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Digitalisierung gegen Rohstoffengpässe

Blockchain für nachhaltige Lieferketten
Digitalisierung gegen Rohstoffengpässe

Lieferketten sind ein fragiles Konstrukt. Der Chemiekonzern BASF meldete bereits Anfang Februar erste Rohstoffengpässe und Lieferungsausfälle. Das weitverzweigte und komplexe Netz der Lieferketten vieler Unternehmen geriet durch die Folgen der Corona-Pandemie ins Wanken. Abseits des erheblichen Schadens, der entstanden ist, können aus dieser schmerzhaften Erkenntnis doch wichtige Lehren gezogen werden.

Eine wichtige Lektion aus der schwierigen Situation der vergangenen Monate könnte sein, dass die Abhängigkeit von Primärrohstoffen und Zulieferern aus dem Ausland reduziert werden muss. Voraussetzung dafür sind neue Geschäftsmodelle und eine weiter forcierte Hinwendung zum Modell der Kreislaufwirtschaft und Sharing Economy. Diese neuen Konzepte machen es aber intrinsisch notwendig, besonders ressourcenschonend, funktional, langlebig, leicht reparierbar, recycelbar und wiederbenutzbar zu designen. Weg von der Einmalnutzung kann wirtschaftlich vorteilhaft sein, zu Innovation, Wachstum und neuen Arbeitsplätzen führen und ist ein weiterer Schritt für die Neuausrichtung der Wirtschaft nach Corona. Laut Angaben der Europäischen Union wird die Kreislaufwirtschaft das Bruttoinlandsprodukt der EU um zusätzliche 0,5 Prozent erhöhen und bis 2030 rund 700.000 neue Arbeitsstellen schaffen. Um die Umstellung zur Kreislaufwirtschaft erfolgreich zu meistern, hat die Europäische Kommission einen Aktionsplan vorgestellt, der einer der Grundbausteine des europäischen Green Deal ist und die Wirtschaft für eine wirtschaftlich erfolgreiche und nachhaltige Zukunft bereit machen soll.

Abhängigkeit reduzieren

Auch mussten Unternehmen lernen, dass die Lieferkette und deren Digitalisierung essenziell sind, um zu jedem Zeitpunkt die Zusammenhänge zu erkennen und im Sinne eines Risikomanagements handlungsfähig zu sein. Ungeachtet dessen, ob lediglich ein einzelner Lieferant abrupt ausfällt oder eine ganze Reihe von Zulieferern in Verzug gerät, Firmen müssen auf jede Situation schnell reagieren können, was bedeutet, die eigenen Lieferketten über alle Stufen hinweg zu kennen. So kann frühzeitig geprüft werden, ob eine bestimmte Situation sich auch auf die eigenen Lieferketten auswirken könnte, sei es nun wegen eines Produktionsstopps oder weil der Transportweg gestört ist. Nur durch digitale Lieferketten und Transparenz können verschiedene Szenarien effizient durchgespielt und geplant werden.

Szenarien durchspielen und nach Alternativen suchen, ist für viele Unternehmen aber schwierig, da die Digitalisierung, wenn dann nur langsam vorankommt. Nach den ersten Meldungen aus China zu überprüfen, welche Rohstoffe oder Bauteile aus China kommen oder über China und angrenzende Länder transportiert werden, ob es alternative Materialien, Lieferanten oder Routen gibt, ist nur möglich, wenn all diese Informationen vorher gesammelt und in Sinnzusammenhängen vorhanden sind.

Dieses Wissen ist aber nicht nur nötig, um Schäden zu minimieren und die eigene Produktion zu sichern, sondern auch um Maßnahmen mit Stakeholdern zu kommunizieren und die eigene Wettbewerbsposition zu verteidigen. Unternehmen, die die eigenen Lieferungen auch unter derart widrigen Umständen aufrechterhalten werden können, erkämpfen sich dauerhaft einen Wettbewerbsvorteil.

Komplexe Lieferketten

Aktuell ist es für Risikoabteilungen in Unternehmen jedoch häufig aufgrund der Komplexität ihrer Lieferketten schwierig, Gefahren frühzeitig zu identifizieren. Rohstoffengpässe, Lieferstopps und deren Folgen werden häufig erst bearbeitet, wenn Schäden bereits entstanden sind. Nachhaltige Ressourcenstrategien und der Aufbau transparenter Lieferketten mittels digitaler Datenbanken und Blockchain-Technologie sollten deshalb in der Nach-Corona-Phase bedeutende Eckpfeiler für Unternehmen in Deutschland darstellen.

Gerade die Blockchain-Technologie nimmt hier einen hohen Stellenwert ein – bietet sie nicht nur Datensicherheit, sondern kann auch gezielt Zugriffsrechte steuern. Verschiedenen Entitäten kann damit unterschiedlicher Zugang gewährt werden. Als effektivste Methode um Daten kryptografisch und verifiziert abzusichern, wird die Blockchain-Technologie zukünftig daher noch stärker in den Fokus rücken.

Blockchain für nachhaltige Lieferketten

Die Blockchain-Technologie kommt auch ins Spiel, wenn es um den Aufbau nachhaltiger Lieferketten geht – dies zeigt etwa das Pilotprojekt European Partnership for Responsible Minerals der EU. Die Notwendigkeit von emissionsärmeren und umweltfreundlicheren Produkten und der Ausbau entsprechender gesetzlicher Bestimmungen wie beispielsweise der EU-Richtlinie zur CSR-Berichterstattung oder der Konfliktmineralienregelung rücken Menschenrechtsbelange und Umweltschutz stärker in den Mittelpunkt. Für Unternehmen steht hier viel auf dem Spiel, sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in sozialer Hinsicht, können Verstöße immerhin nicht nur viel Geld kosten, sondern auch das Image schädigen.

Konfliktmineralien zurückverfolgen

Das Pilotprojekt der European Partnership for Responsible Minerals untersucht beispielsweise, wie mittels der Blockchain-Technologie Konfliktmineralien über die gesamte Lieferkette zurückverfolgt werden können, also von der Mine bis zum fertigen Produkt. Informationen dazu, dass Compliance-Regelungen eingehalten wurden, stecken dann in der DNA des jeweiligen Produkts und bieten so für Transaktionen, Prozesse und Partner in der Lieferkette eine gemeinsam genutzte, abgesicherte, für beide Seiten vertrauenswürdige, unveränderbare Aufzeichnung von Informationsflüssen.

Produkte in ihrer Gesamtheit analysieren

Darüber hinaus können Blockchain-Technologien die Ökobilanzierung und den Carbon Footprint von Produkten und Lieferketten revolutionieren, da es dank der gezielten Kontrolle des Zugangs und der Absicherung der Daten ohne Vertrauensprobleme möglich ist, die tatsächlichen Umweltbelastungen in Echtzeit entlang des Lebensweges zu erfassen und an die anderen gewünschten Akteure weiterzugeben. Auch hier wird der Zugang zu Informationen mithilfe der Blockchain kontrolliert und ermöglicht die Zusammenarbeit von Unternehmen in einem konkurrierenden Wettbewerbsumfeld. Die methodische Grundlage hierfür, um die Umweltwirkungen messbar zu machen, sollte unbedingt die Analyse mittels „Life Cycle Assessment“, kurz LCA, sein. Dabei werden Produkte in ihrer Gesamtheit analysiert, angefangen bei der Rohstoffgewinnung über die Fertigung bis hin zur Nutzung und der anschließenden Recycling- bzw. Entsorgungsphase. Die Analyse gibt aber nicht nur Auskunft über die konkreten Umweltbelastungen von Erzeugnissen, sie macht es außerdem möglich, im Fertigungsprozess und in den Lieferketten nach Optimierungspotenzial zu suchen, da sie systematisch auf den gesamten Lebenszyklus von Produkten ausgerichtet ist.

Weitere Teile des Eckpfeilers sind, alle Informationen der eigenen Erzeugnisse zu sammeln und in abgesicherten Datenbanken zugänglich zu machen. Kein Unternehmen kann es sich heute noch leisten, seine Informationen manuell und damit sehr aufwendig und arbeitsbindend auszutauschen oder den Wert der eigenen Daten ungenutzt brachliegen zulassen. Bestimmte Werte über E-Mails abzufragen oder mithilfe von Excel-Sheets abzugleichen, hat keinen Platz mehr im digitalen Zeitalter, besonders da die komplexen Sourcing-Ströme so ohnehin nicht mehr festgehalten und dargestellt werden können und zudem entsprechend fehleranfällig sind. Hier sollten Unternehmen immer stärker auf digitale Zwillinge setzen. Sie enthalten jederzeit alle Informationen zu einem Produkt und der Wertschöpfungskette. Wenn am materiellen Produkt eine Änderung vorgenommen wird, werden die Daten angepasst, also der digitale Zwilling wird in Echtzeit aktualisiert. So werden nicht nur alle Informationen, sondern auch alle Veränderungen durch die digitalen Spiegelbilder festgehalten – zentrale Themen für transparente und nachhaltige Lieferketten in der Nach-Corona-Zeit.


Der Autor

Jörg Walden, Gründer und CEO von iPoint. Der Softwareingenieur arbeitet beim Thinktank Industrielle Ressourcenstrategien an den Schwerpunktthemen Blockchain und digitale Kreislaufwirtschaft.

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