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„Es gilt, die Lieferanten auf den Weg der Transformation mitzunehmen“

Barbara Frenkel, Mitglied des Vorstands Beschaffung, Porsche AG
„Es gilt, die Lieferanten auf den Weg der Transformation mitzunehmen“

„Es gilt, die Lieferanten auf den Weg der Transformation mitzunehmen“
Barbara Frenkel ist Mitglied des Porsche-Vorstandes und leitet seit Juni 2021 das Ressort Beschaffung. Bild: Porsche
Für ambitionierte junge Menschen ist sie ein Vorbild: Barbara Frenkel hat es als erste Frau in den Vorstand des Stuttgarter Autobauers geschafft. Wer sie erlebt, erkennt, dass Porsche keine bessere Markenbotschafterin hätte finden können. Bei der Weltpremiere des neuen Formel-E-Porsches 99X Electric Gen3 heißt es, darin stecke „viel Arbeit, Erfahrung, Leidenschaft und Herzblut“. Das kann man auch von der Einkaufschefin sagen.

Beschaffung aktuell: Frau Frenkel, Ihr Einstieg als CPO war bestimmt nicht einfach. Sie sind mitten in der Pandemie mit allen darauffolgenden Problemen gestartet. Wie haben Sie sich in die neue Aufgabe eingefunden?

Barbara Frenkel: Für mich ist das ein Traumjob. Es macht wahnsinnig viel Spaß. Ich bin auf ein großartiges, vielfältiges Team getroffen. Es ist erfahren und arbeitet sehr professionell. Klar ist: Wir befinden uns in einer anspruchsvollen Zeit. Ich habe mein Amt inmitten der Corona-Krise angetreten. Dazu kam die Halbleiterknappheit. Der Krieg in der Ukraine stellt uns vor besondere Herausforderungen. Die Folgen werden uns noch lange beschäftigen. Und in China merken wir, dass die Corona-Pandemie noch nicht vorbei ist. Dort kommt es immer wieder zu temporären Unterbrechungen von Lieferketten. Aber in jeder Krise gibt es Chancen. Darauf konzentriere ich mich.

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Bei der Weltpremiere des Formel-E-Rennwagens 99X Electric Gen3 im Porsche Experience Center Franciacorta/Italien beantwortete Barbara Frenkel die Fragen unserer Redakteurin Sabine Schulz-Rohde (l.).
Bild: Porsche

Sehen Sie sich eher als Einkaufsleiterin oder als Teamleiterin?

Frenkel: Ich bin beides. Aktuell ist meine wichtigste Aufgabe, den Kompass auszurichten und Ziele klar zu formulieren. Es gilt, die aktuellen Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen, die richtigen Strategien aufzusetzen. Und die Teams zusammenzustellen, die auf dem Spielfeld unsere Pläne umsetzen. Parallel haben wir natürlich auch unser alltägliches Beschaffungsgeschäft zu bewältigen. Etwa mit neuen Fahrzeugprojekten, bei denen wir Aufträge vergeben und Innovationen unserer Partner in unsere Fahrzeuge bringen. Mich interessieren die Technologien. Wann immer es geht, bin ich im direkten Kontakt mit den Lieferanten. Mein Team und ich treffen Entscheidungen für die Zukunft.

Sie sind eher Technikerin als Betriebswirtschaftlerin?

Frenkel: Ich komme aus einer motorbegeisterten Familie. Seit ich 16 Jahre alt bin, faszinieren mich Autos. Ich habe auch selbst an Autos geschraubt. Mein erstes Fahrzeug war ein Golf 1. Da habe ich die Bremsen und die Kupplung gewechselt und den durchgerosteten Kotflügel gespachtelt und lackiert. Mich hat schon immer interessiert, wie etwas funktioniert, wie die einzelnen Teile zusammenspielen. Und jetzt bin ich in der Beschaffung. Die Faszination für Technik war immer da, auch im privaten Umfeld.

Sie haben die Aufgabe von Uwe-Karsten Städter übernommen, der zuvor 10 Jahre lang die Beschaffung geleitet hat. Gab es Probleme, weil sie selbst nicht aus dem Einkauf kamen?

Frenkel: Ich bin seit 2001 bei Porsche, war zuletzt Europa-Chefin im Vertrieb. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen mich seit vielen Jahren. Ich weiß, wie wir Herausforderungen angehen und mit welchen Strategien wir erfolgreich sind. Bevor ich zu Porsche kam, habe ich in der Zuliefererindustrie gearbeitet. Dort war ich unter anderem mit Beschaffung, Produktion und Lieferantenentwicklung befasst. Die Zusammenarbeit von Lieferanten und Herstellern kenne ich also von beiden Seiten. Das ist enorm hilfreich.

Seit Ihrem Einstieg bei Porsche vor 21 Jahren im Qualitätsmanagement haben Sie in unterschiedlichen Verantwortungsbereichen viele in dem Unternehmen überzeugt – bis in den Vorstand hinein.

Frenkel: Ich habe in den vergangenen 20 Jahren viel Erfahrung im Unternehmen sammeln dürfen. Als ich zu Porsche ins Qualitätsmanagement kam, ging es in einem meiner ersten Projekte darum, eine neue Methode einzusetzen. Dabei sollten schon in der Entwicklungsphase des Fahrzeugs die richtigen Meilensteine definiert werden, damit die Teile vom Lieferanten „on-Time“, „on-Budget“ und mit der spezifizierten Qualität bei uns ankommen. In dieser Zeit hatte ich viel mit den Porsche-Lieferanten und unserer Beschaffung zu tun. Natürlich hat sich in der Zwischenzeit einiges weiterentwickelt. Die Porsche-Beschaffung leistet einen echten Wertbeitrag, bringt Innovationen ins Unternehmen. Das geht nur, wenn wir gemeinsam mit den Lieferanten den Entstehungsprozess begleiten. Ganz wichtig dabei: Die enge Zusammenarbeit mit der Entwicklung. Nur so finden wir die besten Lösungen für das Unternehmen. Auch die Abstimmung mit der Produktion ist essenziell. Fahrzeuge bauen ist mehr denn je ein Teamsport, der Flexibilität verlangt: Wir müssen gemeinsam damit umgehen, dass nicht alles jeden Tag nach Plan laufen kann. Deshalb sind wir im ständigen Austausch.

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Barbara Frenkel ist Mitglied des Porsche-Vorstandes und leitet seit Juni 2021 das Ressort Beschaffung: »Wir müssen gemeinsam damit umgehen, dass nicht alles jeden Tag nach Plan laufen kann.«
Bild: Porsche

Wo werden Ihre Akzente liegen? Was wollen Sie anders machen?

Frenkel: Ich habe die Verantwortung für die Beschaffung in einer neuen Zeit übernommen. Wir sind mitten in der Transformation zur Elektromobilität. Wir haben den Taycan, unseren ersten vollelektrischen Sportwagen, erfolgreich auf die Straße gebracht. Das zeigt, dass wir mit der Elektrifizierung den richtigen Zeitpunkt gewählt haben. Jetzt folgen weitere Baureihen. Damit verändert sich unsere Lieferantenbasis. Es gilt, die Lieferanten auf den Weg der Transformation mitzunehmen. Das ist eine wichtige Aufgabe.

Ein großes Ziel ist auch, unsere Lieferketten resilienter aufzustellen. Das haben wir beispielsweise bei den Halbleitern schon gut geschafft.

Ganz besonders am Herzen liegt mir das Thema Nachhaltigkeit: Wir haben uns bereits damit beschäftigt, als es noch keine regulatorischen Vorschriften wie das Lieferkettengesetz gab. Einfach, weil wir davon überzeugt sind und es gut zu Porsche passt. Wir sind ein Fahrzeughersteller im Luxussegment, dazu gehört Nachhaltigkeit. Und das im ganzheitlichen Sinne – ökologisch, ökonomisch und sozial.

Ein Großteil der CO2-Emissionen bei Elektrofahrzeugen kommt aus der Lieferkette, entsteht vor allem bei der Batterieherstellung. Deshalb fragen wir uns: Wie können wir dort zusammen mit unseren Partnern nachhaltiger werden? Das ist eine spannende Aufgabe.

Last but not least beschäftigen wir uns mit der Digitalisierung. In der Beschaffung arbeiten wir mit großen Datenmengen. Die Transparenz in der Lieferkette verbessern wir mit künstlicher Intelligenz und cleveren Software-Tools. Ich denke es wird deutlich: Es gibt viel zu tun!

Wie weit sind Sie bei der Digitalisierung der Lieferkettentransparenz?

Frenkel: Es ist ein langer Weg zur Lieferkettentransparenz. Wir haben bei Porsche rund 7000 direkte Lieferanten und eine Vielzahl an Unterlieferanten in der Kette. Das ist wie beim Bergsteigen. Sie gehen nicht in einem Zug auf den Achttausender, sondern legen Zwischenstationen ein.

Die erste Zwischenstation war die digitale Abbildung der Lieferketten unserer wichtigsten Tier-1-Lieferanten. Wir arbeiten dabei mit dem IT-Tool ‚Riskmethods‘. Mit dieser Software bekommen wir tagesaktuell Informationen, wenn es irgendwo auf der Welt in unserer Lieferkette ein Risiko gibt. Damit können unsere Beschaffer dem Hinweis nachgehen und Kontakt aufnehmen – manchmal sogar, bevor die Lieferanten informiert sind. Das funktioniert gut.

Zusätzlich arbeiten wir mit dem Startup ‚Prewave‘ zusammen. Mithilfe von künstlicher Intelligenz haben wir über 4000 Lieferanten im Blick. Auch dort beobachten wir die Nachrichtenlage, um proaktiv potenzielle Nachhaltigkeitsrisiken zu identifizieren.

Warum fahren Sie zweigleisig?

Frenkel: Beide Tools haben unterschiedliche Schwerpunkte. Wir wollen die Modellierung der Lieferketten nicht nur für uns allein machen, sondern auch unseren Lieferanten zur Verfügung stellen. Am besten funktioniert das, wenn man die Systeme permanent mit Daten befüllt. Hier gehen wir Hand in Hand mit unseren direkten Lieferanten: Sie müssen in der Datentransparenz einen Vorteil erkennen. Perspektivisch möchten wir die n-Tier-Kette bis in die tiefsten Stufen modellieren. Bei unseren priorisierten Bauteilen sind wir dabei bereits auf einem guten Weg.

Sprechen Sie in Ihren Nachhaltigkeitsdialogen mit den Lieferanten auch kritische Rohstoffe an?

Frenkel: Absolut! Unsere Nachhaltigkeitsdialoge muss man sich als Kreativ-Workshops vorstellen. Das ist ein partnerschaftliches Gespräch. Wir klären gemeinsam, an welchen Stellen wir die Nachhaltigkeit ganzheitlich verbessern können. Einerseits: Wo kann man dekarbonisieren? Andererseits: Wo könnte es Risiken bezüglich ethischer und sozialer Arbeitsbedingungen geben, und wie sind sie beherrschbar?

Im Ergebnis identifizieren wir manchmal Chancen, die wir aber nicht sofort umsetzen können. Zum Beispiel, wenn wir erst neue Partnerprojekte oder Materialien einführen müssen. In anderen Fällen gelangen wir zur Erkenntnis, dass die Lieferkette anders aufgesetzt werden müsste. Auch dafür suchen wir mit unseren Lieferanten nach Lösungen.

Stichwort Nachhaltigkeit in der Lieferkette. Der beste Transport ist der, der eigentlich gar nicht stattfindet. Heißt das, dass Sie langfristig von dem Just-in-Time-/Just-in-Sequenz-Prinzip abweichen?

Frenkel: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Einerseits wollen wir die Lieferketten verkürzen und die Transporte so weit wie möglich reduzieren. Das verringert den CO2-Fußabdruck und die Risiken bei einer langen Lieferkette über mehrere Länder und Kontinente hinweg.

Andererseits haben unsere Kunden die Möglichkeit, ihre Fahrzeuge stark zu individualisieren. Kaum ein Porsche ist gleich. Das bedeutet eine hohe Varianz in unserer Produktion. Dafür bekommen wir passgenau die richtigen Teile direkt ans Band geliefert. Zusammengefasst heißt das: Um die Traumautos unserer Kunden zu bauen, müssen wir den Sweet Spot finden. Der liegt zwischen kurzen Lieferketten und einer möglichst hohen Flexibilität für die Produktion.

Wie wollen Sie das erreichen?

Frenkel: Diese optimierten Lieferketten existieren bereits. Ein Beispiel: Für den Taycan konnten wir einen Lieferanten gewinnen, der wenige Kilometer von unserem Stammwerk in Zuffenhausen eine Hochvolt-Batteriemontage aufgebaut hat. Damit haben wir kurze Wege, die Batterie kommt just-in-time.

Bei der Vergabe neuer Aufträge schauen wir genau hin, wo die Teile herkommen. Wir wollen auch bei neuen Lieferanten zu einem früheren Zeitpunkt die tiefere Lieferkette kennen. Diese Transparenz ist wichtig!

Es kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Die Versorgungssicherheit – gerade auch im Krisenfall. Auch hier gibt es nicht nur die eine Lösung. Wir fragen uns bei jedem Bauteil: Können wir einen gewissen Lagerbestand aufbauen, der Sicherheit gibt? Oder setzen wir besser auf eine Zwei-Standorte-Strategie?

Wie haben Sie das Problem mit Ihren ukrainischen Lieferanten gelöst?

Frenkel: Zu Beginn des Krieges haben wir gemeinsam mit unseren Partnern die Anlagen und Werkzeuge der ukrainischen Lieferanten dupliziert. Die Produktionsstätten haben wir dann in anderen Ländern aufgebaut. Wir beziehen aber weiter den Großteil der Teile aus der Ukraine. Das sind wir den Menschen dort schuldig, die einen großartigen Job machen. Für sie wollen wir vor Ort eine Zukunftsperspektive bieten. Auf der anderen Seite haben wir mit den duplizierten Standorten nun Alternativen. Sollte es zu Unterbrechungen in der ukrainischen Lieferkette kommen, können wir kurzfristig umdisponieren, um unsere Fertigung aufrechtzuerhalten. Unsere soziale Verantwortung nehmen wir auch an den deutschen Standorten ernst: Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter Beschäftigung haben, die Lieferanten kontinuierlich arbeiten können. Deswegen haben wir sehr bewusst auf diese Zwei-Standorte-Strategie gesetzt.

Das hat sich auch in der Halbleiterknappheit bewährt. Bei kritischen Halbleiterkomponenten haben wir inzwischen bewusst einen zweiten Halbleiter freigegeben. Damit können wir bei Bedarf ein Alternativbauteil einsetzen.

Das ist Luxus…

Frenkel: Früher reichte ein Vertrag mit einem Lieferanten, der die Teile-Versorgung sicherstellte. In den vergangenen zwei Jahren haben wir gelernt, dass wir so nicht mehr uneingeschränkt weitermachen können. Deswegen gilt es jetzt, die Lieferketten noch robuster aufzustellen.

Kostet dadurch das Endprodukt auch mehr oder kostet die Sicherheit Ihre Margen?

Frenkel: Auch das lässt sich nicht pauschal beantworten. Entstehen beispielsweise Kosten, weil wir nicht das kostengünstigste Bauteil auswählen oder bewusst keine Ein-Lieferantenstrategie fahren, müssen wir dies kompensieren. Das machen wir – so gut es geht – durch Verbesserungen in unseren Prozessen. Reden wir aber über steigende Kosten bei Energie, Materialien oder Löhnen, sprechen wir mit unseren Partnern, wie wir zusammen noch effizienter werden. Das kann man sich wie in einer Beziehung im Privatleben vorstellen: Es gilt gemeinsame Lösungen zu finden – in guten wie in schlechten Zeiten.

Ist der 3D-Druck für technischen Bauteile eine Option für Porsche?

Frenkel: Wir nutzen die additive Fertigungstechnik schon seit vielen Jahren für besondere Einsätze. Im Prototypenbau können wir mit dem 3D-Druck Bauteile schnell produzieren und verschiedene Konzepte testen. Etwa Komponenten mit neuen Geometrien herstellen, die in einem Gussteil so nicht formbar sind. Damit können wir etwa neue Kühlungen ausprobieren oder auch andere Materialien. Es gibt ein schönes Beispiel aus unserem Motorenbau: Für einen 911 GT2 RS haben wir die Kolben im so genannten Laser-Metall-Fusion-Verfahren aus hochreinem Metallpulver gedruckt. Diese sind zehn Prozent leichter als die serienmäßigen Schmiede-Kolben. Zudem verfügen sie über einen integrierten und geschlossenen Kühlkanal im Kolbenboden, der mit herkömmlichen Verfahren nicht herstellbar gewesen wäre. Durch somit höhere Motordrehzahlen bei niedrigerer Temperaturbelastung wird die Verbrennung optimiert. Dadurch sind bis zu 30 PS mehr Leistung aus dem 700 PS starken Biturbo-Motor denkbar – und das bei höherer Effizienz.

Wir nutzen die additive Fertigungstechnik auch für unsere Klassik-Fahrzeuge. Dazu muss man wissen, dass viele Porsche-Fahrzeuge zum Teil mehrere Jahrzehnte auf der Straße sind. Da werden Bauteile angefordert, die schlicht nicht mehr hergestellt werden. Diese seltenen Teile lassen wir ebenfalls heute schon im 3D-Druck herstellen.

 Wäre das nicht auch für Teile Ihrer Klein-Serien zukünftig eine interessante Alternative?

Frenkel: Für unsere aktuellen Baureihen ist das noch keine Option. Allerdings beobachten wir diese – auch wirtschaftlich wettbewerbsfähige – Technologie mit großem Interesse. So bietet 3D-Druck auch bei der Individualisierung spannende Möglichkeiten.

Wie ist der Einkauf in die Produktentstehungsprozesse eingebunden?

Frenkel: Sehr eng. Unsere Beschaffer arbeiten ab der frühen Phase entlang des Produktentstehungsprozesses (PEP) mit den Entwicklern und allen relevanten Fachbereichen zusammen. Deren Ziel ist es, gemeinsam Lösungen und Partner zu finden, um Innovationen und clevere Konzepte in unsere Fahrzeuge einzubringen. Diese holen wir dann über das so genannte Forward Sourcing ins Unternehmen.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Einsatz der Halbleiter: Wir haben durch unsere direkten Gespräche mit den Chipherstellern in der Beschaffung Know-how und unser Netzwerk ausgebaut. Dadurch konnten wir neue Impulse in die Entwicklung bringen. Hierbei sind kurze Wege hilfreich. Deshalb sitzt die Beschaffung auch in Weissach – Tür an Tür mit Forschung und Entwicklung. Mein Vorstandskollege Michael Steiner und ich haben hier unser Büro.

Wie lässt sich der Beitrag des Einkaufs an der Innovation eines Unternehmens messen? Haben Sie hierfür die richtigen KPI?

Frenkel: Die Beschaffung leistet hier einen vielfältigen Beitrag. Den kann man nicht mit nur einem KPI abdecken. Uns ist wichtig, dass es einen regelmäßigen Austausch mit den Lieferanten gibt. Dass sie zu uns kommen, ihre Innovationen präsentieren. Wir nehmen uns vor, jedes Jahr eine bestimmte Anzahl an Konzept-Workshops mit den Lieferanten zu machen und dort Impulse aufzunehmen.

Gibt es Zielwerte zur Messung des Erfolgsanteils an der Nachhaltigkeit?

Frenkel: Beim Thema Nachhaltigkeit betrachten wir ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Zum Beispiel haben wir bei wesentlichen Bauteilen für aktuelle Fahrzeugprojekte individuelle Dekarbonisierungsziele festgelegt. Jedes Bauteil soll dadurch CO2– effizienter werden als sein Vorgänger.

In Zukunft werden wir auch den Recycling-Anteil in den Fahrzeugen weiter erhöhen. Wir wollen bereits verwendetes Material noch stärker in den Kreislauf zurückholen. Dazu gibt es Zielwerte.

Seit 2021 fordern wir von den Serienlieferanten für neue Fahrzeugprojekte, unsere Produkte mit erneuerbaren Energien herzustellen. Ich bin froh, dass wir alle motivieren konnten, mit uns auf diese grüne Reise zu gehen. Insbesondere bei der energieintensiven Batterie-Produktion ist das ein Asset.

Schon vor einigen Jahren haben wir unser sogenanntes S-Rating eingeführt. Damit sind direkte Lieferanten nur dann vergabefähig, wenn sie unsere Nachhaltigkeitsanforderungen bestätigen. Mit Sicherheit werden noch mehr Aspekte dazukommen. Denn wir entwickeln uns weiter. Aber auch, weil von den Lieferanten gute Vorschläge zu nachhaltigen Lösungen kommen. Das fordern wir ein. Es steckt aber auch viel Eigeninitiative der Lieferanten dahinter. Das sind Win-win-Geschichten, bei denen wir gemeinsam mit unseren Partnern die Zukunft gestalten.

Ist angesichts der aktuellen Probleme eine, sagen wir mal, „Nachhaltigkeits-Müdigkeit“ bei den Lieferanten zu erkennen?

Frenkel: Ganz im Gegenteil. Zu Beginn hatten einige Lieferanten sicherlich Bedenken, dass nachhaltiges Wirtschaften mehr koste und ein Wettbewerbsnachteil sei. Nachhaltigkeit ist aber eine Voraussetzung, um gemeinsam mit uns in die Zukunft zu gehen. Dabei gilt: Je mehr Dekarbonisierungspotenzial ein Lieferant hat, je nachhaltiger er arbeitet, desto interessanter wird sein Produkt für uns. Das motiviert. Mittlerweile haben viele Lieferanten erkannt, dass sie eine Verantwortung für sich und die nachfolgenden Generationen haben. Um unseren Kindern den Planeten in einem lebenswerten Zustand übergeben zu können, müssen wir einiges ändern.

Unsere Standorte Zuffenhausen, Leipzig und Weissach sind schon heute bilanziell CO2-neutral. Wir streben an, im Jahr 2030 über 80 Prozent unserer Neufahrzeuge als rein elektrische Modelle auszuliefern. Dieses Ziel erreichen wir nur gemeinsam mit den Lieferanten.

Insgesamt bin ich zuversichtlich. Bei unseren Fahrzeugprojekten ist es uns gelungen, viele Nachhaltigkeitsideen kostenneutral umzusetzen.

Das klingt überzeugend.

Frenkel: Uns kommt zugute, dass wir bislang gut gewirtschaftet haben. Bereits vor der Krise haben wir Rohstoffe und Energie eingespart.

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Barbara Frenkel
Bild: Porsche

Eines Ihrer Ziele ist, den Frauenanteil auszubauen. Bei Porsche insgesamt liegt er bei 19 %. Wie sieht es im Einkauf aus?

Frenkel: Wir haben einen Frauenanteil von 37 Prozent in der Beschaffung. Das ist schon gut. Vor allem bei Management-Positionen ist aber noch Luft nach oben. Wir wollen den Kolleginnen im Unternehmen die Chance geben, sich nach oben zu entwickeln. Es geht darum, sichtbar zu werden, Verantwortung zu übernehmen. Klar ist aber auch: Porsche ist eine sportliche Marke – und so geht es bei uns im Team zu. Man muss Leistung und Leistungsbereitschaft zeigen – unabhängig vom Geschlecht. Mir macht es Freude, wenn sich Menschen weiterentwickeln und erfolgreich werden. Dabei unterstütze ich als Mentorin.

Haben Sie Tipps, wie Sie die Menschen mitnehmen?

Frenkel: Es gibt nicht den einen Tipp. Ich engagiere mich beispielsweise im Porsche-Frauennetzwerk, gebe dort meine Erfahrungen weiter. Oder ich beantworte Fragen, die nicht nur junge Frauen umtreiben, sondern viele, die am Beginn ihrer Karriere stehen. Zusätzlich habe ich in der Beschaffung ein Espresso-Frühstück eingeführt. Das nennt sich: „Ask Barbara anything at eight.“ Morgens um acht Uhr lade ich acht Kollegen aus unterschiedlichen Ebenen des Unternehmens ein. In 45 Minuten versuche ich etwas vom dem, was ich in meiner Karriere gelernt habe, weiterzugeben.

Wie wählen Sie die Teilnehmer aus?

Frenkel: Das ist ganz unterschiedlich. Interessierte Mitarbeiter können sich selbst bewerben, werden von ihren Führungskräften nominiert oder ich wähle jemanden aus. Zum Beispiel alle Kollegen, die im vergangenen Jahr neu in die Beschaffung gekommen sind.

Die Gesprächsatmosphäre ist sehr offen, weil es immer kleine Runden sind. Für mich ist das ein Zeichen der Wertschätzung. Die Runden sind aber keine Einbahnstraße. Mich interessiert auch, was die Menschen umtreibt. Welche Ideen sie haben und was wir gemeinsam verbessern können.

Wirklich ein cooles Format.

Frenkel: Wertschätzung, Zuhören und Offenheit gehören zu meinem Führungsstil. Denn die Ergebnisse erzielen wir im Team. Keine Organisation und kein Prozess machen die Geschäfte. Es sind die Menschen. Und deswegen ist es wichtig, Anerkennung auszusprechen – für die erbrachte Leistung, den Einsatz, aber auch die Leidensfähigkeit, Krisen durchzustehen. Auf diese Art und Weise möchte ich den Dank zurückzugeben.

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Porsche und internationale Partner um die chilenische Betreibergesellschaft Highly Innovative Fuels (HIF) haben mit der industriellen Produktion von synthetischem Kraftstoff begonnen. Mit Windenergie aus Wasser und Kohlendioxid hergestellte eFuels erlauben einen nahezu CO2-neutralen Betrieb von Ottomotoren. „Mit der eFuels-Pilotanlage nimmt Porsche bei dieser Entwicklung eine treibende Rolle ein“, sagt Barbara Frenkel.
Bild: Porsche

Barbara Frenkel

… ist die erste Frau im Porsche-Vorstand. Sie leitet seit Juni 2021 das Ressort Beschaffung und verantwortet ein jährliches Einkaufsvolumen von mehr als neun Milliarden Euro.

Die Fränkin stammt aus Hof, studierte nach dem Abitur Chemie und Kautschuktechnologie. Erster Arbeitgeber waren die Helsa-Werke unweit von Bayreut, wo sie bereits mit 27 Jahren erste Führungsaufgaben übernahm.

Nach 10 Jahren wechselte sie zu einer Tochter des französischen Autozulieferers Valeo, einige Jahre später ging sie zum US-Autozulieferer TRW Automotive. Hier wie dort arbeitete Frenkel im Einkaufsbereich.

2001 wechselte sie zu Porsche als Leiterin Qualitätsmethoden und -systeme. 2006 wurde sie zur Leiterin Zentrales Training, 2013 Leiterin Vertriebsnetzmanagement und -entwicklung und 2017 setzte sie ihre Porsche-Karriere als europäische Vertriebsleiterin fort.

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