Die Übernahme von Innogy durch Eon ordnet nicht nur den Energiemarkt neu. Im Interview sagt Claudia Viohl, CPO von Eon, worauf es ihr ankommt. Sie hat nach der Übernahme der Innogy die Gesamtleitung des Einkaufs übernommen. Jetzt steht sie vor der Herausforderung, 750 Einkäufer aus zwei verschiedenen Organisationen neu zu orchestrieren. „Konsequent, analytisch, empathisch, langer Atem: Claudia Viohl bringt Fähigkeiten mit, die gerade jetzt gefragt sind“, analysiert unsere freie Mitarbeiterin Sabine Ursel die Situation.
Beschaffung aktuell: Frau Viohl, zu Beginn müssen wir das wohl größte Tauschgeschäft der deutschen Energiewirtschaft noch einmal beleuchten. In welchem Stadium befinden sich die drei beteiligten Unternehmen Eon, RWE und Innogy derzeit, also im November 2019?
Claudia Viohl: Nach der erfolgreichen Übernahme von Innogy durch Eon Mitte September sind wir jetzt mitten in der Integration. Unser sogenannter „Day one“ war der 19. September. Damit sind wir wenige Tage nach der Freigabe der Transaktion durch die EU-Kommission Eigentümerin der zuvor von RWE gehaltenen Anteile an Innogy geworden, und wenige Tage später haben wir auch das freiwillige öffentliche Übernahmeangebot an die Minderheitsaktionäre von Innogy vollzogen. Die Erneuerbaren Energien haben wir an RWE abgegeben. Schon bald werden wir uns also als kundenorientierter Innovationstreiber konsequent auf unsere Kerngeschäfte – intelligente Stromnetze und Kundenlösungen – fokussieren können. Davon profitieren besonders unsere Kunden, mit denen wir die neue Energiewelt gemeinsam gestalten möchten. Eon wird gemeinsam mit seinen Kunden und Partnern einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz in Europa leisten.
Beschaffung aktuell: Sie sind seit 2016 CPO bei Eon und bleiben es auch in der neuen Konstellation. Glückwunsch dazu. Wie hat sich Ihr Wirkungsbereich damit geändert?
Viohl: In der alten Eon habe ich den Einkauf für unser Netz- und Kundenlösungsgeschäft sowie für das Geschäft mit erneuerbarer Energie, also Solarstrom sowie On- und Offshore-Windkraftanlagen, verantwortet. Zudem bin ich zuständig für den Einkauf von Komponenten und Dienstleistungen für die kerntechnischen Anlagen unserer Tochter Preussen-Elektra, die aber nicht zu unserem Kerngeschäft gehört. Wie Sie wissen, wird 2022 unser letztes Kernkraftwerk vom Netz gehen, ab dann werden wir nur noch im Rückbau aktiv sein. Das Kerngeschäft der neuen Eon SE – und damit mein Kerngeschäft – sind somit ab sofort vor allem Energienetze und Kundenlösungen. Dieses Geschäft wird sich nahezu verdreifachen. Eon hat jetzt 50 Millionen Kunden in fünfzehn Ländern, darunter in Deutschland, England, Schweden und Osteuropa. Unsere Einkäufer sitzen in all diesen Ländern. Wir sind von ehemals 450 Mitarbeitern auf rund 750 gewachsen, hinzu kommen die rund 250 Kollegen in Lager und Logistik.
Beschaffung aktuell: Mit Transformationsprojekten haben Sie viel Erfahrung. Den Eon-Konzern kennen Sie seit 2001 – damit auch viele Ups and Downs der Branche. Digitalisierung, Disruption und Change erfordern an sich schon höchstmögliche Flexibilität. Das frisst viel Energie. Und nun on top eine solche Herkulesaufgabe. Warum tut man sich das freiwillig an?
Viohl: Vorweg: Ich kann das und ich will das. Aber ich habe mich schon gefragt, ob ich nochmals bereit bin, die Verantwortung für eine solche Transaktion zu übernehmen. Nicht nur ich, sondern alle Führungskräfte haben in den nächsten Jahren eine besondere Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern und Kunden, Investoren und Kommunalvertretern. Aber zugleich ist das Ganze extrem spannend. Energie hat eine immense Bedeutung für die Weiterentwicklung der Gesellschaft. Dezentrale und grüne Energie, Klimaschutz, Digitalisierung … hier müssen wir in kurzen Zeiträumen laufend innovieren. Und der Einkauf spielt bei all dem eine entscheidende Rolle, das ist doch großartig. Das geht freilich nur in enger Abstimmung mit vielen internen und externen Partnern. Sie sehen, es gibt genügend Gründe, um die CPO-Rolle entsprechend zu interpretieren.
Beschaffung aktuell: Mitte der neunziger Jahre haben Sie sich im Studium auch mit Arbeitspsychologie beschäftigt. Kommt Ihnen das heute zugute?
Viohl: Ja, das tut es! Meine Aufgabe ist es, zwei Einkaufsabteilungen mit hochprofessionellen Menschen aus zwei gewachsenen Unternehmenskulturen zusammenzuführen und Vertrauen zu schaffen. Eine ganze Reihe von Mergern in allen Branchen sind unter anderem auch am erfolgskritischen Faktor „Unternehmenskultur“ gescheitert.
Beschaffung aktuell: Warum sollte das bei Ihnen anders sein?
Viohl: Weil wir dieses Thema früh als erfolgskritisch identifiziert haben und sehr ernsthaft auf die Menschen schauen. Unser CEO Johannes Teyssen hat die Arbeit an einer neuen, starken Unternehmenskultur zu seinem persönlichen Thema gemacht. Ich selbst habe schon in den ersten sechs Wochen nach dem sogenannten „Day one“ 160 Innogy-Einkäufer in Essen und Dortmund persönlich kennengelernt. Zunächst in kleinen Gruppen an drei Tagen. Und zwar nicht nur, um deutlich zu machen, wie sie zum Unternehmenserfolg beitragen können, sondern um über Einstellungen, Werte und Erfahrungen zu sprechen. Es geht um den Aufbau von Vertrauen.
Beschaffung aktuell: Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
Viohl: Wenn wir nun bestimmte Aufgaben anders angehen wollen, bedeutet das keinesfalls, dass wir die gute Performance in der Vergangenheit infrage stellen. Die neuen Kollegen sind zurecht stolz auf ihre Kultur und ihren „way of working“, ebenso auf ihre Erfolge bei der Digitalisierung und die Prozesseffizienz. Eon bringt hingegen einen großen Erfahrungsschatz in der Anwendung von Best Practice Tools und Methoden zur Erschließung des Lieferantenmarktpotenzials mit, z. B. Kostentreiberanalysen, Should Cost Modelling oder Tear-Down-Analysen. Toll ist zu sehen, dass das „Wir“ wenige Wochen nach „Day one“ bereits an vielen Stellen im Einkauf gelebt wird. Die Kollegen treten bereits vielfach als Tandem auf, das freut mich sehr.
Beschaffung aktuell: Welche anderen Integrationsmaßnahmen haben Sie umgesetzt?
Viohl: Wir haben zum Beispiel einen Video-Chat mit unseren 750 Einkäufern initiiert. Daran konnte sich jeder beteiligen. Das Management-Team hat sich in Tandems – je ein Kollege von Innogy und einer von Eon – vorgestellt. Ich wollte damit schon früh fördern, dass sich alle künftig als eine Mannschaft mit gemeinsamer DNA begreifen. Ich bin davon überzeugt: Wenn wir genau zuhören, von den anderen lernen und die Fähigkeiten beider Seiten ehrlich wertschätzen, dann sind wir gemeinsam wesentlich stärker. Eine andere Maßnahme war die Zusammenführung unserer 300 Category Manager in gemeinsamen Trainingssessions. Hier wurde unter anderem besprochen, wie wir uns künftig abstimmen wollen, wer bisher wie beim Lieferanten agiert hat, wie wir zukünftig mit einer Stimme sprechen, wie wir Ausschreibungen angehen. Das Einschwören geht kontinuierlich weiter. Integration macht nur Sinn, wenn man das Beste beider Seiten zu adaptieren versteht.
Beschaffung aktuell: Wie kommuniziert man mit einer so großen Mannschaft?
Viohl: Wir nutzen konzernweit seit Jahren rege unsere E.ON-Connect-App. Die hat das Intranet ersetzt. Hier teilen wir auf Deutsch und Englisch im geschlossenen Bereich Supply Chain unsere Strategien und anderen fachlichen Input, aber auch allgemeine News, Fotos und Anregungen. Den erwähnten Video-Chat haben wir dort auch eingestellt. Wie bei Facebook kann jeder auch wählen, in welchen Gruppen er mitlesen und posten will. Den Großteil der neuen Innogy-Kollegen im Einkauf hatten wir schon nach wenigen Tagen angebunden, darauf sind wir sehr stolz. Alle Einkaufsmitarbeiter sind nun immer auf dem neusten Stand. Ich habe über die App zum Beispiel gelesen, dass zwei unserer Warengruppenmanager für Kabel kurz nach der Übernahme von Innogy schon den ersten Lieferantentag für Kabel gemeinsam durchgeführt haben.
Beschaffung aktuell: Über schöne Präsentationen hinaus: Kennen alle Einkäufer die Strategien, Ziele, Zahlen, Aufgaben und Kausalitäten? Viele Unternehmen schaffen es nicht, Transparenz bis hinunter zum operativen Einkauf herzustellen.
Viohl: Darin sind wir schon sehr gut. Ich kenne kein „zentral“ und kein „dezentral“. Ich sitze quasi nur zufällig in Essen, könnte meinen Job aber von jedem anderen Standort aus ausüben. Wir haben ein Dashboard, aus dem unsere Mitarbeiter in allen Ländern die Einkaufsziele aus den Geschäftszielen ableiten können. Wir quantifizieren die Ziele dann für den Einzelnen. Und in Roadshows komme ich dann beispielsweise immer wieder auf diese Ziele und die dazugehörigen Maßnahmen zurück. Kommunikation muss immer zielgruppengerecht sein.
Beschaffung aktuell: Definieren Sie jetzt die Rollen im Einkauf neu?
Viohl: Eon hatte bereits im Jahr 2018 neue, konzernweit vereinheitlichte Rollen definiert und implementiert. Schon im Vorfeld der Übernahme hatten wir uns also das gesamte Modell nochmal genau angeschaut und entsprechend validiert. Aus meiner Sicht ist aber ein noch viel entscheidenderer Erfolgsfaktor für den Einkauf die Qualifizierung unserer Mitarbeiter. Darin investieren wir sehr viel. Als ich 2016 CPO wurde, habe ich unsere Einkäufer-Akademie ins Leben gerufen. Darüber zertifizieren wir pro Jahr rund 30 Mitarbeiter. Gut 90 Prozent unserer Mitarbeiter haben einen persönlichen Entwicklungsplan. Basierend darauf kann jeder noch in einem Zweijahresplan mit seinem jeweiligen Vorgesetzen festlegen, in welchen Bereichen er noch spezielle Trainings haben möchte. 2020 werden auch die Innogy-Einkäufer in die Akademie eingebunden. Es wird zudem länderübergreifende Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit und Talentprogramme mit Mentoring geben.
Beschaffung aktuell: Fragen die Mitarbeiter konkret nach, was sich für sie persönlich ändert?
Viohl: Ja. Aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich diese Fragen noch nicht erschöpfend beantworten, das ist einfach noch zu früh. Wir schauen zunächst einmal darauf, was sich zeitnah auf Beschaffungsseite realisieren lässt – also wie können wir unser Ausgabevolumen gemeinsam bearbeiten und optimieren, um den größtmöglichen Nutzen aus unserem Lieferantenportfolio zu ziehen? Wir beeinflussen mehr als sieben Milliarden Euro Ausgaben, das ist ein echtes Pfund. Da kann jeder sicher seine Rolle finden.
Beschaffung aktuell: … sofern er nicht angstgesteuert ist. Ein solches Projekt kann aber grundsätzlich neue Chancen bieten, gerade in disruptivem Umfeld, wo aufgrund von fehlenden Erfahrungen vieles nicht in Stein gemeißelt ist.
Viohl: Genau! Wir stemmen hier etwas ganz Großes. Wer hat denn sonst die Möglichkeit zu schauen, wie der ehemalige Wettbewerber agiert hat und was nun auf neue Wege gebracht werden kann? Gemeinsame Lieferantenmarktstrategien, Bedarfsbündelung, Konsolidierung von Lieferanten, Vertragsverhandlungen, Harmonisierung von Prozessen und Spezifikationen – das sind doch wunderbare neue Perspektiven für Einkäufer. Man muss die Aufbruchstimmung nutzen, das gilt auch für alle anderen Mitarbeiter in der neuen Eon.
Beschaffung aktuell: Neueinstellungen sind erst mal kein Thema im Einkauf, oder?
Viohl: Ich bin seit eineinhalb Jahren auf Sicht gefahren. Und jetzt sondieren wir erstmal. Aber ich schließe weiterhin nicht aus, dass wir uns an der einen oder anderen Stelle durch spezielles externes Know-how verstärken.
Beschaffung aktuell: Wie behandeln Sie das Thema Lieferanten und Verträge?
Viohl: Wir müssen und werden 600 bis 800 Millionen Euro Synergien aus der Übernahme heraus am Markt heben. Zwar nicht nur nicht über den Einkauf, aber bei uns liegt naturgemäß einer der größten Hebel für die Kostenseite hinter dem EBIT. Wir sind wie die Spinne im Netz. Wir shiften um, wo es kein Mengen-Commitment gibt. Wir generieren höhere Rabatte durch mehr Volumen. Wir schauen uns die Spezifikationen an und schreiben bei auslaufenden Verträgen gemeinsam neu aus. Wir bewerten Make or Buy neu. Meine Aufgabe als CPO ist auch, auf Lieferanten zuzugehen und nach deren Beiträgen zu fragen. Ein Beispiel: Für bestimmte Kabel brauchen wir keine zwei Ausführungen. Hier erwarte ich Ideen und eine überzeugende Story.
Beschaffung aktuell: Sind die Lieferanten noch in der Schockstarre? Obwohl ja nichts vom Himmel gefallen ist.
Viohl: Im März 2018 haben Eon und RWE ihre Pläne für die Neuausrichtung bekanntgegeben. Viele Lieferanten haben sich vorbereitet. Wer jetzt noch keine Antwort hat, ist schlecht dran.
Beschaffung aktuell: Wie gehen Sie bei den technischen Einkaufslösungen vor?
Viohl: Unser gemixtes Team erarbeitet gerade die IT-Digital-Strategie. Wir wollen nicht mehr in Tools investieren, die wir in ein paar Monaten wieder abschalten müssen.
Beschaffung aktuell: Wo setzen Sie derzeit Ihre Prioritäten?
Viohl: Die Komplexität und die Zahl der Aufgaben sind schon enorm, gar keine Frage. Priorisierung ist gerade meine größte Herausforderung. Es gilt schließlich, zwei Orchester zu takten und die richtige Tonalität zu finden. Dabei müssen wir auch lernen, bestimmte Dinge zunächst mal liegen zu lassen. Das geht eigentlich gegen meine Natur. Wir haben eine ehrgeizige Roadmap über eine lange Strecke. Unser Zielbild reicht zunächst bis 2022. Es geht jetzt um die Harmonisierung von Prozessen, Systemen und – ganz wichtig – um die Optimierung der Warengruppen und des Beschaffungsvolumens. Wir legen ja nicht überall nur Mengen übereinander. Wir müssen Geschäft auch anders machen, um in Zukunft weiterhin erfolgreich sein zu können. Ich persönlich war schon immer sehr nah an den Menschen. Ich muss mir jetzt aber noch mehr Zeit verschaffen, um auch die neuen Teammitglieder zu verstehen und zu motivieren. Da steht auch das Führungsteam aus Innogy und Eon in der Verantwortung. Aber das Kerngeschäft darf über allen Integrationsmaßahmen nicht vernachlässigt werden. Wir haben einen eindeutigen Performance-Fokus und müssen liefern. Jeder weiß das.
Beschaffung aktuell: Haben Sie Berater an Bord bei der enormen Komplexität?
Viohl: In der ersten Phase war ein Berater für uns aktiv, aber derzeit nicht mehr. Wir müssen erst einmal selbst analysieren, wie wir uns am besten aufstellen und wann welche Weichen zu stellen sind. Dafür haben wir auch gute, erfahrene eigene Leute.
Beschaffung aktuell: Eine Übernahme an sich birgt eine Menge Risiken. Wie sieht Ihre weltweite Risikolandkarte aus?
Viohl: Unsere Risiken ändern sich durch die Übernahme von Innogy nicht, die Geschäftsfelder und geografischen Regionen, in denen wir aktiv sind, sind ja dieselben. Aber Supply Chain an sich ist immer risikobehaftet. Handelskriege, instabile Märkte oder auch der Brexit sind für Eon schon ein Thema. Unsere globalen Risiken sind allerdings im Vergleich mit produzierenden Unternehmen überschaubar und handhabbar. Unsere Netze liegen in Europa, das Netz- und Kundengeschäft ist lokal. Wir haben z. B. mehr als 1,6 Millionen Kilometer Netz konzernweit, dafür gibt es zunehmend digitale Bedarfe. Das allein ist schon sehr herausfordernd. Dazu kommt als Risiko der angespannte Dienstleistungssektor, speziell der Tiefbau. Durch den Demografiewandel gibt es zunehmend weniger Fachkräfte am Markt. Die Fragen sind, wie wir uns in Zukunft Kapazitäten sichern, wie wir Prozesse wesentlich vereinfachen und beschleunigen können. Wir müssen für die Lieferanten attraktiv bleiben und für neue Partnerschaften interessant werden.
Beschaffung aktuell: Und wie macht sich ein Tanker wie Eon im Detail sexy?
Viohl: Wir müssen noch digitaler werden. Digitalisierung prägt dabei in Zukunft auch Bereiche, an die man zunächst nicht so denkt: Intelligente Ortsnetzstationen helfen uns, dezentrale Anlagen noch besser in das Übertragungsnetz zu integrieren. In Wartung und Instandhaltung testen wir 360-Grad-Kameras. Und wir denken über Drohnen nach. Die können belastbare Infos über den Zustand von Baustellen und Netzen liefern, ohne dass ein Trupp zur Bestandsaufnahme rausfahren muss. Wir müssen über Robotics und Hilfsmittel wie Smart Apps nachdenken, also über alles, was uns und unseren Dienstleistern die Arbeit erleichtert. Gemeinsam mit unseren Netzkollegen reden wir darüber auch mit den IT-Kollegen und Lieferanten. Wichtig ist aber auch der Blick ins Ausland: Wie weit sind andere? In China beispielsweise sind bei der Inspektion in Umspannwerken längst keine Menschen mehr tätig, sondern Roboter. Vielfach bringen unsere Mitarbeiter aus anderen Ländern Ideen und Impulse ein. Wir setzen stark auf Diversity.
Beschaffung aktuell: Wo sehen Sie den Einkauf bei Eon in fünf Jahren?
Viohl: Wir haben uns in den vergangenen Jahren massiv professionalisiert. Wir sind auf der Effizienz- und Effektivseite schon sehr gut. Wir haben ein Supply Chain Excellence Team, das zum Beispiel bei Ausschreibungen mit Best Practice Tools und Methoden sowie mit Data Analytics unterstützt und auch Robotics-Anwendungen zur Effizienzsteigerung entwickelt und implementiert. Diese Experten brauchen aber ein innovationsfreudiges Umfeld. Wir müssen wie gesagt noch smarter werden. Der Einkauf wird zunehmend nicht nur digitale Lösungen im eigenen Bereich implementieren, sondern vielmehr auch digitale Lösungen für unser Netz- und Kundenlösungsgeschäft einkaufen müssen. Allein zwei Milliarden Euro haben Eon und Innogy in 2018 ins deutsche Netz investiert, 25 Prozent davon für den Anschluss von Erneuerbaren Energieanlagen. In diesem Zusammenhang haben wir bei Eon z.B. 1500 intelligente Ortsnetzstationen mit digitaler Komponente eingekauft. Ich brauche Teams, die durch eine sinnvolle Zusammensetzung verschiedene Fähigkeiten und Fertigkeiten von Verhandlungstechniken bis Smart Analytics mitbringen, um gemeinsam noch besser zu werden. Daran arbeiten wir.
Das Interview führte Sabine Ursel, Journalistin, Wiesbaden.
Zum Unternehmen: Eon
… ist ein Betreiber von Energienetzen und energiewirtschaftlicher Infrastruktur in Europa. Im März 2018 gab Eon den Erwerb von Innogy bekannt. Nach Freigabe der Transaktion durch die EU-Kommission wurden die Innogy-Aktien im September 2019 übertragen.
Die neue Einkaufsmannschaft umfasst 750 Mitarbeiter. Das zukünftige Führungsteam besteht aus dem Chief Procurement Officer, Claudia Viohl, und acht Direktoren, die jeweils für eines der Geschäftsfelder der Eon bzw. für Indirect Spend & Digital Technologies, Procurement Operations, Supply Chain Excellence and Transformation verantwortlich sind. Das gemeinsame Einkaufsvolumen liegt bei rund sieben Milliarden Euro.
Zur Person: Claudia Viohl
… ist seit 2016 Senior Vice President Supply Chain (Chief Procurement Officer) bei der Eon SE in Essen. Zuvor leitete sie vier Jahre lang das Center of Competence Governance & Performance. Weitere Stationen: Leiterin des Eon-Vorstandsbüros (2008 bis 2012) sowie Abteilungsleiterin im Konzernrechnungswesen bei der Eon Ruhrgas AG (2001 bis 2007). Die gebürtige Bremerin wechselte 2001 von PricewaterhouseCoopers in den Konzern. Die Diplom-Ökonomin studierte an der Uni Oldenburg. Claudia Viohl ist Mitglied der Aufsichtsräte bei der Edis AG, Fürstenwalde, und Eon Energie Deutschland GmbH, München.