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Hilft der Infrastrukturausbau aus der Krise?

Brasiliens Logistik nach Rousseff
Hilft der Infrastrukturausbau aus der Krise?

Das größte südamerikanische Land hat in 2012 unter der damaligen Präsidentin Dilma Rousseff einen Logistikplan erhalten. Darin ist der wichtige Ausbau der Infrastruktur für alle Transportmodi vorgesehen. Aufgrund des Korruptionsskandals sind einige Verträge aber aufgelöst worden. Der Bau der Hochgeschwindigkeitsbahn zwischen Sáo Paulo und Rio de Janeiro scheint nun mit chinesischer Hilfe voranzukommen.

Als rohstoffreiches Land hat Brasilien immer schon das Begehren der Weltmächte geweckt. Erdöl, Uran, seltene Erden, Zinn, Platin, Phosphate, Nickel, Mangan, Eisenerz, Gold sowie Bauxit sind nur einige natürliche Reichtümer, die das Land zu bieten hat. An den wichtigen Rohstoffen ist zunehmend auch die aufstrebende Weltmacht China interessiert. Daher haben die Investitionen und Akquisitionen des gelben Riesen in den letzten Jahren vor der Abschwächung der Wirtschaft in China im größten Land Südamerikas stark zugenommen. Allerdings kollabiert nun die Wirtschaft nach Jahren des wirtschaftlichen Aufstiegs in Brasilien. Die starke Abhängigkeit von Rohstoffen erweist sich jetzt als Fluch. Die Föderative Republik steckt in einer tiefen Rezession. Hauptgrund dafür ist der Preisverfall am Rohstoff-markt, z. B. beim Öl. Zudem hat der größte Korruptionsskandal in der Geschichte des Landes um den Energiekonzern Petrobras das Vertrauen in die Wirtschaft erschüttert. Infolgedessen musste die bisherige Präsidentin Dilma Rousseff am 21. August abtreten und dem Vizepräsidenten Michel Temer Platz machen. Weiterhin hat eine starke Inflation mit einer Rate bis zu 10 Prozent und die Gefahr der Hyperinflation das Land erfasst. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt laut Weltbank bei -4 Prozent in 2016. In 2015 lag es bei –3,8 Prozent. Allerdings wird für 2017 (-0,24 Prozent) und 2018 (+0,8 Prozent) eine Erholung erwartet. Trotzdem sind die Werte weit von den +7,5 Prozent BIP-Zunahme in 2010 entfernt. Jahrelang hat sich das Land nicht um Themen wie Effizienz und qualitativ hochwertige Infrastruktur geschert und sich auf der hohen Rohstoffnachfrage aus China ausgeruht. Kurzfristige Steuer- und Konsumanreize sollten die Wirtschaft am Laufen halten und die kaufkräftige Mittelschicht mobilisieren. Doch nun kämpft das Land der Mitte mit seiner eigenen Wirtschaftskrise.

Neuer Logistik-Investment-Plan
Laut dem Logistics Performance Index 2016 der Weltbank liegt Brasilien beim Ranking der Qualität des Logistiksystems auf Platz 55 von 160 Ländern hinter Slowenien (50) und Mexiko (54) und vor Rumänien (60) und Indonesien (63). Im August 2012 hatte Rouseff das Logistics Investment Programme (LIP) ins Leben gerufen, das auch unter der neuen Regierung weitergeführt wird.
Bis 2012 hatte Brasilien nur rund ein Prozent des BIP in Infrastruktur (7,3 Prozent China) investiert. Dabei benötigt das Land mindestens drei Prozent, um den Verfall der Infrastruktur aufzuhalten. Der Plan von 2012 sieht die Einführung eines PPP-Modells (Puplic Private Partnership) für die Finanzierung sowie die Investition von rund 133 Mrd. brasilianischen Real (38 Mrd. €) in den nächsten 30 Jahren vor. Rund 21 Mrd. € sollen bis 2017 und der Rest innerhalb der nächsten 25 Jahre in den Ausbau gesteckt werden. Bis 2042 werden nach der alten Planung in über 30 000 km Schienenwege rund 26 Mrd. € und in 7500 km Schnellstraßen rund 12 Mrd. € fließen. In 2015 wurde dieser Plan unter Rousseff nochmals auf 56 Mrd. € hochgestuft. Dabei ist geplant 2,4 Mrd. € für vier Flughäfen, 24,5 Mrd. € für Schienenwege, 10,5 Mrd. € für Häfen sowie 18,6 Mrd. € für Schnellstraßen aufzuwenden. Rund ein Drittel davon werden bis 2018 mobilisiert.
PPP für marodes Straßennetzwerk
Laut des CNT Transport Yearbook 2016 der National Transport Confederation befinden sich nur 43 Prozent der brasilianischen Schnellstraßen in einem guten Zustand. Brasiliens Straßensektor leidet seit Jahrzehnten unter den Unterinvestitionen. Künftig wird das Mautsystem im Rahmen des PPP für das Schnellstraßennetzwerk außerhalb der Städte eingeführt werden. Weiterhin will die CNT chinesische Investoren gewinnen. Dazu wurde extra ein Büro in Peking eröffnet. Konzessionen für Mautstraßen werden über 30 Jahre vergeben.
Schienenwege als Alternative
Der Eisenbahnsektor befand sich lange im Dornröschenschlaf. Das neue Eisenbahn Infrastruktur- und Konzessionsmodell von 2012 durch das 11 000 km Schienenwege bis 2025 gebaut werden sollten, wurde in 2015 auf 5000 km zusammengestutzt. Es ist nun aber geplant, insbesondere den Schienenfrachtbereich wiederzubeleben. Das derzeitige Monopol bei der Bereitstellung von Kapazität soll ebenso dadurch gebrochen werden, da die zunehmende Beteiligung von privaten Betreibern geplant ist. Dabei will die Regierung durch die staatliche Eisenbahnbaubehörde Valec Kapazität auf den neu geplanten Strecken kaufen und an unabhängige Frachtdienstbetreiber und Konzessionäre weiterverkaufen. Durch die Reduzierung der Transportkosten im Land sollen zudem brasilianische Exporte attraktiver werden.
Laut dem International Railway Journal befindet sich momentan die 572 km lange Schienenverbindung zwischen Rio de Janeiro und Victoria in der Überprüfung, die zudem bedeutende Häfen in den Staaten Rio de Janeiro und Espirito Santo bedienen würde. In 2017 ist geplant, zudem eine Auktion für den Betrieb der 1750 km langen Nord-Süd-Schienenverbindung zwischen Palmas und Estrela D’Oeste über 30 Jahre durchzuführen. Seit bereits 20 Jahren befindet sich ebenso die Schienenverbindung zwischen Eliseu Martins und Salgueiro im Bau, die die beiden Häfen Pacém und Recife/Suape in Nordbrasilien bedienen wird. Allerdings sind aufgrund von Problemen bei der Landakquisition bisher nur 52 Prozent des Projekts fertiggestellt.
Laut Reuters will die chinesische Regierung durch die China Railway Construction Corp Ltd. Brasiliens Hochgeschwindigkeitsbahn-Projekt zwischen Sáo Paulo und Rio de Janeiro wiederbeleben. Das Vorhaben wurde aufgrund der Kosten und wegen Kritik am Konzessionsmodell bisher nicht umgesetzt.
Ausbaggerung der Häfen verzögert
Das britische Magazin Portstrategy berichtet, dass die Hafenverwaltungen des Landes nur 28,6 Prozent ihrer Gesamtbudgets im Zeitraum 2000–2014 in den Ausbau und die Modernisierung der Häfen investierten. Insgesamt brachten sie nur 835 Mio. € für die bedeutende Aufgabe auf, wobei die Hälfte davon schon im Jahr 2000 investiert wurde. Laut der National Confederation of Industry (CNI) konnten die Ausgaben mit der Expansion des Überseehandels nicht mithalten. Allerdings hat bisher auch die Abänderung des Hafengesetzes und die Neugestaltung der Tender kaum neue Investoren aus dem Privatbereich gelockt, die gewünschten 6,5 Mrd. € für den Neubau und die Modernisierung von Häfen zu mobilisieren. Zudem werden potenzielle Investoren durch die momentan instabile politische Lage sowie Unsicherheiten im Gesetzes- und Finanzbereich abgeschreckt.
Im National Dredging Program (PND 2) sind gemäß einer Studie der U.S. Trade and Development Agency bis 2022 die Vertiefung und Erweiterung von mehreren Fahrrinnen und Hafenbecken vorgesehen. Aufgrund von Korruption sind allerdings einige Verträge gelöst und die Arbeiten verzögert worden. Die Verzögerung der Ausbaggerungen wird das Wachstum der Häfen und damit der brasilianischen Wirtschaft weiter beeinträchtigen. Erste Erfolge bei der Suche nach Investoren verzeichnet die Wtorre Group, die einen Vertrag mit der China Communications and Construction Company (CCCC) im September 2016 formell bekräftigt hat. Das chinesische Unternehmen wird dabei rund 420 Mio. € in ein Terminal in der Region São Luís (Maranhão) investieren.

Rekordüberschuss

Handelsbilanz

Brasilien hat in 2016 den höchsten Handelsbilanzüberschuss in seiner Geschichte erzielt. Mit 47,69 Mrd. $ übertraf das Plus den bisherigen Rekord von 2006 mit 46,45 Mrd. $, laut Handelsministerium. Die Behörde begründete die Entwicklung mit der Rezession, die zu einem Importrückgang geführt habe. Die Abschwächung der heimischen Währung habe dagegen die Exporte beflügelt.
Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas steckt in der schwersten Rezession seit den dreißiger Jahren. An den Märkten hatte sich zuletzt Hoffnung breitgemacht, Brasilien könnte den schlimmsten Teil der seit zwei Jahren andauernden Talfahrt nun hinter sich haben. Das Land ist in unruhigem Fahrwasser.
(Quelle: Reuters)

Investoren gesucht

Aus der internationalen Presse

„Die Rahmenbedingungen für Projekte seien in Brasilien „schlecht bis katastrophal“, meinen rund 80 % der Unternehmer in einer Umfrage der Amerikanischen Handelskammer in São Paulo und des brasilianischen Verbands der Infrastruktur und Industrie.
Als Schwachpunkte Brasiliens werden insbesondere die kaum funktionierenden Aufsichtsbehörden genannt, die lähmende Justiz, unberechenbare Umweltauflagen sowie schlampig vorbereitete Ausschreibungen. Auch die hohen Realzinsen von knapp 5 % seien ein Problem. Ausländische Investoren schreckt zudem der schwankende Wechselkurs des Real ab.“
Stabile und verlässliche Rahmenbedingungen hätten sich auch unter der wirtschaftsfreundlichen Regierung des seit Mai 2016 regierenden Präsidenten Michel Temer noch nicht verbessert.
Trotzdem investierten ausländische Konzerne so viel in brasilianische Firmen wie zuletzt vor zehn Jahren. Die ausländischen Käufer investieren zwar im ersten Schritt meist nicht in neue Fabriken – es findet lediglich ein Aktivtausch statt. Dennoch könnte sich jetzt eine Trendwende ankündigen. Zwei Dutzend Unternehmen – unter ihnen Konzerne wie State Grid aus China, Statoil aus Norwegen oder Enel aus Italien – haben erklärt, dass sie in Brasilien deutlich wachsen wollen. Darauf setzen auch die Zulieferer: ABB etwa ist zuversichtlich, dass die Nachfrage für Maschinen und Ausrüstungen in Strom- und Ölwirtschaft schon bald deutlich anziehen wird.
Quelle: Neue Züricher Zeitung, 15.11.2016

Dirk Ruppik, Journalist
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