Startseite » Einkauf »

Die richtige Lösung für taktische Prozesse

Serie: Auswahlkriterien für E-Lösungen im Einkauf, Teil III
Die richtige Lösung für taktische Prozesse

Die richtige Lösung für taktische Prozesse
(Bild: Kheng Ho Toh/123rf)
Bei der Auswahl einer elektronischen Lösung für den klassischen taktischen Einkaufsprozess sind eine Reihe von Kriterien zu beachten, die für einen hohen Nutzungsgrad und eine effektive Anwendung nach der Implementierung von entscheidender Bedeutung sind. Eine Verlagerung der Prozesse auf E-Sourcing-Plattformen bzw. -Netzwerke möglicht und eröffnet neue innovative Möglichkeiten der dynamischen Zusammenarbeit.

Der klassische taktische Einkaufsprozess, häufig auch als Source-to-Contract bezeichnet, umfasst alle Aktivitäten, die mit der richtigen Bezugsquellenfindung für einen konkreten Bedarf im Sinne der Einkaufsstrategie und rechtlichen Anforderungen des Unternehmens zusammenhängen. Folgende Teilprozesse lassen sich voneinander abgrenzen:

  • Bedarfsspezifikation
  • Ausschreibung
  • Evaluierung
  • Verhandlung
  • Vertragserstellung
  • Vertragsverwaltung

Der Markt an E-Lösungen für den Einkauf bietet eine Reihe an Systemen mit einzelnen und umfassenden Funktionalitäten für den taktischen Einkauf. Eine gute Systemunterstützung entlang des taktischen Einkaufsprozesses bringt Geschwindigkeit und Transparenz sowie Standardisierung und Rechtssicherheit im Sinne der Compliance.

Bei der Auswahl einer taktischen Lösung sind eine Reihe von Kriterien zu beachten, die für einen hohen Nutzungsgrad und eine effektive Anwendung nach der Implementierung von entscheidender Bedeutung sind. Die Erfahrung aus einer Vielzahl von Einkaufsprojekten zeigt, dass vorhandene E-Solutions oft nur eingeschränkt genutzt werden. Manchmal hat man dabei den Eindruck, der Einkäufer selbst kommt nur schwer mit der Lösung zurecht, da diese nicht wirklich intuitiv zu bedienen ist. Aus diesem Grund wendet der Einkäufer die Lösung oftmals dann auch zu wenig an – ein Teufelskreis. Das größte Potenzial dieser E-Lösungen wird daher meist zu wenig genutzt: eine Plattform/Umgebung zur abteilungs- und unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit von Fachseiten, Einkauf, Anbietern und Lieferanten.

Bevor Ausschreibungen veröffentlicht werden, muss der Bedarf spezifiziert sein. Der Einkauf erhält jedoch häufig unvollständige oder ungenaue Beschreibungen von der Fachseite. Kriterien zur Bewertung von eingeholten Angeboten müssen vom Einkauf dann mühsam abgeleitet und per Mail oder Telefon nachgefragt werden. Hier bieten E-Lösungen Funktionalitäten, um die Bedarfsspezifikation von Beginn an in angemessener Qualität und Vollständigkeit zu erstellen. Anhand warengruppenspezifischer Formulare lässt sich der Bedarfsträger durch den Spezifikationsprozess führen. Relevante Kriterien können präzise beschrieben werden.

Frühzeitige Involvierung des Einkaufs

Typische Anforderungen lassen sich dadurch strukturiert abfragen und Anhänge, z. B. Zeichnungen, hochladen. Damit ist die Vollständigkeit der Bedarfsspezifikation gewährleistet. Bei der Systemauswahl ist vor allem auf die Konfigurierbarkeit der Formulare für die Bedarfsspezifikation zu achten. Vorlagen sollten so flexibel sein, dass sie an die spezifischen Bedarfe des/der Unternehmens/Warengruppe angepasst werden können. Auch die Wiederverwendbarkeit und Anpassbarkeit von bereits erstellten Spezifikationen sollte gewährleistet sein.

Die Ausschreibung sollte möglichst einfach zugänglich und zu beantworten sein. Anbietern oder Lieferanten, die auf der Plattform registriert sind, muss es ermöglicht werden, ihr Angebot schnell und einfach in der Plattform zu erstellen. Sehr hilfreich für den Lieferanten ist auch die Möglichkeit zum Download, offline Angebotserstellung und wieder Upload des Angebotes, ohne dass die vorgegebene Systematik und Struktur verloren geht.

Automatisierte Auswertungen

Für eine praktikable Anlage und Beantwortung bedarfsspezifischer Fragebögen und Preisblätter sollte auf eine ausreichende Flexibilität und die Möglichkeit zur Verwendung von Vorlagen geachtet werden.

Insbesondere auf die flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten von Preis- und Konditionentemplates für eine strukturierte und möglichst vergleichbare Angebotseinholung ist das Augenmerk zu legen. Hier steckt die Grundlage für jegliche Effizienzvorteile dieser Systeme und weiterer zukünftiger Fortschritte im Zuge der Digitalisierung. Es muss für den Einkäufer einfacher und intuitiver sein, eine Preis- und Konditionenvorlage zu erstellen und über die Plattform an die Anbieter zu veröffentlichen, als die per Excel und E-Mail durchzuführen. Denn nur dann, bei der Nutzung der im System hinterlegten und von mehreren Anbietern ausgefüllten Abfrage, ist eine exakte, schnelle und innovative Auswertung möglich. Wünschenswert ist beispielsweise auch die Überführung von eingehenden Bedarfsanforderungen per Mausklick in einer Ausschreibung oder das Hinzufügen von Artikeln interner oder externer Kataloge zu einer Ausschreibung per Drag-and-drop.

Interessenverteilung in der Evaluierung

Nicht selten erschweren Interessenskonflikte zwischen Einkauf und Fachbereich die Bewertung erhaltener Angebote. Um diese Diskussionen zu vermeiden, lassen sich in E-Lösungen mehrdimensionale Evaluierungslogiken vorab abbilden. Entscheidend ist dabei die Möglichkeit, einzelne Dimensionen nach interner Relevanz zu gewichten und von verschiedenen Usern bewerten lassen zu können. Mit dieser Funktionalität wird eine objektive Entscheidungsfindung gemäß zuvor vereinbarter Kriterien gewährleistet.

Durch vorgegebene Antwortmöglichkeiten wird die Vergleichbarkeit erhaltener Angebote ermöglicht. Dadurch lässt sich die Auswertung quantitativer Kriterien automatisieren. Unter Berücksichtigung zuvor gewichteter Entscheidungskriterien können E-Lösungen heute schon Angebote automatisch auswerten und eine Vergabeempfehlung abgeben – idealerweise mit Unterstützung von Vergabeszenarien.

Seit Langem gibt es neben klassischen Ausschreibungen auch E-Auctions. Elektronische Auktionen eignen sich insbesondere für preisfokussierte Märkte mit hohem Lieferantenwettbewerb. Bei der Systemauswahl ist auf die zur Verfügung stehenden Auktionstypen zu achten, denn je nach Bedarf sind bestimmte Auktionsarten geeigneter als andere.

Compliance im taktischen Einkauf

Ein wesentlicher Mehrwert von E-Lösungen im taktischen Einkauf ist der transparente Vergabeprozess. Die digitale Dokumentation ermöglicht, Entscheidungen auch rückwirkend nachzuvollziehen. Sämtliche Vergaben und Aktivitäten sowie interne und externe Kommunikation, wie Kommentare oder Fragen und Antworten, lassen sich rekonstruieren. Die Anzahl und Durchlaufzeiten von Ausschreibungen von der Bedarfsentstehung bis zur Vergabe lassen sich messen, sowie der Anteil der Ausgaben, die wirklich „under management“ sind. Und wenn die Zuständigkeiten sich ändern oder ein neuer Mitarbeiter anfängt, ist er schnell auf das System administriert und kann die gesamte Historie zur Warengruppe mit Ausschreibungen, Angeboten, E-Auctions, Vergaben und Verträgen einsehen.

Ein Sourcing-Event endet in aller Regel mit der Vertragsunterschrift bzw. dem Zuschlag über das System. Ein Vertrag muss in vielen Fällen jedoch noch erstellt oder finalisiert werden und war zumeist Teil der Ausschreibung und Verhandlung. Hierfür bieten E-Lösungen Funktionalitäten zur Vertragserstellung und -bearbeitung. Bei der Auswahl von E-Lösungen für Vertragsmanagement sollte darauf Wert gelegt werden, dass Vertragsvorlagen mit Standardklauseln eingestellt und bearbeitet werden können.

Von Source zu Contract

Zudem muss es möglich sein, dass User unterschiedlicher Parteien einen Vertragssatz bearbeiten können. Einzelne Passagen können so vom Lieferanten kommentiert und im Überprüfungsmodus abgeändert werden. Mittels Versionskontrollen lässt sich jegliche Änderung am Vertragswerk auch rückwirkend nachvollziehen. Damit behalten beide Parteien stets den Überblick. Vereinbarte Passagen lassen sich ausblenden, sodass der Fokus auf kritischere Klauseln gelegt werden kann.

Um einen Vertrag freizugeben und zu unterzeichnen, lassen sich mithilfe von Workflows Genehmigungen gemäß Unterschriftenrichtlinie einholen. Für die Signatur sollte insbesondere auf die Einhaltung rechtlicher Anforderungen geachtet werden. Elektronische Signaturen erfordern je nach Land unterschiedliche Sicherheitsmerkmale.

Für eine effektive Vertragsverwaltung gibt es Funktionalitäten, mit denen der Vertragslebenszyklus verfolgt werden kann. Dabei sind Monitoring- und Benachrichtigungsfunktionalitäten Standardanforderungen. Je nach Vertragsgegenstand und Volumenvereinbarung ist auch die Möglichkeit zur Messung des Erfüllungsgrades durch die Verarbeitung operativer Bestelldaten von potenziellem Mehrwert.

Wohin führt der Weg im taktischen Einkauf?

Führende E-Lösungen simulieren schon heute Sourcing-Strategien und Vergabeszenarien für den Einkauf. In mittlerer Zukunft wird durch komplexe Algorithmen eine Vergabe nicht nur systemseitig empfohlen, sondern automatisch durchgeführt werden können. Unter Berücksichtigung von Dringlichkeit, Auslastungsgrad, angebotenen Preisen und Indizes werden Einkaufssysteme mit Verkäufersystemen autonom verhandeln und Zuschläge erteilen. Systemseitige Entscheidungsfindungen basieren wiederum auf Kriterien, die im Vorfeld definiert werden müssen. Um im Sinne der Unternehmens- und Einkaufsstrategie zu entscheiden, müssen Algorithmen von Einkaufsseite konfiguriert werden. Der Input des Einkaufs ist auch in Zukunft Voraussetzung für die effektive Anwendung solcher Funktionalitäten. Mit der operativen Ausführung von Ausschreibungen wird der Einkauf in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr viel zu tun haben.


Serie

Themen

  • Ausgabe Juni 2017:
    Ist die Auswahl und Einführung einer
    E-Solution schon Digitalisierung?
  • Juli/August 2017:
    Auswahlkriterien für operative Prozesse
  • September 2017:
    Auswahlkriterien für taktische Prozesse
  • Auswahlkriterien für strategische Prozesse
  • Vorgehensweise zur Auswahl von E-Lösungen im Einkauf
  • Planung der Einführung von E-Lösungen und wozu Change Requests?
  • Auswirkungen auf die Einkaufsorganisation
  • Auswirkungen für die Bedarfsträger und deren Change Management
  • Implementierung der E-Lösung im Einkauf
  • Auswirkungen für die Lieferanten und deren Change Management bei der Einführung von E-Lösungen im Einkauf

Joachim v. Lüninck
Managing Partner, amc Group

und
Fabian Kittel, amc Group (ohne Bild)

Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de