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Grün denken, grün handeln und sparen

Green Procurement
Grün denken, grün handeln und sparen

Beim Umbau zu einem „grünen“ Unternehmen nimmt der Einkauf eine Schlüsselposition ein. Er trägt entscheidend dazu bei, aus Worten Taten werden zu lassen und damit ökologische Beschaffungsstrategien zu implementieren und Kostenvorteile zu realisieren.

Großunternehmen wie etwa Johnson & Johnson oder Microsoft haben sich in den vergangenen Jahren auf Top-Management-Ebene mit dem Thema „Green Procurement“ beschäftigt. Resultat: Sie verankerten das Prinzip der Nachhaltigkeit (engl. „Sustainability“) in ihren Unternehmensgrundsätzen und machten grüne Beschaffungsstrategien zur Chefsache. Bei Siemens wurde für Sustainability sogar ein eigenes Vorstandsressort geschaffen.

Doch was bedeutet „Grüner Einkauf“ wirklich? „Grüner Einkauf“ beschäftigt sich damit, ob die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen Umweltschutzanforderungen berücksichtigt. Zusätzlich unterwirft er Einkaufsstrategien einem erweiterten Check. Dabei geht es darum, unter einem erweiterten Blickwinkel zu betrachten, ob Einkaufsvorteile durch schonenden Umgang mit Ressourcen erzielt werden können.
Grüner Einkauf ist bei vielen Unternehmen heute noch ein frommer Wunsch. Dabei gibt es einen starken Business Case, sich mit „Green Procurement“ zu befassen, was eine Deloitte-Studie unter 55 Großunternehmen bestätigt.
Zwei Hauptanreize stechen hervor: Zum einen erfordern Kunden-, Markt- oder Wettbewerbsanforderungen umweltfreundliche Produkte, was entsprechende Anforderungen an den Einkauf von Rohstoffen, Produktionstechnologien oder Distribution- und Transportdienstleitungen stellt. Zum anderen lassen sich durch umweltschonende und damit energie- und kosteneffiziente Produktionsweisen signifikante Einsparungseffekte generieren.
Ein Beispiel, wie mit grünem Einkauf Einsparungen erzielt werden können, stellt das Thema Reduzierung des „Carbon Footprint“ dar. Damit ist eine verbesserte CO2-Bilanz gemeint, die zu einer Reduzierung von CO2-Emissionen und damit zu Kostensenkungen führen kann. Betrachtet man den relativen Anteil der Kosten für CO2-Emissionen, werden deutliche Unterschiede zwischen Unternehmen erkennbar. Während die Emissionskosten z. B. beim Chemiekonzern Eastmann Chemicals rund zehn Prozent des EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) ausmachen, belaufen sich die Ausgaben für CO2-Emissionen bei Johnson & Johnson auf nur 0,4 Prozent des EBITDA.
Ansatzpunkte für grünen Einkauf finden sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Einkaufsfunktion nimmt dabei eine Schlüsselposition ein: Sie trägt entscheidend dazu bei, aus Worten Taten werden zu lassen und damit ökologische Beschaffungsstrategien zu implementieren und Kostenvorteile zu realisieren.
Grün beschaffen hilft Kosten sparen
Für den Einkauf bedeutet das zweierlei: Einerseits muss er Unternehmensanforderungen, die sich z. B. aus Corporate-Governance-Vorgaben (umweltbewusstes Auftreten) oder Produktanforderungen (Umweltverträglichkeit) ergeben, in Spezifikationen für Rohstoffe, aber auch für Güter und Dienstleistungen im indirekten Bereich (eigene und zugekaufte Fertigungsprozesse, Transport, Distribution/Läger und Entsorgung) umsetzen. Diese Spezifikationen gehen über eine klassische Leistungsbeschreibung hinaus und erfordern die Suche und Auswahl von neuen Lieferanten oder Produkten.
Andererseits ist der Einkauf bei der Erzielung von klassischen Einkaufsvorteilen gefordert: Unter Gesamtkostenbetrachtungen müssen hier direkte Umweltabgaben mit einbezogen werden. Die Aufgabe des Einkaufs liegt aber auch in der strategischen Betrachtung der Gesamtkosten.
Bei der Verlagerung von Produktion in Niedriglohnländer muss auch berücksichtigt werden, wie sich Transportkosten unter geänderten umweltpolitischen Rahmenbedingungen entwickeln werden. Eine neue Kernaufgabe für Einkäufer ist es, einen „Einkaufs-Footprint“, also eine strategische Kostenbetrachtung in einem globalen Zusammenhang festzulegen. So ist beispielsweise grundsätzlich zu hinterfragen, ob das Sourcing von Gütern in China für das Unternehmen wirklich so viel kostengünstiger ist. Denn durch den längeren Transportweg und die Kosten für den Energieverbrauch kann sich der scheinbar günstigere Kauf schnell als Fehlkalkulation erweisen. Aus diesen Gründen zeigt sich derzeit ein Trend hin zu regionalem Sourcing. Dabei helfen kürzere Transportwege, grüne Einkaufsstrategien zu verwirklichen.
Ein erster Ansatzpunkt für die Implementierung von grünen Beschaffungsstrategien ist die Analyse von direkten Materialgruppen. Erfahrungswerte zeigen, dass rund ein Drittel aller ökologischen Ansätze auf einer Optimierung von Rohstoffmengen und der Suche nach ökologischen Alternativprodukten basieren.
Hebel für die Umsetzung von „Green Procurement“
Auch die Vermeidung von Rohstoffen kann einen Betrag zum ressourcenschonenden Einkauf leisten. Hier gilt es, im Rahmen des Warengruppenmanagements Bedarfe so weit wie möglich zu reduzieren. Der Einkauf wird dadurch vom Kostenkommissar zum Demand Manager.
Einige indirekte Warengruppen stehen bei der Umsetzung einer ökologischeren Beschaffungspolitik immer im Mittelpunkt. Wie bei den direkten Warengruppen liegt auch hier ein wesentlicher Ansatz in der Vermeidung von Bedarfen. Um die Transportkosten zu senken, muss das Unternehmen entsprechende Netzwerk- und Standortentscheidungen fällen (Standorte der Lieferanten, Distributionsstrategien, Anzahl der Läger). Auch hier ist der moderne Einkauf gefordert, den Gesamtprozess zu moderieren und zu treiben.
Darüber hinaus existieren viele andere Warengruppen, die durch grüne Beschaffung wesentliche Wertbeiträge aus einem optimierten Einkauf erwirtschaften können. Bedarfssubstitution ist beispielsweise das Schlagwort in Zusammenhang mit Travel-Management-Kosten. Konkret kann dies bedeuten, dass sich eine Flugreise auch durch eine Videokonferenz ersetzen lässt. Zusätzlich stellt der Einsatz alternativer Technologien einen weiteren Hebel dar. Es lohnt sich beispielsweise zu prüfen, ob sich Hybridautos im Flottenmanagement einsetzen lassen.
Aus vielfältiger Projekterfahrung heraus wurde ein „grüner Einkaufsprozess“ entwickelt, der die gleichen Elemente wie bei der klassischen Vorgehensweise zur Entwicklung einer Warengruppenstrategie enthält. Er stellt aber zusätzlich sicher, dass der Einkauf auf jeder Stufe grüne Beschaffungsprinzipien aktiv steuert, gestaltet und umsetzt – Schritt für Schritt.
Grüne Beschaffung umsetzen – Schritt für Schritt
Schritt 1: Analyse der betroffenen Warengruppen
Ergänzend zu den klassischen Elementen einer Warengruppenanalyse kommt die Prüfung hinzu, ob grüne Prinzipien in bestimmten Warengruppen umsetzbar sind. Auf Basis von Erfahrungswerten finden sich die größten Potenziale meist bei den direkten Materialien. Andere Bereiche wie Logistikdienstleistungen, Wartungskosten oder Energiekosten für technische Anlagen stellen ein weiteres Optimierungsfeld dar. Im Vorfeld einer solchen Analyse ist es wichtig, die Produkte nicht nur unter Gesamtkostenaspekten zu betrachten, sondern auch die Lebenszykluskosten in die Auswertungen mit einzubeziehen. Gerade diese sog. „versteckten“ Kosten wie Elektrizitäts-, Energie-, Entsorgungs-, Recycling- und Verpackungskosten liegen bei grünen Produkten häufig unter denen herkömmlicher Produkte.
Schritt 2: Strategieentwicklung
Bei der Identifikation und Umsetzung grüner Einkaufshebel gilt es umso mehr, alle Stakeholder in die Strategieentwicklung mit einzubinden, da es zu weitreichenden Änderungen in der Produktionstechnologie, an Lagerstandorten und im Bezug auf Produktkosten kommen kann.
Weit über das klassische Einkaufsrepertoire hinausgehend sieht sich der Einkauf zunehmend in der Rolle, das Demand Management, also die Festlegung der Eigenschaften und Spezifikationen von Gütern und Dienstleistungen, zu moderieren.
Schritt 3: Erstellung der Spezifikationen
Bei der Erstellung von grünen Spezifikationen ist es wichtig, nachhaltige und ressourcenschonende Anforderungen in die Ausschreibungsunterlagen mit aufzunehmen. Alternative grüne Anforderungen lassen sich am besten auf den Punkt bringen, wenn man die Lieferanten ihre Kreativität und Erfahrung mit einbringen lässt. Ein Beispiel für eine grüne Spezifikation kann die Ausschreibung des Printmanagement eines Unternehmens sein, die fordert, für Kataloge, Prospekte und sonstige Prints nur Papier aus nachhaltigem Anbau zu verwenden.
Schritt 4: Bewertung der Lieferanten- basis und Lieferantenauswahl
Der Einsatz von grünen Spezifikationen kann zur Auswahl anderer Lieferanten führen, denn bei Einbeziehung von „Green-Procurement-Aspekten“ fällt die Bewertung der Ausschreibung womöglich völlig anders aus, als dies bei klassischen Auswahlkriterien der Fall gewesen wäre. Das bedeutet, dass der Einkauf die Gewichtung grüner Faktoren bereits im Vorfeld der Bewertung klar definieren muss. Im Konfliktfall dient die vorab definierte Lieferantenauswahlsystematik dazu, eine gemeinsam abgestimmte Lieferantenentscheidung zu fällen.
Zusammenfassend gibt es zwei Hauptanreize, „Green Procurement“ im Unternehmen zu implementieren: Zum einen die Erfüllung von Kunden-, Markt- und Wettbewerbsanforderungen und zum anderen die Realisierung von Einsparungspotenzialen. Um „Green Procurement“ nachhaltig in den Unternehmensgrundsätzen zu verankern, sollte der Einkauf von der Geschäftsführung das Mandat zur Umsetzung „grüner Strategien“ erhalten. Mehr denn je ist der Einkauf dann gefordert, als „Green Agent“ bei der Strategieentwicklung für bestimmte Warengruppen mitzuwirken und die betroffenen Stakeholder in den Entscheidungsprozess zur Entwicklung neuer Strategien mit einzubinden. Diese Koordinationsfunktion des Einkaufs ist sehr wichtig, um sicherzustellen, dass grüne Beschaffungsanforderungen unter Mitwirkung aller Unternehmensbereiche definiert werden und entsprechende Akzeptanz finden.
Der beste grüne Einkaufsprozess nützt nichts, wenn Partner und Lieferanten entlang der Wertschöpfungskette nicht „grün“ denken und handeln. Gemeinsame Workshops zur Reduzierung und Minimierung von Material, Verpackungen und Transportwegen oder zur Identifikation von neuen Herstellungsmethoden, Innovationen und Prozessoptimierungen sind Ansätze, umweltgerechte Ziele umzusetzen und zu erreichen.
Quellen:
  • Dhar, S.: The Growth of Green Procurement, PMAC Annual Conference, May 22, 2008
  • Christensen, J., Park, C., Sun, E., Goralnick, M., Iyengar, J.: A Practical Guide to Green Sourcing – Review New York: Nov 2008. Vol. 12, Iss. 8; pg. 14, 1 pgs
  • P. Keckley, Ph.D.(Executive Director): Greening and Sustainability in Health Care and Life Sciences-Implementing a Strategic Response, Deloitte Center for Health Solutions, 2008
  • Pirenz, H.-J. und Becker, S. (2009): Corporate Social Responsibility – verankert in der Wertschöpfungskette, Deloitte-Studie

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