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Einkauf von Logistikleistungen – eine Aufgabe des strategischen Beschaffungsmanagements

Untersuchung der Universität Stuttgart
Einkauf von Logistikleistungen – eine Aufgabe des strategischen Beschaffungsmanagements

Einkauf von Logistikleistungen – eine Aufgabe des strategischen Beschaffungsmanagements
(Bild: khunaspix/123rf)
Kille, Schwemmer und Reichenauer (2015) schätzen den Umfang der Logistikaufwendungen in Deutschland auf 235 Mrd. Euro im Jahr 2014. Etwa die Hälfte davon entfällt auf Dienstleistungen, die von Logistikunternehmen bezogen werden. Alleine aufgrund dieses Einkaufsvolumens ist die Notwendigkeit der professionellen Beschaffung logistischer Leistungen offensichtlich. Zudem ist die Aufgabe aus dem Blickwinkel der logistischen Funktionalstrategie zu betrachten. Deshalb muss die Logistikdienstleistungsbeschaffung ein Anliegen des strategischen Beschaffungsmanagements sein.

Die Beschaffung von Logistikdienstleistungen ist mehr als die Beauftragung eines Logistikunternehmens. Sie umfasst eine Vielzahl von Handlungen, die in den Organisationseinheiten eines Unternehmens von Personen mit unterschiedlichen Berufen vollzogen werden müssen. Einige der Handlungen, wie die Durchführung von Ausschreibungen oder die Auswahl von Logistikunternehmen, können dem strategischen Einkauf zugeordnet werden. Vor allem spezialisierte Dienstleistungseinkäufer wären in der Lage, diese erfolgreich zu verrichten. Andererseits fallen Aufgaben an, die häufig dem Arbeitsgebiet von Logistikmanagern zugerechnet werden. Genannt seien die Definition von logistischen Anforderungen, die gemeinsame Planung und die Steuerung der Logistikunternehmen. Grundsätzlich könnten diese Handlungen jedoch auch im Einkauf vollzogen werden.

Ergebnisse der Untersuchung
Es stellt sich deshalb die Frage, wer die Aufgabe der Beschaffung von Logistikdienstleistungen üblicherweise erfüllt und welche beruflichen Veränderungen durch die Logistikfremdvergabe bereits eingetroffen oder zu erwarten sind. Denkbar sind dabei zwei Effekte. Zunächst ist der Wandel bestehender Berufe möglich. Wenn Logistik- oder Beschaffungsmanager die Beschaffung von Logistikdienstleistungen übernehmen, ergeben sich für sie neue Aufgaben und Anforderungen. Alternativ ist die Herausbildung völlig neuer Berufsbilder vorstellbar. So könnte sich in Industrie- und Handelsunternehmen ein neues Berufsbild des Strategischen Logistikmanagers als Manager von Logistikdienstleistungsbeziehungen herausbilden. Alternativ wäre ein neuer Beruf des Logistikdienstleistungseinkäufers im Bereich des strategischen Einkaufs denkbar.
Um die aufgeworfene Frage zu beantworten, führte der Lehrstuhl für Logistik- und Beschaffungsmanagement eine empirische Untersuchung durch (siehe Kasten). Führungskräfte und Mitarbeiter von Logistikunternehmen, die in den Vertrieb eingebunden sind, wurden zunächst über jene Organisationseinheiten befragt, denen ihre Gesprächspartner auf der Kundenseite üblicherweise angehören. Berücksichtigt wurden dabei die unterschiedlichen Phasen der Geschäftsbeziehung.
In der ersten Phase der Beschaffung von Logistikdienstleistungen wirken Logistik und Einkauf in nahezu gleichem Maße mit. Aus Sicht von 82,6 % der Befragten ist die Logistikabteilung häufig oder beinahe immer an der Definition der Anforderungen beteiligt. Der entsprechende Anteil der Einkaufsabteilung beläuft sich auf 71,8 %. Dieses Ergebnis ist plausibel, da nur diese Funktionsbereiche über die notwendige Expertise verfügen, die Ausschreibungsunterlagen zu erstellen.
Eine leicht veränderte Situation liegt in der Phase der Lieferantenauswahl und Finalentscheidung vor. Obwohl auch hier die Logistik- und Beschaffungsabteilung häufig als Gesprächspartner der Logistikunternehmen auftreten, geben etwa 20 % der Befragten an, dass die Leitungsebenen beinahe immer in den Prozess involviert sind. Es kann somit angenommen werden, dass diese Einheiten eine wichtige Rolle bei der Finalentscheidung spielen.
Die beiden bisher betrachteten Phasen zeigen eine etwa gleich große Bedeutung der Logistik- und Einkaufsabteilung auf. Diese Situation ändert sich grundlegend, wenn die Betrachtung auf die Phase nach dem Vertragsabschluss gerichtet wird. In dieser späteren und längerfristigen Beziehungsphase dominiert die Logistikabteilung. Etwa drei Viertel der Befragten gaben an, dass sie nach dem Vertragsabschluss beinahe immer im Kontakt mit der Logistikabteilung stehen. Interaktionen mit anderen Abteilungen finden sich deutlich seltener. Die Steuerung der beauftragten Logistikunternehmen scheint primär durch die Logistikabteilung zu erfolgen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Einkaufsabteilungen nicht fähig, nicht berechtigt oder nicht gewillt sind, die Aufgabe des Managements der langfristigen Beziehung zu übernehmen. Dies ist überraschend, da das langfristige Lieferantenmanagement eine zentrale Aufgabe des strategischen Beschaffungsmanagements darstellt.
Der Umfang der Einbindung organisatorischer Einheiten lässt bereits einen ersten Schluss über die Beteiligung von einzelnen Handlungsträgern zu. Allerdings wirken innerhalb einer Organisationseinheit Personen mit unterschiedlichen Funktionen und damit ausgeübten Berufen. Außerdem können Einkäufer und Logistikmanager auch außerhalb des Einkaufs bzw. der Logistik tätig sein. Deshalb ist ein genauerer Einblick auf Ebene der Einzelpersonen erforderlich. Dazu wurde im Fragebogen eine Liste mit Stellen- und Berufsbezeichnungen vorgegeben. Die Befragten wurden gebeten, das Vorhandensein dieser Stellen bei ihren Kunden zu quantifizieren.
Erwartungsgemäß existieren Bezeichnungen wie Einkaufsleiter und Logistikleiter sowie Logistikmanager und Einkäufer beinahe immer. Im Gegensatz dazu finden sich auf Dienstleistungen oder sogar Logistikdienstleistungen spezialisierte Einkäufer sehr selten. Ebenso scheinen spezialisierte strategische Logistikmanager nicht zu existieren oder erst in jüngster Zeit aufzutreten. Vermutlich werden aus diesem Grund die strategischen Aufgaben der Logistik entweder gar nicht oder durch den Logistikleiter bzw. die Logistikleiterin erfüllt.
Diese Situation beeinflusst die Kommunikationsintensität. Die wichtigste Kontaktperson, der Logistikdienstleistungsanbieter ist der Logistikleiter. Daneben bestehen Kontakte zu Logistikmanagern, Einkäufern und Einkaufsleitern.
Es ist somit eher von einem Wandel traditioneller Berufe auszugehen. Die Vertreter der Logistikunternehmen sehen einen deutlichen Wandel der Arbeitsaufgaben und der beruflichen Anforderungen von Logistikmanagern ihrer Kunden. Mehr als die Hälfte stimmt der Vermutung eines grundlegenden Wandels völlig oder weitgehend zu. Ebenso wird in begrenztem Umfang die Auffassung vertreten, Logistikmanager seien heute eher strategische Einkäufer von Logistikdienstleistungen.
Diese generelle Einschätzung schlägt sich auch in der Wahrnehmung von Qualifikationsbedarfen nieder. Obwohl die Befragten auch bei den Mitarbeitern und Führungskräften der Logistik gelegentlich Grenzen feststellen, sind nach deren Einschätzung vor allem die Mitarbeiter des Einkaufs bei der Beschaffung von Logistikdienstleistungen nicht selten überfordert. Gleiches gilt – wenn auch im leicht geringeren Umfang – für die Unternehmensleitungen der Kunden. Hieraus kann auf einen generellen Qualifikationsbedarf geschlossen werden, der im Fall des Einkaufs am deutlichsten ausgeprägt ist.
Schlussfolgerungen für den Einkauf
Während in den beiden ersten Phasen ein Zusammenwirken des Einkaufs und der Logistik üblich ist, scheint in der Beziehungsphase nach dem Vertragsabschluss die Logistikabteilung als vorherrschender Gestalter aufzutreten. Als Einzelperson steht der Logistikleiter im Mittelpunkt.
Möchte der Einkauf eine gestaltende Rolle bei der Beschaffung von Logistikdienstleistungen übernehmen, ist eine intensive Einbeziehung in allen Phasen erforderlich. Vor allem hinsichtlich des langfristigen Managements der Geschäftsbeziehungen mit Logistikunternehmen ist eine Auseinandersetzung mit der Stellung des Einkaufs nach Vertragsabschluss erforderlich.
Wollen Einkaufsabteilungen Verantwortung für die erheblichen Einkaufsvolumina übernehmen, so müssen die Qualifikationsbedarfe bestimmt und erfüllt werden. Dabei ist insbesondere zu analysieren, inwieweit die Schaffung spezialisierter Stellen für (Logistik-)Dienstleistungseinkäufer erforderlich bzw. möglich ist.

Über die Untersuchung

Im Rahmen der Untersuchung wurden Verkäufer von logistischen Dienstleistungen befragt, denn es kann angenommen werden, dass diese über eine klare Vorstellung verfügen, welche Organisationseinheiten und Individuen üblicherweise in die Beschaffung von logistischen Leistungen eingebunden sind. Neben Vertriebsmitarbeitern i.e.S. handelt es sich dabei um Mitglieder der Unternehmensleitung sowie um Leiter von regionalen Niederlassungen der Logistikunternehmen. Dieser für die Fragestellung zunächst ungewöhnlich erscheinende Ansatz, umgeht das Problem der Eingrenzung des mit der Beschaffung von Logistikdienstleistungen betrauten Personenkreises im Vorhinein, denn dieser soll mit dem Forschungsvorhaben gerade bestimmt werden. Die Befragten wurden per E-Mail gebeten, einen web-basierten Fragebogen auszufüllen. Weiterhin wurde eine Einladung zur Teilnahme bei XING eingestellt. Der Rücklauf ergab 132 für die statistische Analyse nutzbare Fälle.

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Prof. Dr. Rudolf O. Large, Universität Stuttgart
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