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Moderner Marktplatz für Metalle und Ferrolegierungen

Start-up Metalshub
Digitaler Pionier mischt die Metallbranche auf

Metalle und Ferrolegierungen im Wert von mehr als 100 Mrd. Euro werden weltweit jährlich verarbeitet. Organisierter Handel? Über Jahrzehnte hinweg Fehlanzeige. Frank Jackel und Sebastian Kreft haben das große Potenzial erkannt. Seit 2017 bauen sie die Plattform Metalshub aus. Wir haben das Team in Düsseldorf besucht.

Im ehemaligen Verwaltungsgebäude des Maschinenbauers Metso Lindemann an der Erkrather Straße in Düsseldorf experimentieren diverse Start-ups. Im Factory Campus treibt auch Metalshub seine Plattform voran – ein digitaler Marktplatz, auf dem Ferrolegierungen und Metalle wie Ferrochrom, Ferromolybdän oder Ferrosilizium effizient online gehandelt werden. Am 13. Dezember 2017 knallten erstmals die Sektkorken: Nach zehn Monaten Softwareentwicklung wurde Metalshub freigeschaltet. Die Cronimet Ferroleg GmbH, weltweiter Spezialist im Handel von Edelstahlschrott, und Traxys Europe SA, eines der führenden Handelsunternehmen für Metalle, Ferrolegierungen und Konzentrate, schlossen direkt am ersten Tag einen Handel über 24 Tonnen Ferronickel ab.

Inzwischen sind über 300 Rohstoffproduzenten, Industrieunternehmen und Rohstoffhändler auf der Plattform aktiv, darunter Outokumpu, Traxys Europe, Hempel Intermetaux SA, Anglo American und Eickhoff. Seit dem Launch wurde 700 Mal gehandelt; aktuelle Zahlen lassen sich via www.metals-hub.com nachverfolgen. In 85 Prozent der Fälle gibt es auf Einkäuferanfragen, beispielsweise von Gießereien, entsprechende Angebote. Das Transaktionsvolumen umfasst im Schnitt 100.000 Euro. Das Handelsvolumen wird Ende 2018 bei über 15 Mio. Euro liegen. Verträge schließen Verkäufer und Käufer. Metalshub erhebt keine Registrierungsgebühr, Verkäufer zahlen nur bei durchgeführten Transaktionen. Registrierte Nutzer können Ausschreibungen initiieren oder Angebote und Gebote abgeben, beispielsweise in den Produktkategorien Chrom, Mangan, Molybdän, Nickel, Niob, Vanadium. Die AGB legt der Initiator der Transaktion fest; er kann auch die neutralen Metalshub-AGB verwenden.

Drei Millionen Euro als Finanzspritze

Im September 2018 sprudelte es erneut in den Sektgläsern: Das junge Unternehmen konnte eine neue Finanzspritze von drei Millionen Euro vermelden. Die brasilianische Beteiligungsgesellschaft Chromo Invest und der deutsche VC Point Nine Capital beteiligten sich an Metalshub und auch Business Angels haben ihr Investment ausgebaut. Zu den Unterstützern zählen Dr. Dieter Heuskel (Ex-Chairman der Boston Consulting Group Deutschland), Jochen Engert (Flixbus-Gründer) und Dr. Ralf Köster (Ex-CEO der Bartec Group). Die Metalshub-Gründer und

Geschäftsführer Dr. Sebastian Kreft (37) und Dr. Frank Jackel (42) behalten die Mehrheit.

Beide sind „alte Hasen“. Nach der Universität (WHU Vallendar und RWTH Aachen) stiegen sie als Berater bei Boston Consulting ein und kümmerten sich vorrangig um Bergbauunternehmen. Die andere Seite lernten beide als Vertriebsleiter für Nickel und Ferrolegierungen in London bei Anglo American kennen, einem weltweit führenden Bergbauunternehmen. Kreft und Jackel haben leidvoll erfahren, dass die Branche durch zu viele manuelle Prozesse schnell an Grenzen stößt. Intransparenz und die Verkaufskomplexität im großen, fragmentierten Markt machen Geschäftsabläufe oft quälend langsam. Über Terms and Conditions ein Jahr lang zu verhandeln, ist in der Branche keine Seltenheit. „Gefragt sind Standards wie in der Kohlebranche, bei denen nur noch Preise und Lieferdaten zu verhandeln sind“, sagt Sebastian Kreft.

Faktor Vertrauen

Während sich für einige Industriemetalle handelbare Verträge an Rohstoffbörsen wie der Londoner Metallbörse LME entwickelt haben, gab es für viele Metalle und Legierungen bis dato keinen organisierten Handel. „Im Metallhandel ist der Aufbau von Vertrauen Erfolgsfaktor und Herausforderung zugleich. Menschen handeln mit Menschen, denen sie vertrauen“, sagt Sebastian Kreft. 2015 kündigte das Duo bei Anglo American, um in Eigenregie ihre revolutionäre Geschäftsidee umzusetzen: Eine flexible Plattform soll für die typischen Beteiligten einer Rohstofftransaktion – also Verkäufer, Käufer, Logistikdienstleister, Versicherer, Finanzdienstleister – komplexe Prozesse digitalisieren und so Prozesskosten reduzieren und Geschwindigkeit signifikant erhöhen. Zudem sollen Akteure unternehmensinterne Informationen zwischen Abteilungen wie Recht, Vertrieb, Einkauf, Produktion, Logistik und Risikomanagement automatisiert austauschen können, etwa rechtsverbindliche Verträge. Kreft und Jackel griffen zunächst auf eigene Finanzreserven zurück, stellten Branchenexperten ihre Letters of Intent vor und passten ihre Software sukzessive an. Schnell bekundeten die ersten Business Angels Interesse am neuen Modell.

Auch Kleine können handeln

Die Metalshub-Geschäftsidee fußt auf enormem Potenzial. In den vergangenen 30 Jahren hat sich der weltweite Bedarf an Rohstoffen, angetrieben durch eine wachsende Weltbevölkerung, um 50 Prozent erhöht. Elektromobilität, Industrie 4.0 und Energiewende verstärken die Nachfrage nach metallischen Rohstoffen deutlich. Beispiele: Chrom, Titan und Silizium werden in Form von Legierungen für die Metallherstellung, 3D-Druck oder die Produktion von Chemikalien eingesetzt; Kobalt, seltene Erden und Lithium für Magnete, Batterien für E-Autos und Windkraftanlagen. Die deutsche Industrie ist fast ausschließlich auf Auslandsimporte angewiesen. Allein in Europa gibt es mehr als 1000 Industrieunternehmen, die metallische Rohstoffe für die Produktion benötigen. Metalshub macht es nun erstmals auch kleinen Verkäufern und Käufern möglich, Transaktionen schnell und ohne die üblichen hohen Transaktionskosten abzuschließen.

Sebastian Kreft, Frank Jackel und ihr wachsendes internationales Team bringen heute führende Unternehmen im Bereich Logistik, Handelsfinanzierung und Versicherungen auf der Plattform zusammen. Das Thema „Vertrauen“ nehmen die Gründer sehr ernst.

Zusatzservices mit Partnern

Die Anwendung wird in Deutschland gehostet. Alle registrierten Unternehmen werden vor der Freischaltung nach dem Prinzip „Know your customer“ eingehend geprüft. Als erster Marktplatz bietet das Düsseldorfer Start-up eine Transaktionsversicherung („Wilfried.ai“). Partner ist Euler Hermes, Weltmarktführer der Kreditversicherer. Das auf künstlicher Intelligenz basierende Produkt verwendet Daten auf Rechnungsebene und kann das Kreditrisiko einer B2B-Transaktion genauer berechnen. „Für Nutzer bedeutet das Kosteneinsparungen und einen erweiterten Kreis von Abnehmern, die versicherbar sind“, erläutert Sebastian Kreft. Weitere Zusatzservices: Bei der Logistikabwicklung arbeitet Metalshub mit europäischen Metalllogistikdienstleistern zusammen. Plattformteilnehmern werden optional nutzbare, günstigere Transportlösungen vorgeschlagen. In Vorbereitung sind die Probenahme- und Analysedienstleistungen sowie Factoring – alles in Kooperation mit Partnern, „denn unsere Kernkompetenz bleibt der Rohstoffhandel“, bekräftigt Sebastian Kreft.

Das Gründerduo will auch Blockchain etablieren. „Diese Technologie hat das Potenzial, dringende Probleme zu lösen, nämlich den Zugang zu kostengünstiger Handelsfinanzierung und die zweifelsfreie Klärung der Herkunft von Rohstoffen“, sagt Kreft. Derzeit entstehen Schnittstellen, über die Transaktionsdaten automatisch in die ERP-Systeme überführt werden. „Wir lernen noch immer dazu und haben auch noch Hausaufgaben in Sachen Marketing zu machen.“

Hausaufgaben in Sachen Marketing

Durch die neue Finanzierungsrunde im September kann das Entwicklungsteam in Düsseldorf aufgestockt werden. Zwei neue Vertriebler sollen in Asien und Südeuropa für mehr Liquidität auf der Plattform sorgen. Ziel für 2019 ist ein Transaktionsvolumen von 50 Mio. Euro. Die Gründer setzen auf Netzwerkeffekte, die den Onlinehandel auch im Rohstoffsektor beflügeln werden.


Sabine Ursel,

Journalistin in Wiesbaden

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