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Einkaufsrisiken intelligent absichern

Rohstoffbeschaffung mit Derivaten
Einkaufsrisiken intelligent absichern

Die zunehmende Unberechenbarkeit der Rohstoffkosten erfordert eine Auseinandersetzung mit den Risiken der Energie- und Rohstoffmärkte. Aktives Risikomanagement bringt hier Wettbewerbsvorteile. Derivate können helfen, Marktpreise beherrschbarer zu machen.

Signifikante Preisschwankungen an Energie- und Rohstoffmärkten zwingen viele Unternehmen zunehmend zur Optimierung ihrer Geschäftsabläufe. Einst berechenbare Rohstoffkosten sind in den letzten Jahren zu einem kaum kalkulierbaren Risiko für energie- und rohstoffintensive Betriebe geworden. Diese Entwicklung fordert von einer modernen, wertorientierten Unternehmensführung zunehmend die bewusste Auseinandersetzung mit strategischen und operativen Risiken, die aus den Rohstoffmärkten erwachsen. Wenn diese Risiken nicht gesichert werden, ist der Materialaufwand aufgrund der hohen Schwankungsbreite von Rohstoffpreisen nicht mehr planbar. Energie- und Rohstoffderivate bieten die Möglichkeit, Einkaufspreise abzusichern und leisten somit einen wichtigen Beitrag für den Geschäftserfolg des eigenen Unternehmens.

Aktives Risikomanagement. Insbesondere bei Unternehmen, deren Produktkosten zum Großteil durch den Aufwand für Material und Energie bestimmt werden, führen steigende Preise häufig zu einem Kostendruck. Dies trifft insbesondere auf Unternehmen zu, welche die gestiegenen Kosten nicht oder nur teilweise an Kunden weitergeben können. Selbst wenn steigende Rohstoffpreise Mitbewerber gleichermaßen treffen und somit das Risiko auch für andere Marktteilnehmer gegeben ist, kann ein Wettbewerbsvorteil durch ein aktives Risikomanagement erreicht werden. Dies ist beispielsweise möglich, wenn trotz steigender Beschaffungspreise die Gewinnmargen konstant gehalten werden und somit das Risikomanagement einen Beitrag zur Stabilisierung der Ertragslage leistet. Betroffen von Energie- und Rohstoffpreisrisiken sind typischerweise Unternehmen aus den Branchen Maschinenbau, Chemie, Papier, Glas, Steine und Erden, Metallerzeugung und -bearbeitung, Automobilindustrie, Transport, Lebensmittel, Elektronik, aber auch Stadtwerke, Energieversorger und Kraftwerksbetreiber. Gestiegene Kosten, verursacht durch Energie- und Rohstoffpreise, müssen entweder an Kunden weitergegeben werden oder belasten direkt das operative Ergebnis. Im ersten Fall ist mittelfristig mit einer Verschlechterung der Marktposition zu rechnen, da Wettbewerber unter Umständen günstiger anbieten können oder Kunden das Überwälzen von Preisrisiken nicht mehr akzeptieren.
Für ein Unternehmen, das seinen Kunden Produkte oder Dienstleistungen preisgünstig anbieten möchte, ist es unerlässlich, die vorhandenen Marktpreisrisiken zu beherrschen. Im Energie- und Rohstoffbereich spielen neben Marktpreisveränderungen des jeweiligen Handelsguts auch Zinsänderungs- und Währungsrisiken eine Rolle, letztere insbesondere bei Rohstoffen, die in US-Dollar fakturiert werden, wie beispielsweise Öl oder Gold. Für jedermann spürbar werden diese Risiken an der Tankstelle, wo Benzinpreise neben dem Rohölpreis auch vom Wechselkurs beeinflusst werden.
Umgang mit Preisrisiken. Absicherungen von Zins- und Währungsrisiken sind heute in vielen Unternehmen üblich. Der Absicherung von Rohstoffpreisen wird dagegen nach wie vor weniger Beachtung geschenkt. Dies überrascht umso mehr, da Rohstoffpreise bei vielen Unternehmen stärker das Unternehmensergebnis beeinflussen als Zins- und Währungsrisiken. Zudem ist die Unsicherheit aufgrund der Volatilität im Rohstoffbereich deutlich höher, wie Grafik 1 beispielhaft für das Jahr 2010 zeigt. Aufgrund der produktspezifischen Angebots- und Nachfragesituation, der begrenzten Speichermöglichkeiten dieser Ressourcen und dem Engagement spekulativer Investoren sind auch in Zukunft große Schwankungen von Energie- und Rohstoffpreisen zu erwarten. Vor diesem Hintergrund muss ein vorausschauendes und qualifiziertes Risikomanagement im Unternehmen darauf ausgerichtet sein, diese Risiken zu identifizieren, zu bewerten, zu steuern und zu überwachen. Der professionelle Umgang mit Chancen und Risiken der Energie- und Rohstoffmärkte hat unmittelbar Einfluss auf den Unternehmenserfolg und letztlich auf den Wert eines Unternehmens. Steigende Transparenz führt dazu, dass sowohl Investoren als auch Verbraucher in Zukunft weniger bereit sind, Schwankungen aufgrund von Rohstoffpreisveränderungen zu akzeptieren. Dies verlangt von der Unternehmensführung zunehmend ein aktives Risikomanagement. Diverse Sicherungsinstrumente ermöglichen es, Preisrisiken kalkulierbar zu machen und vorhandene Risiken unternehmensspezifisch abzusichern. Derivative Finanzinstrumente, die heute auf eine Vielzahl von Produkten erhältlich sind, bieten die Möglichkeit, schnell und flexibel auf Marktpreisveränderungen reagieren zu können.
Warentermingeschäfte. Unter Termingeschäften werden Geschäfte über den Kauf bzw. den Verkauf von Gütern verstanden, die nicht unmittelbar nach Abschluss (Spot- oder Kassageschäft), sondern zu einem zukünftigen Zeitpunkt erfüllt werden. Es handelt sich hierbei um Verträge, in denen die Vertragsparteien vereinbaren, einen oder mehrere Vertragsgegenstände zu festgelegten Bedingungen in der Zukunft zu kaufen, zu verkaufen oder zu tauschen beziehungsweise alternativ Wertausgleichszahlungen zu leisten. In der Regel geschieht dies mittels Derivaten, deren Preisentwicklung an bestimmte Preisveröffentlichungen oder Indices gekoppelt ist. In der Energiewirtschaft zählen hierzu beispielsweise die Ölnotierungen an der Intercontinental Exchange (ICE), die Strompreise an der European Energy Exchange (EEX), die Heizöl-Notierungen des Statistischen Bundesamtes oder auch die von Platts veröffentlichten Notierungen für Gasoil oder Fueloil sowie von Heren für Erdgas an den Handelspunkten Title Transfer Facility (TTF) oder Net Connect Germany (NCG). Bei Buntmetallen und Stahl finden sich häufig Indexierungen an die Preise der London Metal Exchange (LME). Generell kann zwischen bedingten und unbedingten Termingeschäften unterschieden werden.
Grafik 2 zeigt die im Rohstoffmarkt gängigsten Derivate sowie deren Handelsplätze (Börse oder bilateral Over-the-Counter OTC). Bei unbedingten Termingeschäften werden bei Abschluss des Geschäftes sowohl die Menge als auch der Preis für einen vereinbarten zukünftigen Zeitpunkt zwischen den Vertragsparteien festgelegt. Beide Parteien sind an die Vereinbarung gebunden und müssen zwingend ihren Verpflichtungen nachkommen. Bei dieser Art von Termingeschäften sind die Chancen und Risiken symmetrisch verteilt, weshalb keine der Parteien eine Prämie zu leisten hat. Hierzu zählen Future-Kontrakte, Forwards und Swaps.
Bei bedingten Termingeschäften hingegen handelt es sich um Optionen, die ein einseitiges Wahlrecht auf Erfüllung beinhalten. Bei Abschluss des Geschäftes wird der Marktpreis festgelegt, bei dem der Optionskäufer das Wahlrecht hat, sein gegen eine Prämie erworbenes Wahlrecht, auszuüben (der so genannte Strike-Preis). Im Rohstoffbereich werden Kaufoptionen (Calls) als Caps und Verkaufsoptionen (Puts) als Floors bezeichnet. Die Begrifflichkeiten lehnen sich dabei an ihre Wirkungsweise an. Der Käufer eines Caps sichert sich gegen Zahlung der Optionsprämie einen maximalen Preis, der Käufer eines Floors sichert sich gegen sinkende Preise ab und realisiert somit eine Preisuntergrenze. Ein Collar ist eine Kombination aus beiden.
Der Einsatz von Derivaten ermöglicht Planungssicherheit, Preisober- bzw. untergrenzen, und die Erhöhung der Flexibilität bei Marktpreisveränderungen. Der physische Bedarf kann dabei jederzeit auch in Teilmengen preislich gesichert werden. Bei einer veränderten Markteinschätzung kann eine Sicherung auch wieder aufgelöst werden. Da für die Zukunft die meisten Faktoren weiterhin auf volatile Energie- und Rohstoffpreise hindeuten, wird auch das aktive Risikomanagement und somit der Einsatz von finanziellen Sicherungsinstrumenten weiter an Bedeutung gewinnen.
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