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Nachhaltigkeit als fünfte Dimension

Umweltschonende Unternehmen sichern ihre Profitabilität
Nachhaltigkeit als fünfte Dimension

Klimawandel und Klimabewusstsein beschäftigen zunehmend auch die Logistik und Supply Chain. Mit der Verschärfung der deutschen Klimaziele haben die Themen zusätzlich Fahrt aufgenommen. Des Weiteren üben Partner und Kunden vermehrt Druck auf Unternehmen aus und erwarten umweltbewusstere Produkte, weil Nachhaltigkeit gesellschaftlich in den Fokus gerückt ist.

Der Handlungsbedarf für Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit ist inzwischen akut geworden, zumal der Wandel Investitionen und Zeit abverlangt. Wer seine Produktion und Lieferketten nicht jetzt anpasst, setzt langfristig seine Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel, lautet das Credo vieler Wirtschaftsexperten.

Neu ist der Begriff Green Logistics zwar nicht, doch eine bedeutende Rolle nahm die Transformation hin zu umweltgerechten und ressourceneffizienten Logistikprozessen bislang nicht ein. Wirtschaftliche Faktoren standen für Unternehmen in den letzten Jahren noch im Vordergrund. Mit dem neuen Klimaschutzgesetz, dass für Deutschland die Klimaneutralität bis 2045 vorsieht, rückt das Thema Nachhaltigkeit und somit auch Green Logistics verstärkt in den Fokus – beziehungsweise lassen sich Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit nicht mehr getrennt voneinander denken. Denn nur nachhaltig wirtschaftende Unternehmen werden künftig noch wettbewerbsfähig sein, meint Dr. Jörg Pirron, Managing Director und Partner der Unternehmensberatung Protema GmbH. „Wenn Unternehmen nicht jetzt handeln, stehen ihr Gewinn und ihre Profitabilität auf dem Spiel“, ist Pirron überzeugt.

Gesetzgeber, Verbraucher und Partner machen Druck

Die verschärfte Gesetzgebung ist aber nur ein Faktor, der die Logistik zur Nachhaltigkeit drängt. Steigende Energiepreise treiben die Kosten in die Höhe. Immer mehr Verbraucher haben ein großes Umweltbewusstsein und machen ihre Kaufentscheidung von der nachhaltigen Wirtschaftsweise eines Unternehmens abhängig – hinzu kommen soziale Aspekte wie Fairtrade und das Verhindern von Kinderarbeit. „Auch Kooperationspartner setzen verstärkt auf eine positive Umweltbilanz in Partnerschaften“, weiß Pirron. Nicht zuletzt wirkt sich der Klimawandel selbst auf die Logistik aus: Extreme Wetterereignisse können Lieferketten schließlich empfindlich stören.

Ein Nachhaltigkeitsmanagement lässt sich zwar im Grunde in wenigen Wochen einführen, weiß Pirron, er betont aber: „Herausfordernd ist vielmehr, daraus die Transformation abzuleiten und umzusetzen.“ Denn um die Distribution komplett umzustellen, sind zum Teil Investitionen im dreistelligen Millionenbereich notwendig. Gut funktionierende Logistikzentren sollten daher zunächst auf die Modernisierung ihrer Anlagen und Prozesse setzen und alle bestehenden Ansatzpunkte sukzessive umsetzen.

Da wäre zum Beispiel der Energieverbrauch des Gebäudes, der sich durch moderne Anlagen und Gebäudesteuerung reduzieren lässt: Licht und Heizung müssen nicht an sein, wenn kein Personal da ist; moderne Regalbediengeräte zum Beispiel können mit Hilfe der Bremskraft Energie wiederverwenden. Auch können Unternehmen durch Solaranlagen einen Teil ihrer benötigten Energie selbst erzeugen. Im Verpackungsbereich gilt es auf nachhaltige Produkte zu setzen und Abfall zu vermeiden, um Ressourcen zu schonen. „Außerdem sollte konsequent die Digitalisierung der Supply Chain vorangetrieben werden“, fügt Pirron hinzu. „Durch den Einsatz eines Supply-Chain-Control-Towers und von Tracking-and-Tracing-Systemen lassen sich Transporte um ein Vielfaches effizienter auslasten, was wiederum eine bessere Verteilung der Ressourcen bedeutet. Auch die Lieferketten können dahingehend verändert werden, dass vermehrt Nearshoring betrieben wird.“ Beim Nearshoring werden ausgelagerte betriebliche Aktivitäten wieder zurückgeholt, um unter anderem lange Lieferwege zu vermeiden, da diese wie die Coronakrise gezeigt hat auch extrem störanfällig sein können. Um Lieferwege weiter zu optimieren, können Unternehmen den Transport teilweise auf die Schiene bringen und für Kurzstrecken auf Elektromobilität setzen.

Greenhouse Gas Protocol misst Umweltauswirkungen

Um Umweltauswirkungen in der Supply Chain sichtbar zu machen, ist das Greenhouse Gas Protocol der weltweite Standard. Es bietet eine Methodik, um die CO2-Bilanz eines Unternehmens zu berechnen. Wichtig dabei ist: „Die Messung sollte nicht einmalig erfolgen, sondern fest im Nachhaltigkeitsreporting verankert werden“, so Pirron. „Jeder einzelne Prozessschritt in der Lieferkette sollte mit Hilfe des Greenhouse Gas Protocols betrachtet werden. Und zwar im Hinblick darauf, wie sich der Energieverbrauch reduzieren lässt und wie die Energieerzeugung nachhaltig gestaltet werden kann.“ Für jeden Bereich lässt sich so abschätzen, was eine Veränderung bringen würde. Die erkannten Potenziale müssen priorisiert, quantifizierte Ziele gesetzt und Umsetzungsalternativen geprüft werden. Mit der anschließenden Umsetzung ist die Analyse allerdings nicht beendet, sondern sie muss vielmehr konstant überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie die gesetzten Ziele erreicht.

Der Aspekt Nachhaltigkeit sollte dabei fest in das Zielsystem und Reporting des Unternehmens integriert werden. Auch, weil Nachhaltigkeitsziele häufig mit Kosten verbunden sind – sowohl auf der Haben- als auch auf der Soll-Seite. Um die Ziele zu erreichen, sind Investitionen nötig, für die Unternehmen mitunter aber auch auf Förderprogramme zurückgreifen können. Bei Nichterreichen der Ziele drohen ebenfalls Kosten, klimaschonende Unternehmen stehen zudem beim Emissionshandel besser da: Wer weniger CO2 ausstößt, muss weniger Zertifikate kaufen, um seine Emissionen abzudecken.

Reportingsystem um Green Balanced Scorecard erweitern

Um ein Nachhaltigkeitsmanagement zu etablieren, können Unternehmen auf Vorhandenes aufsatteln: Das Reportingsystem, das ohnehin schon vorhanden ist, kann einfach um die Dimension der Nachhaltigkeit erweitert werden. So wird beispielsweise aus einer Balanced Scorecard eine Green oder Sustainable Balanced Scorecard. Diese Methodik misst, dokumentiert und steuert die Aktivitäten des Unternehmens, Nachhaltigkeitskennzahlen stellt die Global Reporting Initiative zur Verfügung. „Dabei ist die Green Balanced Scorecard vielmehr als ein bloßes Kennzahlensystem“, erläutert Pirron. „Sie startet mit den strategischen Zielen des Unternehmens, sucht für diese die passenden Kennzahlen und verknüpft sie mit konkreten Projekten und somit mit dem Firmenbudget.“

Den vier Unternehmensdimensionen Finanzen, Kunden, Prozesse und Unternehmensentwicklung sollten Unternehmen eine fünfte – die der Nachhaltigkeit – hinzufügen. Die Nachhaltigkeitsziele lassen sich zwar auch in den vier anderen Dimensionen unterbringen, „das ist aber weitaus schwieriger, als eine neue Dimension hinzuzufügen“, ergänzt Pirron. Wurden die Ziele erreicht? Muss an bestimmten Stellen gegengesteuert werden? Müssen oder können neue Ziele gesetzt werden? All das lässt sich durch das regelmäßige Reporting der Green Balanced Scorecard klären.

Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in Etappen

Kurzfristige Maßnahmen, die sich aus dem Nachhaltigkeitsmanagement ableiten lassen, betreffen die Effizienzsteigerung des Unternehmens: Energieverbrauch und Materialien reduzieren, um Ressourcen zu schonen. Mittelfristig fallen Modernisierungen an, zum Beispiel der Lkw-Flotte oder der Anlagen. Und langfristig kommen Unternehmen nicht um Neu-Investitionen herum, um ihre eigenen Nachhaltigkeits- und die deutschen Klimaziele zu erreichen.

Der Aufwand zahlt sich für Unternehmen aber aus: „Durch den geringeren Verbrauch an Energie und Material lassen sich bereits kurzfristig Kosten senken. Neue Flotten und Anlagen bedeuten zwar hohe Investitionen, reduzieren aber ebenfalls den Energieverbrauch und die damit verbundenen Kosten. Zudem gewinnen Unternehmen mit einer guten Umweltbilanz einen neuen Kundenstamm, sichern sich die Kundenloyalität und somit einen Wettbewerbsvorteil“, resümiert Pirron. Auch im Hinblick auf neue und bestehende Kooperationen wirkt sich eine gute Umweltbilanz aus – für immer mehr Partner ist Nachhaltigkeit Bedingung für eine Zusammenarbeit. Zusätzlich lassen sich durch Investitionen ins Nearshoring auch Risiken in den Lieferketten minimieren.

Nachhaltigkeit als Ziel im Unternehmen zu verankern ist bereits kurzfristig möglich. Die Umsetzung und Transformation aber bedeutet einen Aufwand an Kosten und Zeit. Durch die Verschärfung der Klimaziele wird die Zeit jedoch allmählich knapp. Deshalb sollten Unternehmen schon jetzt mit der Implementierung eines Nachhaltigkeitsmanagements beginnen. Langfristig stehen sie so im Wettbewerb besser da und ziehen bereits kurzfristig einen beträchtlichen Nutzen daraus.

Autorin: Julia Kowal, Journalistin

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