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Finanzierung der Lieferanten: Einkauf, übernehmen Sie!

Wie der Einkauf Zahlungsziele für bessere Preise nutzt
Finanzierung der Lieferanten: Einkauf, übernehmen Sie!

Finanzierung der Lieferanten: Einkauf, übernehmen Sie!
(Bild: Marcin Janiec/123rf)
Supply Chain Finance und optimierte Zahlungsziele sind bislang meist Domäne der Finanzabteilung. Neue Technologien erlauben es dem Einkauf, direkt und ohne Banken, ausgewählte Lieferanten vorzeitig zu zahlen und dabei die Einkaufskosten wiederkehrend zu senken.

Es ist eine paradoxe Situation: Auf der einen Seite stehen erfolgreich einkaufende Unternehmen mit Rekordmengen an verfügbarer Liquidität in ihrer Bilanz – und erzielen darauf so gut wie keine Zinsen. Auf der anderen Seite stehen Lieferanten mit strukturbedingten Liquiditätsschwankungen und hohen Finanzierungskosten. Gleichzeitig bestehen zwischen diesen Unternehmen lange Zahlungsziele – meist mehr als 30 und oft über 60 Tage. Während dieser Zeit wird also Liquidität auf der einen Seite für 0,1% p. a. Zinsen kurzfristig angelegt (aktueller Geldmarkt-Zinssatz) und auf der anderen Seite für 4 – 10 % p.a. (Kreditlinien) oder für über 10 % p.a. (Gesamtkosten von Factoring) finanziert. Dies belastet nicht nur die Beziehungen zwischen Einkäufer und Verkäufer, sondern führt auch unmittelbar zu hohen Einkaufspreisen, denn Finanzierungskosten sind Bestandteil der Preiskalkulation.

An dieser Stelle kann sich der Einkauf die Frage stellen: Wie können Liquidität und Finanzierungskosten der Lieferanten optimiert werden, um dauerhaft durch bessere Preise zu profitieren? Die Probleme im Rahmen der klassischen Einkaufsverhandlung sind bekannt: Lange Zahlungsziele erhöhen die Kosten der Vorfinanzierung für den Lieferanten und führen damit zu hohen Einkaufspreisen. Kurze Zahlungsziele mindern zwar die Kosten der Vorfinanzierung, werden in der Praxis jedoch mit nur einmaligen Rabatten belohnt und nicht dauerhaft in Form besserer Preise an den Einkauf weitergegeben.
Neue Möglichkeiten der Digitalisierung
Auch durch fixe Skonti ist es nicht möglich, dieses Dilemma zu lösen: In der Verhandlung wird zwar ein einmaliger Rabatt erzielt, dieser wird jedoch ab diesem Zeitpunkt vom Verkauf in die Preiskalkulation eingepreist. Die klassische Regelung von 2 % Skonto nach 14 Tagen führt so zu einem Einpreisen des starren Skontos von 2 % und damit effektiv lediglich zu einem kurzen Zahlungsziel von 14 Tagen. Daher wird Skonto in der wiederkehrenden Beschaffung heute meist als Strafaufschlag für eine zu späte Zahlung statt als zusätzlicher Rabatt für eine frühe Zahlung gesehen. Im Rahmen der klassischen Einkaufsverhandlung ist es also schwierig, eine Regelung zu finden, bei der die Einkäufer langfristig durch bessere Preise profitieren.
Dieses Problem hat im ersten Schritt dazu geführt, dass Drittanbieter wie Banken finanzintermediäre Lösungsansätze wie Factoring oder Reverse Factoring entwickelt haben. Dabei werden die Forderungen der Lieferanten an Dritte verkauft. Hierdurch entsteht ein hoher technischer, juristischer und organisatorischer Aufwand bei der Übertragung und Absicherung des Kreditrisikos, welchen sich Drittanbieter in Form von Zinsen und Gebühren vergüten lassen. So können einkaufende Unternehmen nicht die vorhandenen Potentiale zur eigenen Kostensenkung realisieren. Zusätzlich leiden bisherige Lösungen meist unter geringen Teilnahmequoten der Lieferanten aufgrund des hohen Aufwandes und langfristiger Vertragsbindung seitens der Lieferanten.
In Deutschland können Unternehmen nun die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen und ihren Lieferanten die marktbasierte, vorzeitige Zahlung von Rechnungen gegen zusätzliche Rabatte anbieten. In den USA haben sich direkte Märkte bereits etabliert. Diese werden IT-gestützt direkt zwischen einkaufenden Unternehmen und ihren eigenen Lieferanten etabliert und vermeiden dadurch externe Banken und Kreditrisiko. Das Prinzip eines direkten Marktes funktioniert folgendermaßen:
  • 1. Die Zahlungsbedingungen mit den einzelnen Lieferanten bleiben bestehen; die regulären Rechnungs- und Buchungsprozesse bleiben gleich. Waren und Dienstleistungen gehen wie gewohnt durch interne Qualitätskontrollen bis eine Rechnung zur Zahlung freigegeben ist.
  • 2. Zusätzlich definiert das einkaufende Unternehmen nun einmal in der Woche, wie viel freie Liquidität den eigenen Lieferanten zur vorzeitigen Zahlung von Rechnungen zur Verfügung gestellt wird.
  • 3. Jeder Lieferant findet die eigenen Rechnungen inklusive der Anzahl offener Tage bis zur regulären Zahlung. Auf Rechnungsebene kann der Lieferant individuell bestimmen, was es ihm aktuell wert wäre, vorzeitig bezahlt zu werden. Lieferanten machen also aktiv Gebote in Form von Rabatten, um Rechnungen vorzeitig ausgezahlt zu bekommen. Diese Rabatte werden nachträglich und damit zusätzlich zu der eigentlichen Einkaufs-Verkaufs-Verhandlung gewährt.
  • 4. Dadurch, dass Lieferanten unterschiedliche Gebote abgeben und die verfügbare Liquidität begrenzt ist, ergibt sich ein Markt. Welche Lieferanten ihre Rechnungen vorzeitig ausgezahlt bekommen, wird durch Markt-Algorithmen auf Basis der eingegangenen Gebote ermittelt.
  • 5. Im wöchentlichen Clearing erhalten das einkaufenden Unternehmen und die Lieferanten Belege für die erfolgreichen Gebote.
  • 6. Daraufhin zahlt das Unternehmen diese Rechnungen über den regulären Zahlweg direkt an die Lieferanten und realisiert dabei die gewährten Rabatte.
Der gesamte Markt wird in realtime auf einer weltweit zugänglichen Plattform abgewickelt. Die Nutzung ist wie beim modernen Online-Banking und bedeutet sowohl für das einkaufende Unternehmen als auch für die Lieferanten wenig Aufwand.
Durch einen Markt für die vorzeitige Zahlung von Rechnungen direkt zwischen einkaufenden Unternehmen und ihren Lieferanten ergeben sich Vorteile für beide Seiten:
Lieferanten werden aktiv, wenn sie selbst von dieser Option profitieren. Sie erhalten einen einfachen und sofortigen Zugang zu Liquidität – ohne komplexes Vertragswerk und langfristige Bindung. Die flexible Option der vorzeitigen Zahlung ist nicht immer für alle Lieferanten interessant, denn ein Teil der Lieferanten verfügt selbst über Liquiditätsreserven und eine kostengünstigere Finanzierung. Doch in den Portfolios der meisten einkaufenden Unternehmen können 20 % bis 40 % der Lieferanten zusätzliche Liquidität sehr gut nutzen: um saisonale Schwankungen auszugleichen, um teure Kreditlinien zurückzufahren oder um Skonto-Vereinbarungen bei ihren eigenen Lieferanten auszunutzen. Besonders groß ist das Potential bei strukturschwächeren Mittelständlern sowie bei Lieferanten aus Süd- oder Osteuropa. Hier ist die Finanzierungssituation oft besonders angespannt, denn Banken verlangen hohe Aufschläge und Sicherheiten.
Einkaufende Unternehmen erhalten zusätzliche, wiederkehrende Rabatte. Diese werden freiwillig von den Lieferanten gewährt; dadurch wird die Lieferantenbeziehung vertieft und die Lieferkette gestärkt. Eine digitale, marktbasierte Lösung ermöglicht dies bei geringer Komplexität im Setup und fortlaufender Kontrolle über die eingesetzte Liquidität. Das ist besonders wichtig, um auch die Finanzabteilung, das Risikomanagement und die Buchhaltung zu überzeugen. Für die Finanzabteilung bietet ein Markt eine wesentlich attraktivere Rendite als aktuell verfügbare kurzfristige Anlageoptionen. Die eingesetzte Liquidität kann kurzfristig auf Wochenbasis gesteuert werden. Im Risikomanagement punktet ein direkter Markt durch die tatsächliche Eliminierung des Kreditrisikos. Denn faktisch wird kein Kredit vergeben und keine Forderung verkauft, sondern lediglich Rechnungen, die bereits zur Zahlung freigegeben wurden, vorzeitig gezahlt. Die gesamte Abwicklung erfolgt für die Buchhaltung über Standardprozesse bei Rechnungseingang und -verarbeitung. Auch die zusätzlich gewährten Rabatte können als Gutschriften automatisiert verbucht werden.

Dr. Philipp Tillmanns, Geschäftsführer cflox GmbH
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