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Muda im Einkauf vermeiden

Lean Procurement: Globale Herausforderungen effizient bewältigen
Muda im Einkauf vermeiden

Veränderte Rahmenbedingungen erfordern eine schlanke globale Einkaufsorganisation: Den um nicht wertschöpfende Tätigkeiten, Muda, wie der Japaner sagt, erleichterten Einkauf nennen unsere Autoren Ralf Bechmann und Güray Karaca „Lean Procurement“. Nur so könnten die Einkaufsorganisationen die Potenziale globaler Beschaffungsmärkte ausnutzen.

Produzierende Unternehmen sind heute auf zunehmend globalisierten, hart umkämpften Märkten mit schwankenden Bedarfsstrukturen tätig. Gleichzeitig sind sie mit tendenziell steigenden Energie- und Rohstoffpreisen konfrontiert und müssen dem Trend zur Reduzierung der Fertigungstiefe folgen, um sich auf Kernkompetenzen konzentrieren zu können und Innovationszyklen zu verkürzen. Diese veränderten Rahmenbedingungen rücken die Einkaufsorganisation in den Mittelpunkt des Interesses. Um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, müssen sich Einkaufsorganisationen schlanker und reaktionsschneller aufstellen.

Eine nach „Lean-Procurement-Prinzipien“ gestaltete Einkaufsorganisation erfüllt genau diese Kriterien. Die schlanke Ausgestaltung der Einkaufsorganisation nach Lean-Prinzipien erstreckt sich dabei über die vier Handlungsfelder Strategie, Prozesse, Organisation sowie Mitarbeiter und Change Management.
Strategie
Die Lean-Procurement-Strategie verfolgt das Ziel, alle Bedarfe zu den besten Konditionen von den weltweit besten Lieferanten durch den Einsatz von Best-Sourcing-Methoden zu beschaffen.
Voraussetzung hierfür ist die Etablierung eines Category Management mit einer unternehmensweit einheitlichen Warengruppenstruktur, die auch indirekte Waren-gruppen, wie beispielsweise Marketing einbezieht. Erst unternehmensweite Ausgabentransparenz auf Warengruppenebene ermöglicht die Entwicklung optimaler Warengruppenstrategien und daraus abgeleiteter, optimaler Lieferantenstrategien.
Die Anforderungen auf globalisierten Märkten nach immer kürzeren Innovationszyklen werden durch enge Systempartnerschaften mit strategischen Lieferanten erzielt, die frühzeitig in den Entwicklungsprozess integriert werden. Bei der Beschaffung nicht strategischer Bedarfe kommen Warengruppen- und damit Lieferantenstrategien zum Einsatz die, die Marktpotenziale auf den zunehmend globalisierten Beschaffungsmärkten bestmöglich ausschöpfen. Die damit einhergehende Konsolidierung des Lieferantenportfolios verringert die Anzahl der Schnittstellen und schafft zusätzlichen Freiraum für die Bearbeitung strategischer Beschaffungsaufgaben. Daneben werden bessere Konditionen auf Basis größerer Volumen realisiert – ein Effekt, der durch konsequente Standardisierung, strikt bedarfsorientierte Spezifikationen und Value Engineering noch gesteigert werden kann. All diese Aspekte leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von „Muda“, wie der Japaner zu „Verschwendung“ sagt.
Prozesse
Zur Umsetzung eines Lean-Procurement-Ansatzes auf Prozessebene gilt es zunächst administrative Prozesse und Workflows zu automatisieren, um Doppelarbeit und nicht wertschöpfende Tätigkeiten zu eliminieren und so freie Kapazitäten für strategische Aufgaben zu schaffen. Dies wird durch die Verankerung von Pull- und Flow-Prinzipien im Bestellprozess und bei der Zahlungsabwicklung erreicht. Zur Automatisierung des Bestellprozesses ist ein Workflow für Bedarfsabrufe im Sinne eines „hands-free“ Procure-to-Pay-Prozesses zu implementieren. Damit entfallen administrative Tätigkeiten wie die Eingabe und Administration von Bestellungen.
Durch die Implementierung einer weitgehend automatisierten Rechnungsprüfung ist es möglich, über 80 Prozent des manuellen Aufwands bei der Zahlungsabwicklung, zu eliminieren. Der Lösungsansatz stützt sich dabei auf drei wesentliche Bausteine.
– Der erste Baustein, die systemseitig hinterlegte Bestellung wird bereits im Rahmen des Bestellprozesses im System generiert.
– Die Wareneingangsbuchung stellt den zweiten Baustein dar und wird nach Lieferung bzw. Leistungserbringung erzeugt.
– Moderne Scansysteme ermöglichen es, dass die Rechnung, der dritte Baustein, per Batch-Scan in sekundenschnelle ebenfalls systemseitig verfügbar gemacht werden kann. Beim 3-Way-Match werden dann Bestellungen, Wareneingänge und Rechnungen auf Ebene der Bestellpositionen unter Berücksichtigung definierter Toleranzen verglichen. Als Referenz dient dabei die Bestellnummer.
Danach können häufig über 80 Prozent der Zahlungen automatisch ausgelöst werden. Der verbleibende Aufwand zur Bearbeitung der restlichen Rechnungen kann darüber hinaus durch „Negative-Confirmations“ weiter gesenkt werden. Dabei werden Zahlungen ausgelöst, wenn der Genehmiger nicht innerhalb eines definierten Zeitraums widerspricht.
Damit ist der Weg frei, d. h. es sind freie Kapazitäten geschaffen, um sich strategischen Herausforderungen zu stellen.
Strategische Einkaufsprozesse zur Entwicklung optimaler Materialgruppenstrategien bilden dabei einen Kernaspekt zur Maximierung der Wertschöpfung durch Ausnutzung globaler Beschaffungsmarktpotenziale. Daneben wird der strategische Beschaffungsprozess im Rahmen des Lean-Procurement-Ansatzes um den Aspekt des Katalogmanagements ergänzt. Letzteres bedeutet, dass Produkte und Leistungen nach Vertragsabschluss umgehend in den Bestellsystemen zur Verfügung gestellt werden. Damit ist die Schnittstelle zwischen strategischem Einkauf und automatisiertem Bestellprozess etabliert. Transparente und effiziente Prozesse zum Vertragsmanagement, dem Lieferantenmanagement, Reporting und Controlling sowie ein Kommunikationsprozess, der den strategischen Einkauf hinsichtlich der Beantwortung von FAQ’s von den Bedarfsträgern entkoppelt, runden die Lean-Procurement-Prozesslandschaft ab.
Alle Mitarbeiter einbeziehen
Erfolgskritisch ist daneben die Implementierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Die Abläufe sind unter Einbeziehung aller Mitarbeiter in der Einkaufsorganisation laufend auf überflüssige, nicht wertschöpfende Aktivitäten zu überprüfen und entsprechend zu optimieren.
Organisation
Zielsetzung der beschriebenen Lean-Procurement-Prozesse ist die konsequente Vermeidung von „Muda“ in Form nicht wertschöpfender Tätigkeiten als notwendiger Voraussetzung zur Ausnutzung der Potenziale globaler Beschaffungsmärkte.
– Die strategischen Einkäufer bilden dabei in einer globalen Lead-Buyer-Organisation das Herzstück der Einkaufsorganisation. Sie entwickeln Warengruppen-Strategien, nutzen Bündelungseffekte, erstellen bedarfsgerechte Spezifikationen, standardisieren Produkte und betreiben Value Engineering, um optimale Ergebnisse für das Unternehmen zu erzielen. Dabei sind Chancen und Risiken weltweiter Beschaffungsmärkte zu berücksichtigen.
– Eine weitere Aufgabe ist die Implementierung von Verträgen, z. B. in Form von elektronischen Katalogen, um Bedarfsträgern die Möglichkeit zu geben, über eine Suchfunktion Produkte zu identifizieren und automatisierte Abrufe zu tätigen. Material- und Lieferantenstammdatenmanager sorgen im Hintergrund für verlässliche, aktuelle Datenbestände und schaffen dauerhaft Transparenz.
– Katalogmanager machen Produkte und Dienstleistungen im Einkaufssystem für die Bedarfsträger im Unternehmen verfügbar. Ein Helpdesk unterstützt Bedarfsträger bei Problemen sowie bei Bedarfsspezifikationen im Falle eines Neubedarfs, um dem strategischen Einkauf zeitnah alle wesentlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Somit werden unnötige Nachfragen durch den Fachbereich bei den strategischen Einkäufern reduziert und somit „Muda“ in diesem Prozess eliminiert.
Mitarbeiter (& Change Management)
Das Recruiting von geeigneten Mitarbeitern wird in einer Einkaufsorganisation, die nach Lean-Procurement-Prinzipien aufgestellt ist, ebenfalls zum Erfolgsfaktor. Ursache hierfür ist der beschriebene Wandel der Aufgaben eines Einkäufers, weg von administrativ geprägten Aufgaben zu einer strategisch-gestalterischen Rolle.
Auf der einen Seite sind dafür breite fachliche Kenntnisse über die verwaltete Warengruppe, den weltweiten Beschaffungsmarkt und potenzielle sowie vorhandene Lieferanten gefragt. Auf der anderen Seite sind auch Soft Skills für einen Einkäufer von zunehmender Bedeutung. Vor allem vor dem Hintergrund globaler Beschaffung ist es wichtig, dass ein Einkäufer interkulturelle Fähigkeiten aufweist, die idealerweise durch Auslandsaufenthalte gefestigt wurden. Darunter fallen sowohl Sprachkenntnisse, als auch Kenntnisse über lokale Verhandlungsgepflogenheiten und kulturelle Besonderheiten.
Die schlanke Einkaufsorganisation
Für eine konsistente Anwendung des Lean-Procurement-Ansatzes ist eine dreistufiger Prozess zu durchlaufen.
– In der ersten Stufe gilt es die Lean-Prinzipien in den Bereichen Strategie, Prozesse und Organisation zu verankern. Somit wird die Unternehmenskultur nachhaltig neu geprägt.
– Nach erfolgter Implementierung des Procure-to-Pay-Prozesses gilt es in einer Ramp-up-Phase bestehende Verträge und Warengruppen mit hohen Transaktionsvolumen möglichst schnell über diesen Prozess verfügbar zu machen.
Damit wird ein Prozess in Gang gesetzt, der die Einkaufsfunktion nachhaltig von nicht wertschöpfenden Tätigkeiten (Muda im klassischen Sinne) entlastet.

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