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Digitalisierung umsetzen: Einkaufswebseiten vs.Lieferantenportale

Digitalisierung pragmatisch umsetzen
Einkaufswebseiten versus Lieferantenportale

Noch immer sind die Themen „Digitalisierung“ und „Einkauf 4.0“ vielfach diskutiert. Doch mittlerweile wird verstärkt die Frage nach der Umsetzung in den Vordergrund gestellt. Dieser Beitrag stellt mit Einkaufswebseiten und Lieferantenportalen zwei Instrumente vor, die einen konkreten ersten Beitrag zur Digitalisierung im Einkauf leisten können.

Was findet dieser Tage nicht alles auf den „Roadmaps“ und in „Digitalisierungsstrategien“ der Unternehmen oder Einkaufsabteilungen an Maßnahmen Platz. Da werden autonome Bestellprozesse oder Echtzeit-Analysen in Verhandlungen beschworen. Doch so wichtig langfristige Entwicklungspläne sind – für eine Umsetzung fehlen vielfach noch die Voraussetzungen. Zu wenig Ressourcen, technologische Defizite oder schlicht noch Kompetenzlücken sind hier die häufigsten Herausforderungen.

Dabei gibt es andererseits schon zahlreiche Bereiche, in denen Digitalisierungsmaßnahmen relativ leicht umsetzbar – und dabei bei entsprechender Ausgestaltung auch für zukünftige Entwicklungen gerüstet sind. Die Basis könnte nach wie vor eine Strategie „Einkauf 4.0“ bilden. Doch solche Strategien müssen auch in pragmatischen Einzelmaßnahmen konkretisiert werden. Themenfelder, die hierfür infrage kommen, sind zum Beispiel Lieferantenmanagement bzw. Beschaffungsmarketing. Hier stehen mit Einkaufswebseiten und – in der Weiterentwicklung – Lieferantenportalen relativ kurzfristig implementierbare Instrumente zur Verfügung, die die Kommunikation bzw. Kollaboration mit Lieferanten unter Nutzung moderner digitaler Technologien unterstützen können.

Als „Einkaufswebseite“ ist dabei eine unternehmensbezogene Internetpräsenz gemeint, die spezifisch beschaffungsrelevante Inhalte darstellt. Diese wird typischerweise in die Webseite des Gesamtunternehmens als eigener Bereich integriert, kann aber auch mit eigener WWW-Adresse erfolgen. Die Informationen sind dabei frei für bestehende und potenzielle Lieferanten abrufbar. Dementsprechend sind diese eher allgemein, grundlegend und nichtvertraulich. Gängige Themenfelder sind beispielsweise:

  • Allgemeine Grundsätze und Prinzipien der Einkaufsausrichtung, z. B. bezüglich Innovation, Nachhaltigkeit oder Compliance
  • Überblick über typische Bedarfe bzw. benötigte Warengruppen
  • Basisdokumente, z. B. Allgemeine Einkaufsbedingungen

Der Fokus liegt hier offensichtlich auf einseitiger Vermittlung eher statischer Informationen. Dennoch liegen in der Einkaufswebseite zahlreiche Vorteile. So darf der generelle Werbeeffekt der offenen Ansprache von gerade internationalen oder kleineren Lieferanten nicht unterschätzt werden. Auch wird die eigenständige Positionierung des Einkaufs als Schnittstelle des Unternehmens zu den Beschaffungsmärkten gestärkt. Weiterhin kann eine Kanalisierung der Informationen, und somit eine gewisse Entlastung, im Beschaffungsprozess erreicht werden. Dabei gilt, dass eine Webseite relativ leicht umzusetzen und beiderseits nahezu aufwandsfrei genutzt werden kann. Die für viele elektronische Lösungen erforderliche, technisch aufwendige Anbindung entfällt.

Zusätzliche Funktionalitäten für Einkauf 4.0

Um dennoch dem Anspruch an einen modernen Einkauf 4.0 nach Vernetzung, Echtzeitkommunikation und Intelligenz gerecht zu werden, sollte die Bereitstellung zusätzlicher Funktionalitäten geprüft werden. Dies könnte beispielsweise umfassen:

  • Bereitstellung persönlicher Kontaktmöglichkeiten zu Lieferantenmanagern
  • Nutzung sozialer Medienkanäle, die eine direkte Interaktion zwischen Lieferant und Einkauf ermöglichen (z. B. Facebook-Präsenz, oder Twitter-Account)
  • Darstellung aktuell laufender Ausschreibungen, ggf. mit weiterführenden Links
  • Analytische Auswertung des Nutzungsverhaltens der Webseite zur Optimierung der Lieferantenansprache, ggf. auch Suchmaschinen-Optimierung (SEO)

Doch selbst bei Berücksichtigung dieser Ergänzungen bleibt die Einkaufswebseite in ihrer Gesamtfunktionalität und damit dem Nutzen zur Einkaufsunterstützung begrenzt. Hier können Lieferantenportale eine Brücke schlagen, von der aktiven Lieferantenansprache hin zu deren effektiven Integration in das beschaffende Unternehmen.

Von Lieferantenportalen (auch: „Extranet“ oder „SRM-Portal“) spricht man, wenn Lieferanten spezifische Aspekte der Beziehung sowie des Einkaufsprozesses zum beschaffenden Unternehmen mittels eines webbasierten, beschränkten Zugangs nutzen bzw. bearbeiten können. Auf Seite des beschaffenden Unternehmens erfolgt eine Weiterverarbeitung in den unternehmenseigenen Systemen.

Im Gegensatz zur Einkaufswebseite stehen hier spezifische, vertrauliche Informationen zur direkten Lieferanten-Abnehmer-Beziehung, ggf. mit Bezug zum unmittelbaren Beschaffungsprozess im Vordergrund. Zudem kann der Lieferant auch aktiv Informationen bereitstellen und ist nicht nur Informationsempfänger. Typische Funktionalitäten umfassen dabei unter anderem:

  • Verwaltung allgemeiner Lieferanteninformationen (z. B. Stammdaten, Lieferantenselbstauskunft)
  • Vertragsmanagement (z. B. Dokumentenpflege von Zertifizierungen)
  • Selbstständige Pflege von Transaktionsdaten (z. B. Katalogsortimente)
  • Übermittlung spezifischer Informationen (z. B. Lieferantenmitteilungen)

Kernziel ist also, den Lieferanten spezifisch in den Informationsaustausch einzubinden und ggf. auch entsprechende administrative Aufgaben an Lieferanten zu delegieren. Doch auch hier sind durch die Digitalisierung Anspruch und Möglichkeiten deutlich gestiegen. Portale werden nicht mehr nur zur Unterstützung eher administrativer Aufgaben genutzt, sondern als „One Stop Shop“ für den gesamten Beschaffungsprozess, soweit dieser die Integration des Lieferanten erfordert. Diskutiert wird dabei eine Ausweitung auf strategische, taktische und operative Einkaufstätigkeiten:

  • Anbindung an Ausschreibungsplattform und/oder Zugang zu Auktionen
  • Überwachung Auftragsabwicklung und -steuerung (z. B. durch ERP-Integration)
  • Unterstützung Lieferantenmanagement (z. B. durch Bereitstellung von Bewertungsinformationen)
  • Integration in Innovationsprozesse
    (z. B. Datenaustausch in Entwicklungsprojekten)

Die direkte Systemintegration vielfältiger Tätigkeiten soll dabei die Datenqualität und Transparenz steigern, Abläufe vereinfachen und so die Effizienz und Effektivität des Einkaufs erhöhen. Der genaue Umfang sollte jedoch kritisch abgewogen werden. Die potenziell deutlich erweiterten Funktionalitäten müssen nämlich durch ebenso deutlich erhöhte Aufwände für Einführung und ggf. Pflege der Systeme buchstäblich „erkauft“ werden. Gerade die gewünschte Vernetzung von Daten ist technisch oft komplex und trifft in der Praxis bisweilen auf unvorhergesehene Herausforderungen. Zudem müssen auch die Lieferanten für die Nutzung des Portals gewonnen und ggf. geschult werden.

Ohne Fleiß …

So stellt sich die Frage nach der Einführung eines Lieferantenportals auch in Abhängigkeit von den vorhandenen Ressourcen. Für größere Unternehmen und solche in Industrien mit bereits hoher Einkaufs-Professionalisierung sind die Einführungs- und Pflegeaufwände unter Umständen leichter abzubilden. Zudem kommen Prozesseffizienzen aufgrund der Skaleneffekte schneller zum Tragen. Doch auch kleinere Unternehmen können auf Basis von Cloud-Lösungen einigermaßen leicht auf standardisierte Portalumfänge als extern betriebenem Service zurückgreifen. Für beide Unternehmenstypen besteht zudem in den Einkaufswebseiten eine einfache Möglichkeit, die webbasierte Lieferantenkommunikation in einem ersten, relativ einfachen Schritt zu verbessern.

Reifeprozess stufenweise

So lässt sich, in Rückgriff auf etablierte Modelle der Beschaffungs-Digitalisierung und Einkauf 4.0, die Einführung von Einkaufswebseiten und Lieferantenportalen als stufenweisen „Reifeprozess“ verstehen. Die Einrichtung einer Einkaufswebseite mit grundlegenden Funktionalitäten kann bei Bewährung mit entsprechenden, interaktiven Elementen ergänzt werden. Die Einführung eines administrativ ausgerichteten Lieferantenportals bildet dann die nächste Stufe, die dann sukzessive in zusätzliche Aufgabenbereiche des Einkaufs ausgeweitet werden kann. Sogar eine Integration in logistische Abwicklung bzw. Supply Chain ist denkbar. Ein so integriertes SRM-Portal stellt die höchste Entwicklungsstufe dieses Anwendungsbereichs dar.

Pragmatisch handeln

Damit wird klar, dass Einkaufswebseiten und Lieferantenportale zwei attraktive Instrumente der Digitalisierung darstellen, deren Umfang und Relevanz sukzessive zu steigern ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Konzepten des „Einkauf 4.0“ stehen für die Umsetzung auch die erforderlichen Technologien bereits etabliert zur Verfügung. Kritik, bei den Instrumenten handele es sich um „alte“ Ansätze aus Zeiten des E-Procurement, kann leicht begegnet werden. Zum einen, weil Digitalisierung eben nicht nur ein Hype sein soll, sondern eine konkrete Umsetzung auch entsprechend greifbare Maßnahmen erfordert. Zum anderen wurde aufgezeigt, wie durch Webseiten und Portale eine erhöhte Vernetzung auf strategischer und operativer Ebene, Intelligenz in autonom ablaufenden Prozessen sowie Echtzeitkommunikation möglich wird. Die Empfehlung lautet daher, keine dogmatischen Diskussionen zu führen, sondern die kurzfristige Umsetzbarkeit der beiden Maßnahmen als Initialzündung zu nutzen. Denn eines ist klar: Einkauf 4.0 wird nur Realität, wenn auch kleinere Beiträge dazu herangezogen werden!


Die Autorin und Autoren

Prof. Dr. Florian C. Kleemann ist Professor für Supply Chain Management, insbesondere Beschaffung, an der Hochschule München. Zusätzlich forscht er und berät Unternehmen im Themengebiet „Digitalisierung“. Sein Buch „Einkauf 4.0“ ist 2017 im Springer-Verlag erschienen.

Lisa Schmidt-Berschet ist Betriebswirtin und Absolventin der Hochschule München im Bereich Supply Chain Management sowie Einkauf & Beschaffungsmanagement.

Florian R. Eineder ist nach verschiedenen Stationen in Industrie und Beratung seit 2018 Leiter Einkauf der Privatbrauerei Erdinger Weißbräu Werner Brombach GmbH.


Prof. Dr. Florian C. Kleemann,

Professor für Supply Chain Management, insbesondere Beschaffung, an der Hochschule München

Sein Buch „Einkauf 4.0“ ist 2017 im Springer-Verlag erschienen.


Lisa Schmidt-Berschet,

Betriebswirtin und Absolventin der Hochschule München im Bereich

Supply Chain Management sowie
Einkauf & Beschaffungsmanagement


Florian R. Eineder,

nach verschiedenen Stationen in Industrie und Beratung seit 2018
Leiter Einkauf der Privatbrauerei Erdinger Weißbräu Werner Brombach

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