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Lieferanten und Lebensretter

Risikomanagement
Lieferanten und Lebensretter

Lieferanten und Lebensretter
„Risiko- und Krisenmanagement im Einkauf“. Methoden zur aktiven Kostensenkung Gabath, Christoph Gabler Verlag, Wiesbaden 2010, 208 Seiten, 42,95 Euro Der Autor Christoph Gabath ist Interimsmanager und Berater im Bereich Einkauf. Rettungsring gesucht: Instrumente des Einkaufs in der Liquiditätskrise. (Foto: Sanders/Fotolia)
Hohe Kosten können Unternehmen schnell in Schwierigkeiten bringen. Liquiditätskrisen braucht der Einkauf aber nicht zu fürchten: Sein Risiko- management kann die Existenz des Betriebes sichern, indem er zum Beispiel die Lieferanten in die Sanierung einbezieht. So werden aus Lieferanten Lebensretter.

Lieferanten sind auch Gläubiger. Und oft genau so wichtig wie die Banken. Das heißt, an einer Pleite ihres Kunden haben sie null Interesse. Und der Kunde ist das einkaufende Unternehmen. Daher liegt es nahe, von den Lieferanten „Sanierungsbeiträge“ zu verlangen.

Dazu müssen auf Lieferantenseite der Wille und die Fähigkeit vorhanden sein, solche Beiträge zu leisten. Der Wille des Lieferanten hängt von der Bedeutung und strategischen Positionierung des Kunden bei ihm ab. Die Fähigkeit des Lieferanten orientiert sich an seiner eigenen Finanz- und Ertragssituation. Christoph Gabath empfiehlt hierzu in seinem Buch „Risiko- und Krisenmanagement im Einkauf“ durch eine Nutzwertanalyse diejenigen Lieferanten anhand eines „Beistandsfaktors“ zu identifizieren, die für die Verhandlung von harten Sanierungsbeiträgen infrage kommen. Dazu ist ein Punkteverfahren anzuwenden. Im konkreten Sanierungsfall muss dann die Analyse zur Identifikation von Lieferanten qualitativ direkt bestimmt oder durch die vom Autor beschriebene Nutzwertanalyse in drei Stufen durchgeführt werden. Dabei findet zunächst eine Auswahl der vorhandenen A-Lieferanten bezüglich ihres Willens und ihrer Fähigkeit statt. Anschließend werden die Möglichkeiten geprüft, geeignete vorhandene sowie neue A-Lieferanten zu identifizieren. Danach werden geeignete vorhandene B-Lieferanten ausgewählt.
Im Zuge einer Liquiditätskrise gilt es, Erleichterungen für bestehende Lieferantenverbindlichkeiten sowie die Verbesserung der Liquiditätssituation durchzusetzen, um eine Überschuldung abzuwenden. Als Mittel eignen sich hierzu eine Stundung, ein Forderungsverzicht gegen Besserungsschein sowie ein Rangrücktritt. Dabei lässt sich die Stundung von fälligen Forderungen am leichtesten durchsetzen. Dies bedeutet das Hinausschieben der Fälligkeit einer Verbindlichkeit bei Fortbestehen der Erfüllbarkeit. Die Bereitschaft für einen Forderungsverzicht wird auch mit einem Besserungsschein oder mit Optionen für den späteren Erwerb von Aktien erhöht. Damit erhöhen die betroffenen Gläubiger die Möglichkeit, von einer positiven Entwicklung des Unternehmens nach der Sanierung zu profitieren. Der Forderungsverzicht der Lieferanten auf Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen generiert „echte“ Liquidität. Reine Verzichte auf bestehende Forderungen der Banken auf Betriebsmittelkredite hingegen eignen sich ohne Zuführung von frischen Mitteln nicht zur Liquiditätssicherung. Der Rangrücktritt ist ein Vertrag über eine dem Gläubiger gegen das Krisenunternehmen zustehende Forderung. Vereinbaren die Gläubiger untereinander den Rücktritt der Forderung eines Gläubigers hinter die Forderungen der anderen Gläubiger, dient dies den begünstigten Gläubigern als Sicherungsmittel . Man spricht dabei von einem „relativen Rangrücktritt“. Bei dem „qualifizierten Rangrücktritt“ dagegen verfolgt die Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Gläubiger den Zweck, die Forderung wie Eigenkapital zu binden.
Debt-Equity-Swap. Beim Debt-Equity-Swap werden Verbindlichkeiten in Eigenkapital umgewandelt. Diese erfolgt teilweise oder vollständig im Rahmen einer Kapitalerhöhung. Dadurch „bezahlt“ der Gläubiger seine Beteiligung mit der eingebrachten Forderung.
Für die Gesellschafter und Gläubiger eines Krisenunternehmens gilt es zu entscheiden, ob das Unternehmen liquidiert oder saniert werden soll. Bei den Gläubigern ist vor allem das zu erwartende Ausfallrisiko im Falle einer Liquidation, die künftige Geschäftsentwicklung sowie der Druck der Öffentlichkeit entscheidend.
Liquiditätsbüro. Im Rahmen einer Restrukturierung ist darüber hinaus ein Liquiditätsbüro einzurichten. Dies ist für eine nachhaltige Sicherung der Liquidität neben dem Controlling mit Vertretern des Einkaufs zu besetzen. Die Kernaufgabe des Liquiditätsbüros besteht darin, die Verwendung von Liquidität transparent zu machen, Genehmigungsprozesse bei Investitionen und definierten Ausgaben einzuführen sowie neue Organisationsanweisungen zur Sicherung der Liquidität umzusetzen und zu überwachen. Eine der wichtigsten Maßnahmen des Liquiditätsbüros ist der sofortige Stopp von Investitionen, die keine kurzfristige Amortisation und/oder definierte Mindestrendite erzielen. Zudem bedürfen alle weiteren Investitionen der Zustimmung durch das Liquiditätsbüro. Lieferanten investieren zwar in der Regel keine liquiden Mittel in das Krisenunternehmen. Aber es kann doch eine Ausweitung des bisherigen Kreditrahmens möglich werden. Dieser gibt an, bis zu welcher Höhe Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen gegenüber einem Kunden akzeptiert werden. Damit ermöglicht die Ausweitung des Kreditrahmens dem Krisenunternehmen, in erweitertem Umfang Waren zu beziehen, ohne dass sofort die Liquidität belastet wird. Daher ist diese Maßnahme mit einer Vergabe von zusätzlichen Krediten bei Banken vergleichbar. Dabei sind die Zahlungsbedingunegn der Lieferanten verhandelbar und können somit durch das Krisenunternehmen beeinflusst werden. Darin liegt für den Einkäufer eine Chance, finanzielle Vorteile auszuhandeln. Es besteht allerdings auch ein großer Nachteil in der Finanzierung durch Lieferantenkredite: das Leverage-Risiko, das sich mit ansteigendem Verschuldungsgrad progressiv erhöht.
bestandsmanagement. Das Bestandsmanagement gewinne in der Liquiditätskrise als Instrument zur Steigerung der Innenfinanzierungskraft an zusätzlicher Bedeutung, sagt Gabath. Es umfasst alle Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, Bestände im Hinblick auf Liquidität und Kapitalrentabilität abzubauen. Eine systematische Handhabung der Bestände senkt also den Kapitalbedarf der Organisationen und ist ein zentraler Einflussfaktor für den Restrukturierungserfolg.
Zum Abbau von Vorräten sind Maßnahmen zu entwickeln, die den gesamten betrieblichen Wertschöpfungsprozess betreffen. Eine Leistungserstellung, die sich an einer Optimierung des Working Capitals orientiert, nutzt alle Maßnahmen zur Absenkung von Durchlaufzeiten und Herstellungskosten, um die Vorratshaltung bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, unfertigen und fertigen Erzeugnissen zu reduzieren.
Dabei wird dem Thema Bestandsmanagement in der betrieblichen Praxis meist nur wenig Beachtung geschenkt. Aufgrund der funktionalen Nähe zur Beschaffung sollte laut Gabath das Bestandsmanagement als Aufgabe eindeutig dem Einkauf zugeordnet sein.
Sicherung der Liquidität. Die primäre Zielsetzung des Verkaufs von Vermögensgegenständen ist die Sicherung der Liquidität. Durch die Aufdeckung von stillen Reserven kann die Eigenkapitalsituation optimiert werden. Bei der Planung und Durchführung der Maßnahmen trägt der Einkauf die maßgebliche Verantwortung. Denn er hat die Vermögensgegenstände beschafft und verfügt somit über das erforderliche Know-how über diesen bzw. die relevanten Märkte.
Eine weitere Möglichkeit der „Sanierungshilfe“ durch Lieferanten sind Desinvestments. Dabei ist zwischen betriebsnotwendigem und nicht betriebsnotwendigem Vermögen zu unterscheiden. Sonstiges, nicht betriebsnotwendiges Vermögen kann verkauft werden, ohne die betriebliche Leistungserstellung zu beeinträchtigen. Da letztlich der Bedarf an betriebsnotwendigem Vermögen durch leistungswirtschaftliche Funktionen und die Unternehmensstrategie festgelegt wird, ist bei dieser Unterteilung eine bereichsübergreifende Abstimmung nötig.
Sale And Lease BAck. Lieferanten können Unternehmen auch durch das Sale and Lease Back helfen. Dies ist eine Sonderform des Leasings, bei der ein Gegenstand an eine Leasinggesellschaft verkauft und zur weiteren Nutzung gleichzeitig wieder zurückgeleast wird. Durch den Kaufpreis wird Kapital freigesetzt und ein Unternehmen erhöht kurzfristig seine Liquidität. Es kann das Objekt aber weiterhin nutzen. Die neu geschöpfte Liquidität steht dann für andere Investitionen zur Verfügung. Zudem kann sich dadurch ein erheblicher Steuervorteil ergeben, dass Leasingraten als Betriebsausgabe abgesetzt werden können. Schließlich resultiert aus der positiven Beeinflussung des Verhältnisses von Eigen- und Fremdkapital eine positive Bilanzoptik. Wie Gabath zeigt, gibt es mehrere Möglichkeiten, wie Lieferanten als Gläubiger ein Unternehmen in schwierigen Zeiten unterstützen können. Dabei spielt der Einkauf eine wichtige Rolle, beispielsweise um dem Unternehmen einen Teil der Last einer drückenden bilanziellen Schuldenposition zu nehmen oder wenn das Unternehmen versucht, mit weniger Working Capital auszukommen. In der Krise greifen die Standardmaßnahmen Personalabbau, Schließung von Werken und finanzwirtschaftliche Sanierung zu kurz. Oftmals verzögern diese das endgültige Aus des Unternehmes lediglich. „Sanierungshilfen“ von Lieferanten dagegen können eine wirkliche Hilfe für Unternehmen in Krisenzeiten sein. cm
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