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Einkauf (in) der Premiumklasse

Ergebnisse eines internationalen Benchmarking-Projekts, Teil 6
Einkauf (in) der Premiumklasse

Mit der Marke Vorwerk assoziieren die meisten Menschen vor allem unverwüstliche Haushaltsgeräte der Premiumklasse. Dass der Strategische Einkauf des Familienunternehmens ebenfalls diese Auszeichnung verdient, davon konnte sich das Fraunhofer IPT gemeinsam mit seinen Partnerunternehmen im Konsortial-Benchmarking Einkauf 2011–2012 überzeugen. Besonders beeindruckend: Der Strategische Einkauf ist bei Vorwerk ausgesprochen gut vernetzt, wird im Unternehmen als wertschöpfende Funktion verstanden und besitzt die Kompetenz, interne Prozesse auch beim Lieferanten zu optimieren. Im sechsten Beitrag dieser Serie gewähren die Vorwerk Elektrowerke Einblick in ihren Strategischen Einkauf.

Die Vorwerk Elektrowerke GmbH & Co. KG gehören zum Wuppertaler Familienunternehmen Vorwerk & Co. KG und fertigen elektrische Haushaltsprodukte – „Raumpflegeprodukte“, wie sie bei Vorwerk genannt werden, sowie die multifunktionale Küchenmaschine „Thermomix“. „Der externe Wertschöpfungsanteil liegt zwischen 70 und 80 Prozent. Dabei umfasst die eigene Fertigung die Herstellung von großvolumigen Kunststoffspritzgussteilen und die gesamte Produktion der Elektromotoren, die Vorwerk selbstständig entwickelt. Zusätzlich erfolgt die hoch automatisierte Montage unserer Hauptprodukte in-house“, so Christian Spormann, Vice President des Strategischen Einkaufs.

Vorwerk vertreibt seine Produkte im Direktvertrieb und verfügt über Vertriebsgesellschaften und Vertriebspartner in 66 Ländern. Dieses Vertriebskonzept ermöglicht dem Unternehmen einen sehr engen Kundenkontakt, so dass Wünsche und Erwartungen der Kunden an die Vorwerk-Produkte direkt an die Entwicklungsabteilung zurückgespielt werden können. Eine zentrale Anforderung beim Direktvertrieb besteht in der Sicherstellung kurzer Lieferzeiten und in der Gewährleistung einer hohen Versorgungssicherheit, die von den anspruchsvollen Kunden des Unternehmens erwartet werden. Das Vertriebskonzept stellt in Verbindung mit dem hohen zugekauften Wertschöpfungsanteil besondere Anforderungen an den Strategischen Einkauf des Unternehmens: Höchste Priorität hat es deshalb für den Einkauf, eine leistungsfähige und qualitativ hochwertige Lieferantenbasis zu etablieren und damit die erforderlichen kurzen Lieferzeiten und hohe Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Um diesen strategischen Herausforderungen gerecht zu werden, hat Vorwerk den Strategischen Einkauf als eigenständige Funktion im Unternehmen verankert. Der Strategische Einkauf umfasst dabei den Investitionsgütereinkauf, den Projekteinkauf und das Materialgruppenmanagement. Die Beschaffung des direkten Materials verantwortet das Materialgruppenmanagement. Jeder Materialgruppe ist ein Materialgruppeneinkäufer zugeordnet, der die Lieferantenstrategie und die Strategie der Materialgruppe anhand der übergeordneten strategischen Zielsetzungen ableitet, Lieferanten auswählt, die Lieferantenbeziehungen pflegt und Verträge aushandelt.
Die organisatorischen Strukturen sind damit nicht nur individuell auf den Strategischen Einkauf ausgerichtet. Die Einkäufer bei Vorwerk gehen bei der Etablierung einer leistungsfähigen Lieferantenbasis auch methodisch vor: Dies beginnt mit der umfassenden Einbindung des Lieferanten-Know-hows in neue Entwicklungsprojekte und endet bei einer systematischen Optimierung der Wertschöpfungskette beim Lieferanten vor Ort. Dazu setzt Vorwerk auf spezielle „Value Management Teams“. Diese Teams unterstützen die Lieferanten dabei, ihre Prozessketten zu analysieren, erarbeiten gemeinsam mit ihnen Maßnahmen zur Verbesserung und helfen bei der Umsetzung.
Die richtige Lieferantenbasis. Langfristigen Erfolg durch die richtige Lieferantenauswahl überlässt Vorwerk nicht dem Zufall. Basis für die frühzeitige Integration von externem Know-how ist die Produkt-Roadmap. Diese umfasst einen langfristigen Planungshorizont und zeigt die erwarteten Bedarfe und neue Trends bei Raumpflege- bzw. Haushaltsprodukten in den kommenden 10 bis 15 Jahren auf. Diese Art der Planung berücksichtigt auch veränderte oder komplett neue Bedarfe an Beschaffungsgütern und identifiziert damit systematisch die Anforderungen an die zukünftige Lieferantenbasis. Die Erkenntnisse nutzt Vorwerk anschließend dazu, die Beschaffungsmärkte, das Marktumfeld, die erforderlichen Technologien und die zugehörigen Wertschöpfungsketten mit den jeweiligen Kostentreibern für das jeweilige Handlungsfeld systematisch zu untersuchen. Mit dieser Vorgehensweise erarbeiten sich die Einkäufer zielgerichtet ein detailliertes Wissen über die Zusammenhänge und Hintergründe des jeweiligen Handlungsfeldes. Die Erkenntnisse aus der Produkt-Roadmap bilden dann die Basis für strategische Partnerschaften mit ausgewählten Lieferanten, die mit Blick auf die zukünftigen Entwicklungen eine wichtige Bedeutung für Vorwerk einnehmen werden.
Die Roadmap legt auch die Handlungsfelder und die Anforderungen an die Lieferantenbasis fest. Bevor jedoch Maßnahmen zur Lieferantenentwicklung eingeleitet und die aufgezeigten Handlungsfelder erschlossen werden, gilt es, detaillierte Kenntnisse über die Leistungsfähigkeit und Potenziale des Lieferanten zu erwerben. Um diese Informationen systematisch zu erfassen, bedient sich Vorwerk einer sogenannten Lieferanten-Kompetenz-Matrix. Diese enthält alle charakteristischen Eigenschaften und Fähigkeiten des Lieferanten und wird für alle Lieferanten des Unternehmens gepflegt. Mithilfe dieses selbst entwickelten Tools gewinnt Vorwerk eine valide Datengrundlage, auf deren Basis Vergabeentscheidungen unterstützt werden bzw. sich bedarfsgerechte Entwicklungsmaßnahmen für einzelne Lieferanten ableiten lassen und der Erfolg der Maßnahmen kontrolliert werden kann. Damit gewährleistet Vorwerk einen umfassenden Überblick über die aktuelle Leistungsfähigkeit der bestehenden Lieferantenbasis.
Doch Vorwerk berücksichtigt nicht nur die Leistungsfähigkeit und das Potenzial seiner Lieferanten, sondern achtet auch kontinuierlich auf das Abhängigkeitsverhältnis: Denn vor dem Hintergrund eines Versorgungs- und Insolvenzrisikos eines Lieferanten gilt es, zu starke Abhängigkeiten in der Geschäftsbeziehung zu vermeiden. Auf der anderen Seite sollen die Belange von Vorwerk bei dem Lieferanten wahrgenommen werden. Die Einkaufsstrategie umfasst deshalb Zielsetzungen für den Anteil am Umsatz, den Vorwerk beim Lieferanten innehat. Wird die obere oder untere Grenze erreicht, so muss Vorwerk dies zumindest bewusst sein. Die Einkaufsstrategie erfordert, dass Maßnahmen zur Einhaltung des vorgegebenen Umsatzanteils, sofern möglich, ergriffen werden. Dabei kann es sich um den Aufbau eines Sekundärlieferanten handeln oder um die Verlagerung zusätzlicher Beschaffungsaufträge hin zum jeweiligen Lieferanten, damit der angestrebte Mindestumsatz erreicht wird.
Hilfe zur Selbsthilfe. Wird bei einem Lieferanten Optimierungspotenzial festgestellt, so kann die Durchführung eines sogenannten Valuemanagementprojekts erfolgen. Das Ziel besteht in der ganzheitlichen Betrachtung des Beschaffungsobjekts zur Identifikation von Potenzialen. Die Analyse beschränkt sich nicht nur auf das jeweilige Beschaffungsgut, sondern es werden zusätzlich die Unternehmensprozesse des Lieferanten untersucht, die für die Herstellung der Produkte relevant sind. Dabei erfolgt beispielsweise die Betrachtung der zugehörigen Versorgungsprozesse, d. h. von der Platzierung der Bestellung beim Sublieferanten bis hin zu den damit verbundenen Zahlungsströmen des Lieferanten.
Zur Durchführung eines Value Management Projekts wird ein Team bestehend aus den Fachdisziplinen Entwicklung, Engineering, Controlling, Qualität und Einkauf von Vorwerk eingesetzt. Treiber dieser Teams ist der zuständige Materialgruppeneinkäufer des Strategischen Einkaufs. Dieses Team analysiert die Wertschöpfungskette beim Lieferanten vor Ort. Der Betrachtungsbereich erstreckt sich dabei vom Beschaffungsprozess des Lieferanten bei seinen Sublieferanten bis hin zu Logistikprozessen und der Lagerhaltung beim Lieferanten selber. Häufig kommt dazu die Methode des Wertstromdesigns zum Einsatz. Es werden die Prozessketten gemeinsam mit den Mitarbeitern des Lieferanten und dem Vorwerk-Projektteam analysiert und Verschwendung in der Wertschöpfungskette identifiziert. Brach liegende Potenziale werden im nächsten Schritt bearbeitet und die identifizierten Verbesserungspotenziale hinsichtlich Qualität und Kosten im Prozessablauf umgesetzt.
Zur systematischen Analyse der Wertschöpfungskette beim Lieferanten hat sich bei Vorwerk ein Vier-Stufen-Ansatz etabliert: Im ersten Schritt werden alle physischen Materialflüsse mit den zugehörigen Prozessschritten durch das Value Management Team beim Lieferanten vor Ort aufgenommen. Die Prozessabläufe werden dazu in gemeinsamen Workshops aufgenommen und zu einem grafischen Prozessmodell aufgearbeitet. Auf der Basis dieses Prozessmodells erfolgt im zweiten Schritt die Integration der immateriellen Verbindungen, das heißt, dass die Informationsflüsse der jeweils betrachteten Prozesskette im Diagramm abgebildet werden. Anschließend werden die Prozesskennzahlen des Ist-Zustands für die einzelnen Schritte hinzugefügt. Hier sind beispielsweise die Bearbeitungs- und Durchlaufzeit für jeden Prozessschritt zu nennen. Im vierten Schritt der Wertstromanalyse erarbeitet das Team den Soll-Zustand. Die Gegenüberstellung zwischen Soll- und Ist-Zustand bildet den Ausgangspunkt für die Maßnahmen, die für die analysierte Wertschöpfungskette zu ergreifen sind.
Der Nutzen dieser Methode hat sich im Strategischen Einkauf bei Vorwerk schon in vielen Projekten erfolgreich gezeigt: Indem Verschwendung im Sinne der Wertstromanalyse aufgedeckt und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet wurden, konnten beträchtliche Kosteneinsparung realisiert werden. Darüber hinaus baut der zuständige Einkäufer mit der Wertstromanalyse beim Lieferanten ein umfassendes Know-how über die Prozesskette und die eingesetzten Fertigungsverfahren auf. Dieses Wissen nutzt Vorwerk ebenfalls dazu mögliche Preisveränderungen aktiv und gezielt zu hinterfragen.
Vorhandene Kompetenzen nutzen. Um den Innovationsprozess mit externem Wissen zu unterstützen, veranstaltet Vorwerk mit den Lieferanten so genannte „Tech-Days“. Diese widmen sich einem bestimmten Thema und werden anhand der jeweiligen Bedarfe aus der Produkt- und Technologie-Roadmap gewählt. Ziel ist es, die Kooperation zwischen den Lieferanten und Vorwerk zu fördern. Dabei erhält der Lieferant die Gelegenheit, neue Lösungen und Ideen für aktuelle und zukünftige Herausforderungen in dem betrachteten Themenfeld zu präsentieren.
Aber nicht nur die externe Vernetzung mit Lieferanten nutzt Vorwerk dazu, seine Wettbewerbsposition zu sichern. Auch die interne Vernetzung einzelner Fachdisziplinen schafft Synergien: Dafür kommen spezielle Projekträume als Arbeitsräume bzw. Anlaufstelle zum Einsatz. „Ein Projektraum vereint die gesamte Projektorganisation unter einem Dach“, so Frank Preißner, CFO der Vorwerk Division Engineering. Dazu gehören nicht nur die Projektleitung, sondern auch Projekteinkauf und -controlling sowie Konstruktion und Anwendungstechnik sowie Marketing/Vertrieb als Fachbereiche. Der Vorteil liegt auf der Hand: Kurze Wege mit geringen Informationsverlusten und deutlich schnellerer Problemlösung. Auf den Teamgeist und die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen wirkt sich dies ausgesprochen positiv aus. Um der Bedeutung der bereichsübergreifenden Entwicklungstätigkeiten auch organisatorisch Rechnung zu tragen, erfolgt die Vorgabe von vernetzten Mitarbeiterzielen. Damit wird das Prozessdenken der beteiligten Mitarbeiter geschärft und die Motivation erhöht, das übergeordnete, gemeinsame Projektziel zu erreichen. Das Bereichsdenken wird dadurch nachhaltig reduziert.
Am Ende des Tages waren sich alle Konsortialpartner einig, der Strategische Einkauf bei Vorwerk leistet einen signifikanten Beitrag bei der Herstellung von Raumpflegeprodukten der Premiumklasse sowie der einzigartigen multifunktionalen Küchenmaschine Thermomix. Nach einem lehrreichen und diskussionsfreudigen Tag in Wuppertal waren das Fraunhofer IPT und alle Konsortialpartner übereinstimmend davon überzeugt, dass die Auszeichnung „Successful Practice in Purchasing 2011–2012“ hochverdient ist.
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