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Durchblick bei Nacherfüllung, Nachbesserung, Nachlieferung

Leistungsstörungen im Verhältnis zum Lieferanten
Durchblick bei Nacherfüllung, Nachbesserung, Nachlieferung

Durchblick bei Nacherfüllung, Nachbesserung, Nachlieferung
Andreas Broich von der Düsseldorfer Sozietät Orth Kluth Rechtsanwälte
Das Verhältnis Käufer – Verkäufer wird nicht selten durch Lieferprobleme getrübt. Der Käufer sollte seine Rechte kennen, wenn der Lieferant mangelhafte Ware liefert. Verwirrende Begrifflichkeiten erleichtern dies nicht unbedingt.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) werden 48 Paragrafen benötigt, um das Kaufrecht zu regeln. Zentral wichtig ist § 433 Absatz 1 Satz 2 BGB: „Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.“ Frei von einem Sachmangel ist die gekaufte Sache dann, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat. Leistungsdaten, Abmessungen, Materialien, Funktionsfähigkeit etwa, also die Ist-Beschaffenheit, müssen mit dem Kaufvertrag/der vereinbarten Soll-Beschaffenheit übereinstimmen. Andernfalls liegt ein Sachmangel vor und der Käufer hat das Recht, Nacherfüllung zu verlangen.

Wahlrecht und Verhältnismäßigkeit
Für die Nacherfüllung stehen zwei Wege zur Verfügung, zwischen denen der Käufer wählen kann. Er kann entweder die Lieferung einer mangelfreien Sache fordern, also eine Ersatz-, Neu- oder Nachlieferung. Oder er kann die Beseitigung des Mangels im Wege der Nachbesserung, etwa durch Reparatur, verlangen.
Das grundsätzliche Wahlrecht des Käufers wird durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beschränkt. „Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung ablehnen, wenn diese nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten möglich wäre“, erläutert Rechtsanwalt Andreas Broich von der Düsseldorfer Sozietät Orth Kluth Rechtsanwälte. „Kriterien für die Feststellung der Unverhältnismäßigkeit sind etwa der Wert der Sache im mangelfreien Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte.“ Wenn die gewählte Art der Nacherfüllung für den Verkäufer also finanziell oder ökonomisch unzumutbar ist – was er notfalls vor Gericht beweisen müsste –, schuldet er nur die preiswertere Alternative.
Massenware
In der tagtäglichen Beschaffungspraxis, etwa im C-Teile-Management, spielt die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Nacherfüllung regelmäßig keine Rolle. „Jedenfalls wenn es sich bei der mangelhaften Sache um ein serienmäßig hergestelltes Standardprodukt des Verkäufers handelt, werden sowohl Käufer als auch Verkäufer in aller Regel die Ersatzlieferung einer neuen mangelfreien Sache, also die Nachlieferung, bevorzugen“, weiß Kaufrechtsexperte Broich. „Eine Nachlieferung stellt in einem solchen Fall gegenüber der Nachbesserung regelmäßig die schnellere, qualitativ sicherere und zumeist auch kostengünstigere Art der Nacherfüllung dar, von der beide Seiten profitieren.“
Spezialanfertigungen
Von größerer Bedeutung kann die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Nacherfüllung allerdings dann sein, wenn es sich bei der mangelhaften Sache nicht um Massenware, sondern um ein individuell für den Käufer hergestelltes Produkt handelt, etwa eine komplexe Produktionsanlage. „In einem solchen Fall wird die Nachbesserung meist erheblich schneller und kostengünstiger sein als das gesamte Produkt neu herzustellen und zu liefern“, so Broich. Zumal auch die Kosten für den Transport einer neuen, mangelfreien Sache bei der Betrachtung der Verhältnismäßigkeit eine Rolle spielen können – allerdings nur bei einer sehr großen Entfernung zwischen Produktions- und Ablieferungsort.
Nachbesserungsversuche
Wichtig: Der Verkäufer hat nur einen Versuch, den Mangel innerhalb der vom Käufer gesetzten Frist durch Nachbesserung zu beheben. Ist der Mangel nach Fristablauf noch vorhanden, kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern sowie Schadensersatz geltend machen – unabhängig davon, ob der Verkäufer die Nachbesserung einmal, mehrmals oder gar nicht versucht hat.
Doch im Verhältnis Einkäufer – Lieferant gibt es oftmals auch gute Gründe für den Einkäufer, sich kulant zu zeigen. „Die freiwillige Gewährung mehrerer Nachbesserungsversuche ist stets eine operative Einzelfallentscheidung und kann insbesondere aus geschäftspolitischen Gründen dann ratsam sein, wenn Käufer und Verkäufer in einer langfristigen Geschäftsbeziehung stehen oder der Verkäufer für den Käufer eine single source darstellt, die der Käufer nicht verlieren möchte“, weiß Rechtsanwalt Broich. Er rät in einem solchen Fall allerdings dringend dazu, den Verkäufer schriftlich darauf hinzuweisen, dass dies ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt und man sich sämtliche Mängelrechte vorbehält. Nach jedem einzelnen erfolglosen Nachbesserungsversuch sollte immer wieder eine entsprechende Mangelanzeige an den Verkäufer erfolgen.
Mängelansprüche verjähren innerhalb von zwei Jahren, beginnend mit der Ablieferung der Sache. Aus dem Handelsgesetzbuch (HGB) ergibt sich allerdings die Pflicht, den Liefergegenstand einer unverzüglichen Prüfung zu unterziehen und etwaige Mängel sofort zu rügen. Andernfalls gilt die Ware als genehmigt (es sei denn, der Mangel war bei der Untersuchung noch nicht erkennbar).
AGB und Lieferbedingungen
Das deutsche Kaufrecht ist im BGB und HGB eher käuferfreundlich ausgestaltet. Dem versuchen Verkäufer entgegenzuwirken, indem sie ihre eigenen Lieferbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zum Bestandteil des Kaufvertrags machen. Dort können Klauseln enthalten sein, die die gesetzlichen Rechte des Käufers, etwa sein Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Nachlieferung oder die Höhe möglicher Schadensersatzforderungen, einschränken. „Auch eine in Verkäufer-AGB geregelte Verkürzung der Verjährungsfrist für Mängelansprüche des Käufers auf weniger als zwei Jahre ab Ablieferung der Kaufsache sollte der Käufer grundsätzlich als kritisch beurteilen“, warnt Anwalt Broich. „Gleiches gilt, wenn der Verkäufer in seinen AGB erklärt, eine Nacherfüllung grundsätzlich auf Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu erbringen.“ Schließlich sei Vorsicht geboten, wenn in den Verkäufer-AGB ausländisches Recht für anwendbar erklärt wird, denn der Käufer sollte eine fremde Rechtsordnung vermeiden. Der Tipp des Experten: Notfalls als Kompromiss die Anwendbarkeit des Rechts eines „neutralen Drittstaates“ vereinbaren.
Auch die Metro Group, Handelsriese aus Düsseldorf, operiert mit eigenen Lieferbedingungen. „Zur Vorbeugung und zur Absicherung unseres Risikos, insbesondere zur Vermeidung von nicht verfügbarer Ware im Markt, vereinbaren wir mit unseren Lieferanten Vertragsstrafen für die Nichteinhaltung von Lieferbedingungen“, erläutert ein Sprecher des Handelsunternehmens. „Generell bemühen wir uns aber, derartige unerfreuliche Situationen zunächst ohne juristische Mittel im Einvernehmen mit unseren Lieferanten zu lösen.“ Der Handelskonzern ist Mitglied der Europäischen Supply Chain Initiative, einem freiwilligen Zusammenschluss von Beteiligten an der Lieferkette auf nationaler und europäischer Ebene. Die Initiative hat Grundsätze entwickelt, mithilfe derer Probleme zwischen den Mitgliedern außergerichtlich beigelegt werden können. Doch für Metro ist auch klar: „Sollte es dauerhaft und wiederholt zu Lieferschwierigkeiten kommen, die letztendlich zu Lasten unserer Kunden gehen, behalten wir uns vor, im letzten Schritt die Lieferbeziehung zu beenden.“

Die zentralen Begriffe

Sachmangelhaftung

Nacherfüllung: Liefert der Verkäufer eine mangelhafte Sache, hat der Käufer einen Anspruch auf Nacherfüllung des Kaufvertrages. Er kann dabei zwischen zwei Alternativen wählen:
    • Nachbesserung: Beseitigung des Mangels, etwa durch Reparatur.
    • Nachlieferung: Lieferung einer neuen – mangelfreien – Kaufsache als Ersatz.

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Anja Falkenstein, Rechtsanwältin, Karlsruhe
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