese Betrachtung umfasst alle wesentlichen Einflussgrößen, die mit den direkten und indirekten Kosten der Lieferantenauswahl und der Beschaffung im internationalen Umfeld verbunden sind.
Der Total-Cost-of-Ownership-Ansatz ist Teil der Prozesskostenbetrachtung. Prozesskosten ergeben sich aus der Addition und Bewertung sämtlicher Aktionen und Kostenelemente, die ein Prozess umfaßt. Voraussetzung ist eine nach Prozessen und nicht nach Funktionen ausgerichtete Betrachtungsweise. Die Prozesskostenrechnung ermöglicht somit die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Geschäftsvorganges, in unserem Fall die Lieferantenauswahl und der Stückkostenvergleich. Treiber dieser Art der Kostenrechnung ist die Identifikation von kritischen Kostenfaktoren bei der komplexen Auswahl von neuen Lieferanten, besonders unter dem Aspekt Global Sourcing und strategische Lieferanten sowie der objektiven Beurteilung von Angebotspreisen.
Traditionelle Kostenrechnungen erfassen viele dieser Faktoren nicht. Hier genau setzt das Total-Cost-of-Ownership-Konzept an. Qualitäts- und Kapitalbindungskosten, Kosten beim Aufbau und der Betreuung von Lieferanten sind nur einige wenige Beispiele der Erfassung von Prozesskosten im Rahmen von Total Cost of Ownership.
Ferner muss erwähnt werden, dass die zunehmende Komplexität der Märkte neue Werkzeuge und Instrumentarien in den Beschaffungsbereichen erfordern.
Differenzierte Preisvergleiche, Lieferantenbewertungen, Benchmarking-Analysen, Make-or-Buy-Betrachtungen bis hin zu Total-Cost-of-Ownership-Konzepten sind moderne Werkzeuge, die der Komplexität des internationalen Beschaffungsmarktes Rechnung tragen.
Auf diese Kosten achten
Die einzelnen Einflussgrößen und deren Stellenwerte sind unternehmensspezifisch. Als typische und klassische Kostenfaktoren (direkte Kostenfaktoren) können folgende Parameter angeführt werden:
  • Bezugspreis des Herstellers (FOB Preis),
  • Zahlungsbedingungen (Netto, Skonto, Letter of Credit etc.),
  • Zoll- und Transportkosten.
Die Berücksichtigung dieser direkten Beschaffungskosten allein ist nicht ausreichend, besonders nicht im internationalen und strategischen Umfeld, vielmehr muss eine gesamtheitliche Beurteilung angestrebt werden.
In der Gesamtkostenanalyse nach dem Toco-Konzept werden auch die erweiterten und indirekten Kostenfaktoren berücksichtigt, nachfolgend eine Auflistung:
  • Werkzeugkosten
  • Testkosten
  • Qualitätskosten
  • Mehrkosten durch Liefertermin- abweichungen
  • Garantiezeitbewertung
  • Entsorgung/Recyclingkosten
  • Lieferantenunterstützung
  • Fehlerverhütungskosten
  • Serienanlaufkosten
  • Kapitalbindungskosten (Lagerkosten, Finanzierungskosten etc.).
Der Auflistung ist zu entnehmen, dass es sich bei dieser Kostenanalyse um mehr als einen einfachen Preisvergleich handelt. In Zielrichtung eines Beschaffungscontrolling werden hierbei die indirekten und zumeist abteilungsübergreifenden Kostenelemente quantitativ und monetär sowie weitgehendst objektiv erfasst und bewertet.
Als wichtigste Aufgaben im Global Sourcing gelten daher die Lieferantenauswahl nach strategischen Gesichtspunkten und die Gesamtkostenanalyse.
Eine moderne Total-Cost-of-Ownership-Betrachtung sollte neben der Vollkostenanalyse auch eine strategische Lieferantenbewertung beinhalten. Nur durch eine Kombination von quantitativen (Vollkostenanalyse) und qualitativen Faktoren (strategische Lieferantenbewertung) ist eine transparente und objektive, natürlich auch belastbare und nachhaltige Unternehmensentscheidung möglich.
Der Aufbau und die Betreuung des neuen Lieferanten ist eine gesamtunternehmerische Entscheidung, die von allen Fachbereichen im Unternehmen getragen werden muss.
Bei der professionellen Lieferantenauswahl und Vollkostenanalyse können Software-Tools helfen. Allerdings gibt es im strategischen Beschaffungsbereich nicht viele Werkzeuge für eine Total-Cost-of-Ownership-Betrachtung. Selbst so komplexe ERP-Systeme wie SAP müssen hier passen. Es gibt jedoch auch Programme, welche die oben beschriebenen Parameter erfüllen. Der praxisnahe Ansatz berücksichtigt bei diesen sowohl die klassische Toco-Gesamtkostenanalyse als auch eine strategische Lieferanteneinschätzung.
Grafisch griffiges Gesamtbild
Das Ergebnis ist Transparenz in den Kosten und in den strategischen Kriterien aller Lieferanten im Vergleich untereinander und gleichzeitig ein grafisch griffiges Gesamtbild der Sourcingsituation als Basis für die Entscheidungsträger im Unternehmen.
Ein solches Programm soll folgende wesentliche Punkte berücksichtigen:
  • Die Handhabung des Tools muss einfach und praxisnah sein, der Eingabeaufwand niedrig und die Komplexität der Berechnungen sollte leicht nachvollziehbar sein.
  • Wichtigste Information passen pro Einzelauswertung auf eine A4-Seite und sind grafisch leicht erfassbar.
  • Da unterschiedliche Unternehmen und Branchen unterschiedliche Kriterien für Kosten- oder strategische Bewertung zugrunde legen, sollten diese vom Anwender frei konfigurierbar sein.
  • Bei der Gesamtbewertung sollte es möglich sein, sowohl die Kosten- kriterien als auch die strategischen Kriterien, je nach Materialgruppe und je nach Einschätzung des Anwenders, separat zu gewichten.
  • Damit die Ergebnisse dieser Aus- wertungen nicht nur isoliert betrachtet werden, sondern allen involvierten Abteilungen im Unternehmen zugänglich sind, sollte eine Anbindung an das Warenwirtschaftssystem, z. B. SAP, möglich sein.
Ein solches Tool spiegelt auch Konfliktsituationen bei der Auswahl eines neuen Lieferanten wider. Während der eine Lieferant die bestehende Bezugsquelle des Unternehmens darstellt (ein langjähriges auf den Kunden eingestelltes Unternehmen mit einer hohen qualitativen Bewertung), können weitere, bisher unbekannte Lieferanten auftauchen.
Transparenz schaffen
In der Regel werden die Kostenansätze nach Toco-Prinzip nicht kalkulatorisch erfasst und auch die Bedenken hinsichtlich der Qualität und Zuverlässigkeit eines neuen Lieferanten werden nur verbal geäußert. In der Toco-Betrachtung werden diese Faktoren transparent, übersichtlich und reproduzierbar dargestellt. Letztendlich kann der Geschäftsführung eine übersichtliche und auf Zahlen basierende Ergebniszusammenfassung vorgelegt werden.
Allerdings eigenen sich nicht alle zu beschaffenden Teile und Komponenten für eine Toco-Betrachtung. Daher erscheint es zunächst sinnvoll, eine Analyse des vorhandenen Einkaufsspektrums vorzunehmen. Es empfiehlt sich hierfür die Portfolioanalyse. In der Regel werden dies Teile mit einem entsprechenden Einkaufsvolumen und auch überschaubarer Komplexität sein (also A- und B-Teile).
Aufbauend auf dieser Klassifizierung kann dann eine Ableitung für das Unternehmen getroffen werden, welche Teile sich für eine Toco-Betrachtung anbieten. Die Ausarbeitung sollte im Team und abteilungsübergreifend erfolgen und die Zustimmung der Geschäftsführung haben. Je nachdem, welche Zulieferstrategien und Bereitstellungsprinzipien im Unternehmen angewandt werden, ist ein Total-Cost-of-Ownership-Ansatz notwendig, bedingt einsetzbar oder auch nicht realisierbar.
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