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Kosten des Lieferanten auf dem Prüfstand des Cost Engineering

Cost Engineering im Einkauf
Kosten des Lieferanten auf dem Prüfstand des Cost Engineering

Kosten des Lieferanten auf dem Prüfstand des Cost Engineering
Cost Engineering zielt auf einen optimierten Kostenrahmen. Mittels einer professionellen Produktkostenanalyse lassen sich komplette Produkte in Bestandteile zerlegen und technische Zeichnungen auswerten. (Bild: Bananenstaude/Fotolia)
Durch eine professionelle Kostenanalyse lassen sich komplette Produkte in ihre Bestandteile zerlegen, Prototypen analysieren und technische Zeichnungen auswerten. Das schafft Transparenz über eigene Kostenstrukturen und die Preisgestaltung bei Lieferanten. Ziele: Beeinflussung des Spends und Kostenvermeidung in der Zukunft.

Werden Produkte und Komponenten immer zu den richtigen Preisen eingekauft? In vielen Unternehmen fehlen grundlegende und genaue Informationen darüber, wie Lieferanten oder Dienstleister im Einzelnen kalkulieren. OEMs und eine Reihe von Mittelständler sind bestrebt, bei Neuentwicklungsprojekten sämtliche kostenrelevanten Teile einer Design- und Kostenanalyse zu unterziehen. Aber in vielen Fällen ist der Mittelstand noch nicht einmal befähigt, die eigenen Herstellkosten exakt zu bestimmen. Grund: Die allgemeine Mischkalkulation verstellt den Blick auf Kostentreiber, Einzel- und Gemeinkosten. So fließen beispielsweise oft Werte für längst abgeschriebene Maschinen ein. Auch die eigenen Deckungsbeiträge sind vielfach nicht hinreichend belegbar. Nicht selten werden noch immer Werte via Excel händisch fortgeschrieben. Das ist nicht nur höchst fehleranfällig, sondern auch alles andere als compliancegerecht. Der Einkauf soll Wertschöpfung schließlich maßgeblich beeinflussen, indem er die globale Lieferantenbasis handlungs- und ergebnissicher betreut.

Neue Erkenntnisse durch Externe

Die Etablierung wertsteigernder Beschaffungs- und Analysestandards erfordert Zeit und spezielles fachliches Know-how – was aber branchenübergreifend vielfach intern nicht zur Verfügung steht. Das ist vielen Unternehmensvertretern durchaus bewusst. Wer aber an dieser Stelle den Denkprozess beendet und sich damit den scheinbar unveränderlichen Rahmenbedingungen unterwirft, lässt wertvolles Potenzial verpuffen. Hier kann der Rückgriff auf zeitweilig parallel im Unternehmen agierende Dienstleister echten Mehrwert bringen. Zugleich wird Methoden- und Erfahrungswissen hinsichtlich Value Management und Cost Engineering ins Unternehmen getragen.

Entwicklung, Einkauf und Marketing haben meist kein einheitliches Verständnis von Produktnutzen und Zusammenarbeit. Darum sollte schon im Vorfeld die Bedeutung und Dringlichkeit von Value Management und Cost Engineering für mehr Wertschöpfung betont werden. Voraussetzung für erfolgreiche Projekte: Unterstützung der Geschäftsleitung, cross-funktionale Ideenfindung, abgestimmte Vorgaben und eine eindeutige Aufgaben- und Verantwortungszuordnung.

Cost Engineering birgt große Potenziale. Im Industriesektor profitieren beispielsweise Unternehmen aus den Branchen Automotive, Maschinenbau und Landtechnik. Besonders groß ist der Effekt etwa in der Medizintechnik. Hier gilt es der Komplexität teilweise hochsensibler Produkte und den damit verbundenen hohen Ansprüchen an die Qualität gerecht zu werden. Und: Lieferanten erzielen im Sektor Medizintechnik bei geringen Stückzahlen verhältnismäßig große Gewinnspannen. Dort, wo viele Standardteile gefertigt bzw. in großen Stückzahlen eingekauft werden, sind die Margen geringer. Die Größe eines Unternehmens ist allerdings unerheblich. Allen Wertanalyseprojekten liegt das Bestreben zugrunde, auf Basis der gewonnenen Transparenz mit dem detaillierten Wissen um Preise, Produktionsbedingungen und Toleranzen künftig auf Augenhöhe zu verhandeln.

Auch Make or Buy unter der Lupe

Cost Engineering zielt auf einen optimierten Kostenrahmen. Mittels einer professionellen Produktkostenanalyse lassen sich komplette Produkte in Bestandteile zerlegen, Prototypen analysieren und technische Zeichnungen auswerten. Jedes einzelne dieser Bauteile wird wert- und kostenanalytisch betrachtet. Hieraus entstehen strategische Fragen nach Alternativen zu bestehenden Materialien, Lösungen und kostengünstigeren Produktionsarten, nach Verbesserungspotenzialen in Konzepten und Plänen und nach Ableitung von Zielpreisen in der frühen Entwicklungsphase. Zudem lässt sich die zukünftige Höhe der Produktionskosten an verschiedenen Produktionsstandorten simulieren. Im Laufe eines Projektes stellt sich dann auch die Frage, wann es sich lohnt, Fertigung oder Sourcing zu verlagern. Das kann in der Konsequenz beispielsweise bedeuten, die heimischen deutschen Standorte aufgrund höherer Verfügbarkeit und geringerer Kosten für Anschaffung und Wartung zu stärken. Denn: Auslandsaktivitäten sind unter Vollkostenbetrachtung nicht immer die bessere Wahl. Auch bei Make-or-buy-Entscheidungen ist die dezidierte Analyse von Produkten und Preisen unerlässliche Basis für den späteren nachhaltigen Erfolg.

Kostenziele nicht unter 15 Prozent

Ausgangspunkt der Wertanalyse ist ein geprüfter, entscheidungsreifer Handlungsvorschlag zum Erreichen eines angestrebten Ziels. Zunächst gilt es für das einzelne Projekt festzulegen, ob die Kosten gesenkt werden sollen. Steht die Steigerung des Kundennutzens im Mittelpunkt, ist der Funktionswert anhand eines abgestuften Funktionsbaumes zu analysieren. Eine Funktionssubventionierung ist dabei tunlichst zu vermeiden. Should Costs und die vom Controlling ausgegebenen Zielkosten sollten parallel schon in der erfolgskritischen Entwicklungsphase des Produkts fokussiert werden. Bei quantifizierbaren Wertverbesserungen sollten Ziele nicht unter 15 Prozent liegen. Bei Wertgestaltungsaufgaben hingegen geht es im Allgemeinen um die Erreichung der Zielkosten. Zu betrachten sind neben den Gaps der eigenen Vorgängermodelle auch die Produkte des Wettbewerbs. Hier helfen Benchmarks sowie eine breit angelegte, laufend zu pflegende Datenbank, die Unternehmen allerdings in aller Regel nicht selbst vorhalten können. Ein externer Dienstleister sollte also unbedingt in der Lage sein, Einkaufsartikel detailliert anhand seiner hinreichenden Datenbasis nachzukalkulieren. Belastbare Aussagen müssen sich auch dann eruieren lassen, wenn aktuelle Bestandslieferanten in der Produktion nicht besucht wurden. Die Vielzahl an Vergleichswerten macht es dann auch möglich, Produktionskosten von Konkurrenten zu analysieren.

Falschen Annahmen auf den Grund gehen

Voraussetzung für detailliertes Cost Engineering sind Kostenstrukturanalysen des im Fokus stehenden Lieferanten – das ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn es um eine langfristige Partnerschaft und gemeinsame Innovationsgenerierung geht. In der Regel geschieht das auf Basis bestehender Datensätze des Lieferanten. Auch wenn keine Kooperationsbereitschaft auf der anderen Seite besteht, sollten sich dennoch präzise Kostenanalysen aufgrund umfangreicher branchenspezifischer Benchmark-Daten und verfügbarer Informationen (Wissen des Dienstleisters) erstellen lassen. Als Argumentation ist ins Feld zu führen, dass dabei auch der Lieferant wichtige Hinweise zur eigenen Effizienzsteigerung bzw. für präzisere Berechnungen in seinem Haus erhält. Oft verhindern nämlich unzulängliche Strukturen, dass der Vertrieb alle notwendigen Zahlen und die Parameter kennt bzw. versteht. Er geht dann mit falschen Annahmen in die Verhandlung.

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass etwa Bleche in Unkenntnis technischer Anforderungen auf einer überdimensioniert ausgelegten Maschine gewalzt werden. Warum sollte der Einkäufer für unprofessionelle Prozesse und mangelndem Output beim Lieferanten höhere Preise bezahlen? Es empfiehlt sich, in speziellen Fällen den eigenen Cost Engineer in die Preisverhandlung mit dem Lieferanten hinzuzuziehen. Das bessere Verständnis und der Informationsvorsprung sind schließlich Trümpfe. Gemeinsam lässt sich dann auf sachlicher Ebene mit guten Argumenten darlegen, warum ein Angebotspreis nicht akzeptabel ist und wo dieser „vernünftigerweise“ liegen müsste. In diesen Gesprächen profitieren alle Beteiligten von einer klaren Rollenverteilung während der Verhandlung.

Welche Bearbeitungsmethoden zur Anwendung kommen, hängt nicht nur von der Problemstellung selbst ab, sondern auch vom Wissensstand, dem Bildungsniveau und der Kreativität der Beteiligten. Gängige Softwareprogramme zur Wertanalyse sind keine adäquate Lösung; sie erfassen in der Regel nicht die ganze Bandbreite möglicher Einflussgrößen. Materialkosten sind lediglich eine Zutat des Kuchens. Darüber hinaus sind Abschreibungsfaktoren, kalkulatorische Zinsen, Werkzeuge sowie Wartungs- und Energiekosten feste Parameter, die Kalkulationen des Lieferanten maßgeblich bestimmen. Hinzu kommen diverse variierende und differenzierende Bedingungen an unterschiedlichen Fertigungsstandorten.

Die Geschäftsleitung sollte abwägen, ob der Aufbau einer speziellen Kalkulationsabteilung infrage kommt. Versierte Experten sind rar gesät und darum entsprechend umworben. Ein externer Moderator hat den Vorteil der Neutralität. Er kann im Idealfall auch die unterschiedlich motivierten Beteiligten durch Coaching entsprechend mitnehmen. Empfehlenswert ist unbedingt, Externe vor einer Projektzusage in Sachen Cost Engineering und Value Management gezielt nach belastbaren Referenzprojekten und konkreten Lösungsansätzen in unterschiedlichen Fertigungstechnologien zu befragen.


Cost Engineering

Methodenmix und Phasen

Should Costing

  • Analyse existierender eingekaufter Produkte/Dienstleistungen
  • Benchmarking von Preisen/Konditionen
  • Verifizierung der Should Costs
    (Workshops: intern und mit Lieferanten)
  • Faktenbasierte Verhandlungsstrategie
  • Basis für Reengineering/Design-to-Cost
  • Basis für Make-or-Buy-Entscheidungen
  • Mitarbeitertrainings

Reengineering

  • Optimierung existierender Produkte/Dienstleistungen
  • Ermittlung von Kostentreibern (Workshops)
  • Selektion der wirtschaftlichsten
    Rohmaterialien/Dienstleistungen
  • Carry-over-Parts (COP; Gleichteile)
  • Standardteile
  • Eliminierung von Over-Engineering
  • Ermittlung von zusätzlichem Einsparpotenzial
  • Mitarbeitertrainings

Design-to-Cost

  • Optimierung von Produktentwicklungsprozessen (Kaufteile/Inhouse-Teile)
  • Ermittlung von Kostentreibern (Workshops)
  • Modulares Design
  • Fertigungsspezifisches Design
  • Konfigurationsdesign
  • Carry-over-Parts
  • Standardteile
  • Wirtschaftlichste Maßnahmen in der Frühentwicklungsphase
  • Mitarbeitertrainings

Quelle: Lars Keller, VDMG cost engineering


Lars Keller
Geschäftsführender Gesellschafter
VDMG cost engineering GmbH Zum Unternehmen

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