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Grüne Kennzahlen für Unternehmen

„Green Software“ soll nachhaltiges Lieferkettenmanagement unterstützen
Grüne Kennzahlen für Unternehmen

Nachhaltiges Wirtschaften steht heute ganz oben auf der Agenda vieler Unternehmen – mit direkten Auswirkungen auf das Lieferanten- management. Für das an diesen Gesichtspunkten ausgerichtete Management der Lieferkette fehlen bislang allerdings die notwendigen Softwarewerkzeuge. Das wollen deutsche Forscher ändern, wie unsere Autorin Sabine Koll hier beschreibt. So soll „Green Software“ herkömmliche Werkzeuge zur Unternehmenssteuerung erweitern – zum Beispiel mit speziellen Kennzahlen.

Sabine Koll, Freie Journalistin, in Böblingen

„In Zukunft wird Software zur Unternehmenssteuerung nicht nur harte betriebswirtschaftliche Kennzahlen bereitstellen, sondern auch Faktoren wie Umweltschutz, Energieeffizienz und soziale Aspekte in Geschäftsprozessen berücksichtigen“, davon ist Professor Dr. Andreas Oberweis überzeugt. Er arbeitet mit anderen Wissenschaftlern vom Institut für Angewandte Informatik und Formale Beschreibungsverfahren (AFIB) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sowie des FZI Forschungszentrum Informatik an Software zur Unterstützung eines solchen Nachhaltigkeitsmanagements. „Green Software“ nennen sie diese – und Oberweis und seine Kollegen sind sich sicher, dass sie damit den Nerv vieler Vorstände treffen.
Mehr noch: „Wie traditionelle betriebliche Informationssysteme adressiert auch die Green Software unterschiedliche Organisationsebenen. Letztlich soll allen Entscheidern im Unternehmen bis hin zum Einkauf eine zusätzliche grüne – oder besser, nachhaltige – Perspektive angeboten werden“, so Oberweis.
Dass die Karlsruher Informatiker damit den Nerv der Zeit getroffen haben, bestätigen zwei aktuelle Untersuchungen der von Unternehmensberatungen: So zeigen sich 84 Prozent aller 700 Führungskräfte weltweit, die für die Studie „Appetite for Change: Global business perspectives on tax and regulation for a low carbon economy“ befragt wurden, überzeugt, dass der Klimawandel die Geschäftsmodelle von Unternehmen beeinflusst und bereits in den nächsten zwei bis drei Jahren verändert. Demnach erarbeitet eine wachsende Zahl von Unternehmen bereits heute Strategien, um den Klimawandel zu bewältigen – selbst wenn entsprechende regulatorische Vorschriften erst entwickelt werden und noch nicht konkret sind. Welche Auswirkungen diese Entwicklung auf das Lieferkettenmanagement hat, zeigen Zahlen, die für den Jahresbericht des Supply-Chain-Programms der gemeinnützigen Organisation Carbon Disclosure Project (CDP) erhoben wurden: Mehr als die Hälfte der CDP-Mitgliedsunternehmen – vor allem globale Konzerne – wollen Zulieferern, die ihren Klimazielen nicht gerecht werden, im Zweifelsfall keinen Zuschlag mehr erteilen*.
Lieferanten können Klimaschutz heute nicht nachweisen
Einige Mitglieder geben sogar an, Verträge entwickeln zu wollen, die eine Verbesserung der CO2-Bilanz zur Bedingung machen. Allerdings gibt es laut CDP-Bericht an dieser Stelle noch großen Handlungsbedarf für die Lieferanten: Nur 20 Prozent von ihnen können heute Zahlen zur Reduzierung von Treibhausgasen vorlegen. „Bisher werden hauptsächlich isolierte Faktoren betrachtet“, bestätigt Professor Oberweis. „Es fehlt eine integrierte und ausgewogene Berücksichtigung unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher und grüner Steuerungs
größen.“ Professor Dr. York Sure, Vorsitzender des Vereins Angewandte Informatik Karlsruhe e.V. (AIK) ergänzt: „Die IT kann das Management und die Fachbereiche durch intelligente, alle relevanten Faktoren integrierende Informationssysteme – eben die Green Software – bei diesen Bestrebungen unterstützen.“
Werkzeuge der Green Software können als ein erweitertes betriebliches Umweltinformationssystem verstanden werden, das zur Erfassung, Dokumentation, Planung und Steuerung der Auswirkungen von Geschäftsprozessen auf die Umwelt verwendet wird und somit das betriebliche Nachhaltigkeitsmanagement in seinen Aufgaben unterstützt. Green Software bildet damit eine Erweiterung herkömmlicher Werkzeuge zur Unternehmenssteuerung. Grüne Kennzahlen können zum Beispiel sein:
  • Anzahl der verwendeten Mittel mit Gefahrstoffkennzeichen
  • Anteil der eingesetzten erneuerbaren Energien
  • Anteil selbst produzierter Lebensmittel
  • Anteil von Bioprodukten/Fairtrade-Produkten im Lebensmitteleinkauf
  • Finanzielle Unterstützung von Nachhaltigkeitsprojekten
  • Energieverbrauch
  • Papierverbrauch
  • Anzahl der verkauften Produkte/Dienstleistungen aufgrund nachhaltigen Wirtschaftens
  • Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit aufgrund nachhaltigen Wirtschaftens
  • Steigerung der Kundenzufriedenheit aufgrund nachhaltigen Wirtschaftens
  • Steigerung der öffentlichen Wahr- nehmung des Unternehmens/der öffentlichen Institution aufgrund nachhaltigen Wirtschaftens.
Software für nachhaltiges Wirtschaften ist prinzipiell nicht neu. Und Umweltinformationssysteme gibt es bereits seit rund 20 Jahren. Viele Software-Anbieter haben deshalb bereits Software zum Nachhaltigkeitsmanagement im Portfolio: SAP etwa bietet mit SAP BusinessObjects Sustainability Performance Management oder SAP Carbon Impact mehrere Werkzeuge an, mit denen das Management in Steuerungs-Dashboards Transparenz über Faktoren für nachhaltiges Wirtschaften erhalten und diese steuern können.
Ein anderes Beispiel: Die Karlsruher PTV AG hat in ihre Tourenplanungssoftware „map & guide“ den Aspekt des Kohlendioxid-Ausstoßes integriert, sodass Transportunternehmen ihre Logistik „grün“ gestalten können. Gezielt für kleinere Organisationen in den Bereichen Tourismus, Bildungseinrichtungen und Sozialwirtschaft hat KATE – Kontaktstelle für Umwelt und Entwicklung, Stuttgart, eine Software für deren Prozessmanagement und Berichtswesen entwickelt, die Kennzahlen sowie automatische Checks und Befragungen bereitstellt. Diese Software erleichtert zudem eine Umweltzertifizierung etwa nach ISO 14001.
Modellierung, Analyse und Kontrolle von Geschäftsprozessen
„Green Software ist heute jedoch entweder auf eine spezifische Anwendungsdomäne festgelegt oder unterstützt ausschließlich grüne Kennzahlen. Keines der heute am Markt befindlichen Produkte unterstützt eine integrierte Modellierung, Analyse und Kontrolle von Geschäftsprozessen und grünen/nichtgrünen Kennzahlen“, so Oberweis. Green Software müsse Methoden und Werkzeuge zur Verfügung stellen, mit denen Unternehmen ihre betriebswirtschaftlichen Kennzahlen um nachhaltige Faktoren ergänzen und zur Entscheidungsfindung heranziehen können. „Besonders wenn Zielkonflikte auftreten, sind Zahlen und Fakten notwendig, auf deren Basis die Verantwortlichen Vor- und Nachteile ihrer Entscheidungen abwägen können. Dafür ist eine integrierte Modellierung, Analyse und Kontrolle von Geschäftsprozessen sowie grünen und nicht-grünen Kennzahlen notwendig“, so der Wirtschaftsingenieur.
Schließlich müssten solche Informationssysteme auch eine branchenspezifische Adaption ohne großen Zeit- und Schulungsaufwand ermöglichen, sodass sie sich auch für kleine und mittlere Unternehmen rechnet. Die Karlsruher Forscher wollen ihren Hauptfokus auf die Entwicklung von Green Software für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) legen, da diese im Gegensatz zu großen Konzernen nicht die Möglichkeiten haben, eigene Systeme zu entwickeln und zu implementieren.
Green Software Community strebt Opensource-Lösung an
Um Green Software einem breiten Anwenderspektrum zugänglich zu machen, wurde im vergangenen Jahr die so genannte Green Software Community gegründet; und zwar vom FZI Forschungszentrum Informatik mit der KTC Karlsruhe Technology Consulting GmbH sowie der Kontaktstelle für Umwelt und Entwicklung (KATE). Sie will Anwendern und Entwicklern von Green Software-Produkten eine Kommunikationsplattform zum Erfahrungsaustausch bieten. „Generell stellen solche Software Communities eine Möglichkeit vor allem für KMU dar, ihre Kräfte zu bündeln, um den großen Anbietern am Markt (auch international) gegenübertreten zu können“, argumentiert Oberweis. Das Baden-Württembergische Wirtschaftsministerium unterstützt die Plattform.
In Zukunft wird Software zur Unternehmenssteuerung nicht nur harte betriebswirtschaftliche Kennzahlen bereitstellen, sondern auch Faktoren wie Umweltschutz, Energieeffizienz und soziale Aspekte in Geschäftsprozessen berücksichtigen.
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