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Kein Geld verschleudern

Nachbesserungen und Ersatzteile
Kein Geld verschleudern

Kein Geld verschleudern
Professor Dr. jur. Karlheinz Schmid, Lüneburg
Ein Unternehmen sollte kein Geld verschleudern. Wer, wenn nicht der Einkauf, muss darauf besonders achten! Also hat er in den AEB die Voraussetzungen zu schaffen, dass beim Einbau von Ersatzteilen neue Verjährungs- fristen für die Mängelhaftung be- ginnen. Professor Dr. jur. Karlheinz Schmid erläutert hier die Feinheiten.

Während der Laufzeit eines größeren Aggregats kommt es nicht selten schon innerhalb der vereinbarten Gewährleistungszeit zum Austausch oder zur Reparatur von Anlagenteilen. Für sie beginnen in vielen Fällen neue Verjährungsfristen für Mängelansprüche, die über die Gewährleistungszeit des Hauptaggregats hinausreichen. Was aber passiert, wenn dann nach Ablauf der Gewährleistungszeit für das Hauptaggregat ein solches Ersatzteil erneut reparaturbedürftig wird? Der Lieferant rechnet in solchen Fällen nicht nach, wann die Verjährungsfrist für das Ersatzteil beim Einbau neu begonnen hat und wann sie endet, vielmehr verweist er häufig darauf, auch weil er die Einzelheiten „vor Ort“ nicht kennt, dass die Gewährleistungszeit für das Hauptaggregat abgelaufen sei und lehnt die Reklamation ab. In den meisten Fällen wird das aus Unkenntnis der Rechtslage hingenommen oder weil Nachweise fehlen, wann das erneut defekte Teil ausgetauscht oder repariert wurde. Weil keiner im Unternehmen die neuen Verjährungsfristen für Ersatzteile registriert, wird so unnötig Geld in großem Umfang verschwendet. Das geht in Deutschland pro Jahr in die zig Millionen.

Die Aufgabe des Einkaufs ist es nun sicher nicht, über die Verjährungsfristen für die Mängelhaftung von Ersatzteilen Buch zu führen. Wer aber im Einkauf daran interessiert ist, dass im Unternehmen Geld nicht unnötig verschleudert wird, sollte darauf achten, dass in den AEB die Voraussetzungen geschaffen werden, dass beim Einbau von Ersatzteilen neue Verjährungsfristen für die Mängelhaftung beginnen und dies im Erhaltungsbetrieb registriert und bei der Anforderung von Ersatzteilen auch beachtet wird. Immerhin könnten Einkäufer mit ihrem spezifischen Know-how in einkaufsrechtlichen Angelegenheiten ihren Kollegen im Reparaturbetrieb Hilfestellungen geben.
Entdeckt der Käufer einen Mangel innerhalb der vereinbarten Gewährleistungszeit oder der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 438 BGB), dann entstehen in diesem Augenblick Ansprüche aus der Mängelhaftung: Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Nach erfolglosem Ablauf einer von ihm dem Verkäufer gesetzten, angemessenen Frist zur Nacherfüllung kann er auch vom Vertrag zurücktreten (§§ 437 Nr.2, 323 BGB) oder den Kaufpreis mindern (§ 441 BGB). Diese Ansprüche muss der Käufer rechtzeitig durchsetzen, wenn er nicht Gefahr laufen möchte, dass sie verjähren. Im Regelfall wird die Verjährungsfrist für diese Gewährleistungsansprüche von den Vertragspartnern nicht vereinbart bzw. in den AEB bestimmt. Es gelten dann die gesetzlichen Verjährungsfristen des § 438 BGB, im Regelfall zwei Jahre gemäß §338 Abs. 1 Nr.3 BGB. Diese lange Zeit dürfte in der Praxis keine Probleme bedeuten, zumal während der Verhandlungen über die Ansprüche aus der Mängelhaftung deren Verjährung gehemmt ist, bis der eine oder andere Vertragspartner die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert (§ 203 BGB).
Nach Ablauf der Verjährung wäre der Verkäufer berechtigt, die Erfüllung der Ansprüche aus der Mängelhaftung zu verweigern. Erfüllt er jedoch diese Ansprüche, etwa in Unkenntnis der rechtlichen Situation, so hat er später weder einen Anspruch auf Rückforderung noch auf Vergütung (§ 214 Abs.2 BGB).
Für jeden angezeigten Mangel beginnt eine individuelle Verjährungsfrist. So viele Mängel angezeigt werden, so viele Verjährungsfristen bleiben für die Vertragspartner zu beachten. Folglich beziehen sich auch einzelne Hemmungs- und Unterbrechungstatbestände immer nur auf den jeweils geltend gemachten Mangel. Wird der Mangel beseitigt oder das defekte Teil ersetzt, beginnt für das reparierte oder ersetzte Teil nach vielen in der Praxis verwendeten AEB eine neue Gewährleistungszeit. Doch so einfach ist es nicht.
Der Achte Senat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 05.10.2005 (VIII ZR 16/05; DB 2006 S. 781) folgende, bislang viel verwendete Klausel für unzulässig erklärt: „Für im Wege der Nachlieferung durch den Lieferanten neu gelieferte oder nachgebesserte Teile beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.“
Die Richter argumentierten wie folgt: Ob Mängelbeseitigungsmaßnahmen oder -versuche des Verkäufers nach der gesetzlichen Regelung nur zu einer Hemmung oder zum Neubeginn der Verjährung der Mängelansprüche des Käufers führen, hängt davon ab, ob die betreffenden Maßnahmen als Anerkenntnis der Mängelbeseitigungspflicht des Verkäufers anzusehen sind. Das ist keineswegs regelmäßig, sondern nur dann anzunehmen, wenn der Verkäufer aus der Sicht des Käufers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewusstsein handelt, zur Mängelbeseitigung verpflichtet zu sein. Erheblich sind hierbei vor allem der Umfang, die Dauer und die Kosten der Mängelbeseitigungsarbeiten.
Hiervon weicht die Klausel in erheblichem Maße zum Nachteil der Lieferanten ab. Ihrem Wortlaut nach soll jede Neulieferung oder Nachbesserung eines gelieferten Teils ohne Rücksicht auf deren Umfang, Dauer und Kosten die Verjährungsfrist für die neu gelieferten oder nachgebesserten Teile erneut in Gang setzen. Selbst ein ausdrücklicher Vorbehalt des Lieferanten, den behaupteten Mangel mit Rücksicht auf den geringfügigen Beseitigungsaufwand nur aus Kulanz, zur Vermeidung von Streitigkeiten oder im Interesse des Fortbestands der Lieferbeziehung zu beseitigen, könnte nach dem Wortlaut der Klausel den Neubeginn der Verjährung nicht verhindern. Diese Regelung benachteiligt die Lieferanten unangemessen, weil die Beklagte damit durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten ihrer Vertragspartner durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch deren Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihnen einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.
„Die Klausel ist wegen dieser unangemessenen Benachteiligung der Lieferanten insgesamt unwirksam. Zwar sind durchaus Fälle denkbar, in denen Nacherfüllungsmaßnahmen eines Lieferanten zur Folge haben, dass die Verjährung nach § 438 BGB – unbeschränkt – neu beginnt.
Bei der Lieferung einer Ersatzsache nach § 439 BGB mag das sogar die Regel sein. Eine Nachbesserung wird dem gegenüber, sofern sie überhaupt einen Neubeginn der Verjährung zu bewirken vermag, regelmäßig nur insoweit Einfluss auf die Verjährung nach § 438 BGB haben, als es sich um denselben Mangel oder um die Folgen einer mangelhaften Nachbesserung handelt.“
Berücksichtigt man dieses Urteil, könnte eine entsprechende AEB-Klausel wie folgt lauten:
„Liefern Sie im Rahmen der Nacherfüllung Ersatz, so beginnt die Verjährungsfrist für das ersatzweise gelieferte Teil mit dessen Einbau/Abnahme neu zu laufen. Bei einem nachgebesserten Teil beginnt die Verjährungsfrist mit Beendigung/Abnahme der Nachbesserung. Diese Regelung gilt nicht, wenn nur ein geringfügiger Mangel eines gelieferten Teils durch Ersatzlieferung oder Nachbesserung ohne nennenswerten Aufwand an Zeit und Kosten beseitigt werden konnte. Sie gilt auch dann nicht, wenn die Ersatzlieferung oder Nachbesserung unbestritten aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits oder im Interesse des Fortbestands der Lieferbeziehung erfolgte.“
Für jedes wegen eines erheblichen Mangels ersetzte oder nachgebesserte Teil beginnt im Rahmen der vorgeschlagenen Klausel eine neue Verjährungsfrist für Mängelansprüche. Mangels individueller Vereinbarungen gilt für diese Teile die gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren. Diese mangelspezifische Betrachtungsweise lässt einen einheitlichen Verjährungsablauf für die Gesamtanlage nicht zu. Während die Gesamtanlage sich bereits außerhalb der Gewährleistung befindet, ist es durchaus möglich, dass für reparierte oder ersetzte Teile die Verjährungsfrist noch läuft.
Die Zeit für die Mängelhaftung der gesamten Maschine endet 24 Monate nach Ablieferung/Abnahme, wenn nicht eine längere Gewährleistungszeit individualvertraglich vereinbart wurde. Dann ist die Gesamtanlage, wie es in der Praxis heißt, „aus der Gewährleistung raus“. Aber für das im sechsten Monat nach der Lieferung gelieferte und im Rahmen einer anerkannten Reklamation eingebaute Ersatzteil A hat die 24-monatige Verjährungsfrist für die Mängelhaftung erneut begonnen und ragt damit sechs Monate über das Ende der Verjährungsfrist für die Gesamtanlage hinaus. In diesen sechs Monaten nach Ablauf der Verjährung für die Gesamtanlage können weitere Ansprüche aus der Mängelhaftung geltend gemacht werden, wenn das im sechsten Monat eingebaute Ersatzteil erneut reparaturbedürftig werden sollte. Entsprechendes gilt für das im zwölften Monat nach der Lieferung der Maschine nachgebesserte Maschinenteil B. Hier kann noch bis zu zwölf Monate nach Ablauf der Gewährleistung für die gesamte Maschine reklamiert werden, wenn das nachgebesserte Teil erneut „ausfallen“ sollte.
Beweise sichern! Für die Durchsetzung solche Reklamationen nach Ablauf der Verjährungsfrist für die Mängelhaftung der Maschine bedarf es jedoch, sollte sich der Verkäufer widersetzen, genauer Uraufschreibungen bzw. einer Sammlung der geführten Korrespondenz:
  • Wann wurde die Reklamation dem Lieferanten/Verkäufer gemeldet? Von wem?
  • Hat sich der Lieferant zu der Reklamation geäußert? Wie?
  • Liegen diese Unterlagen vor?
  • Wer ist von unserer Seite federführend bei den Reklamationsverhandlungen?
  • Wer sollte sonst daran teilnehmen?
  • Wurde die Rechtsabteilung eingeschaltet?
  • Hat eine Besprechung „vor Ort“ stattgefunden? Gibt es hierüber ein Protokoll?
  • Wurde dieses Protokoll von beiden Seiten unterschrieben?
  • Wann wurde mit der Reparatur begonnen, wann wurde sie beendet?
  • Gibt es hierüber Unterlagen, ein Abnahmeprotokoll?
  • Wer überwacht die neuen Verjährungsfristen für die ersetzten oder nachgebesserten Maschinenteile?
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