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Raues Pflaster mit Potenzial

Beschaffungsmarkt Peru
Raues Pflaster mit Potenzial

Peru könnte sich zum alternativen Beschaffungsmarkt entwickeln. Die Wirtschaft wächst voraussichtlich mit drei Prozent deutlich schneller als in den Nachbarregionen. Das Land hat rund 32 Mio. Einwohner, umfasst drei Vegetationszonen (Anden, Regenwald, Küste) und punktet mit Rohstoffen, hochwertigen Lebensmitteln, Baumwolle und motivierten Familienbetrieben. Dennoch ist in Sachen Business Geduld gefragt. Chaotischer Straßenverkehr, schwelende soziale Unruhen vor allem im Bergbau, Naturphänomene wie El Niño und viele (leichte) Erdbeben gilt es unter anderem als Kriterien in die Risikolandkarte aufzunehmen.

Holger Ehrsam, in Deutschland und Peru lebender Wirtschaftsberater, kennt die Stärken und Schwächen des Schwellenlandes aus dem Effeff. „Die USP Perus sind das verhältnismäßig stabile politische und rechtliche Umfeld sowie die geostrategische Lage am Äquator, die den Anbau von Lebensmitteln wie Quinoa sowie die Gewinnung von Alpaca- und Vikunja-Baumwolle in höchster Qualiät erlaubt.“ Der Lean-Management-Experte verweist aber auch auf Faktoren wie Überfälle, Korruption und gelegentliche Reise-Begleiterscheinungen wie Durchfall und Höhenkrankheit (ab 2000 Meter).

Wirtschaftspolitik
2016 gehen die Peruaner wählen, danach hoffen viele auf ein besseres Geschäftsklima. Zuletzt vermieste die Wirtschaftspolitik des von Korruption umrankten StaatspräsidentenOllanta Humala so manchem die Laune. Und auch die sinkende Nachfrage nach Rohstoffen, verbunden mit niedrigeren Preisen, macht dem Andenstaat zu schaffen. Neutrale Beobachter mahnen zudem Strukturreformen in Sachen Qualifizierung der Bevölkerung bzw. Arbeiter an. Sollte das 2015 verabschiedete Konjunkturpaket mit Fokus auf Steuerermäßigung und Bürokratieabbau fruchten, steigen auch die privaten Investitionen. Im „Doing Business Report 2016“ der Weltbank belegt Peru Platz 50 von 186 Ländern und den zweiten Platz in der Region Lateinamerika/Karibik (nach Mexiko; insgesamt 32 Länder). Die Registrierung von Besitz ist in Peru am unproblematischsten in der gesamten Region; das Entrichten von Steuern wird immerhin mit Platz zwei bewertet (nach den Bahamas).
Peru ist das dritte Land, mit dem Deutschland ein Rohstoffabkommen abgeschlossen hat (2014). Durch die Zusammenarbeit von Unternehmen und Forschungseinrichtungen sollen Potenziale zum beiderseitigen Nutzen erschlossen werden. Deutsche Unternehmen können z. B. in den Bereichen Umwelt- und Wassermanagement, Ressourceneffizienz oder bei der Rekultivierung stillgelegter Bergwerke innovative Lösungen anbieten. Seit 2013 ist das EU-Freihandelsabkommen mit Peru in Kraft.
Die Inflationsprognosen des IWF lagen bei 2,2 % zum Jahresende 2015 und bei 2,0 % für 2016 – beide Werte sind die niedrigsten in Südamerika. Bis 2013 war die Handelsbilanz Perus positiv. Seitdem führt das Land wertmäßig mehr Waren ein als aus; 2014 lag das Defizit bei 1,3 Mrd. US-Dollar. Deutschland stand 2014 auf Rang sechs der Lieferanten Perus, übertroffen von China, den USA, Brasilien, Mexiko und Ecuador. Für das Minus von 4,4 % im Vergleich zum Vorjahr aus Sicht der deutschen Exporte sind die Warengruppen Kfz (insbesondere Lkw) und elektrische Ausrüstungen verantwortlich, während die Ausfuhr von Metallerzeugnissen, Elektrogeräten, Pharmaprodukten sowie Gummi- und Kunststoffwaren stieg. Die Exporte von Maschinen verzeichneten mit 4 % das größte Plus. Peru exportiert die meisten Waren nach China, in die USA, die Schweiz (vorrangig Gold) sowie nach Kanada, Brasilien, Japan, Chile und Spanien. Deutschland fragt als achtwichtigster Handelspartner Erzeugnisse aus der Landwirtschaft und dem Chemiesektor sowie Kleidung nach. Im Wert dominieren die Lieferungen von Blei-/Kupfer- und Zinkerzen sowie von reinem Metall wie Zinn und Kupfer.
Gold, Silber, Kupfer, Zink, Blei, Eisenerz, seltene Erden, Kohle, Erdöl, Erdgas, Phosphat, Kaliumchlorid, Baumwolle, Holz sowie Spargel, Reis, Kakao, Kaffee (größter Bio-Exporteur), Maca (das Viagra Perus), Chia-Samen (vegan), Avocados, Weintrauben, Kochbananen, Äpfel, Limonen, Birnen, Koka, Tomaten, Mangos, Palmöl, Ringelblumen, Zwiebeln, Weizen, Gerste, getrocknete Bohnen, Fisch, Heilpflanzen, Blätter/Knollen, Wildkräuter (handgelesen im Urwald, u.a. für Naturkosmetik; zertifiziert) etc.
Fraport betreibt den Flughafen Lima Jorge Chavez International seit 2001 (70,01 % Anteil) und verantwortet auch Sicherheitsdienstleistungen, Planung, Entwicklung und Instandhaltung. Die Konzession läuft zunächst 30 Jahre. Im Skytrax-Ranking ging Lima mehrfach als „Best Airport in South America“ hervor. Viele Unternehmen nutzen den „Hugo“ als Hub am Pazifik für Asien Australien, USA und Europa.
Peru verfügt über sieben Containerhäfen; die Zufahrten wurden zuletzt stark ausgebaut (Private Public Partnership).
Das Schienennetz umfasst rund 2300 km (Ausbau stockt zuweilen), das Straßennetz 72 900 km (stark ausgebaut). Wichtigster Verkehrsweg ist die Panamericana. Straßen im Landesinnern bzw. in Andennähe sind teilweise rudimentär ausgebaut und anfällig. Viele Orte (etwa im Urwald) lassen sich nur per Kleinflugzeug erreichen.
In Peru agierende Unternehmen sind bspw. Fresenius (Vertriebsbüro), Kärcher (Vertriebsbüro; 2013 ein Sponsor der in Lima gestarteten Rallye Paris-Dakar), B. Braun Melsungen, Robert Bosch (beide mit Verbindungsbüros), Grünenthal (Pharma; seit 1968 in Lima, erste von heute 32 weltweiten Niederlassungen) sowie die Supermarktketten Veganz (vegan), Denn`s (Bio) und Edeka.
Eigene Fertigungsstätten haben z. B. die Messer-Gruppe (Industriegase), Heinz-Glas (Produktion und Veredelung von Klar- und Farbglas für Kosmetik und Fragrances), Bosch Siemens Hausgeräte (1996 übernahm BSHG mit Coldex den führenden peruanischen Hersteller von Kühlschränken/Gefriertruhen). Für Faber-Castell ist das 1965 gegründete Produktionswerk in Lima als Spezialist für alle Arten von Markern und Kugelschreibern heute eines der wirtschaftlichsten innerhalb der FC-Gruppe. Um die hohen Anforderungen und Normen des europäischen Marktes zu erfüllen und die Qualität der Rohstoffe und Endprodukte sicherzustellen, wurde in aufwendige Labor- und Analysegeräte investiert.
Peru ist zudem bedeutender Textilstandort: US-Firmen wie Hilfiger und Ralph Lauren lassen hier fertigen. Zentrum ist Gamara, gelegen im Stadtteil La Victoria der 8-Mio.-Einwohnermetropole Lima, mit Fabriken, Händlern und Showrooms.
Geschäfte machen
Hierarchie wird großgeschrieben – Verhandlungsergebnisse lassen sich nur mit dem Chef erzielen. In Gesprächen Verabredetes sollte unbedingt mehrfach bestätigt werden, um ehrliches Interesse zu dokumentieren. Geschäftsessen haben große Bedeutung, aber nicht zum heftigen Mittrinken verführen lassen. Auch die Ehefrau des peruanischen (potenziellen) Partners sollte pro forma eingeladen werden. In aller Regel sprechen nur wenige Führungskräfte englisch; gute Spanisch-Kenntnise sind hilfreich und geschätzt. Geschäftspartner werden mit dem Vornamen angeredet, man bleibt aber zunächst bei der „Sie“-Form. Gastgeschenke sind willkommen, insbesondere deutsche Markenprodukte wie Messer, Kristall und Wein (keine Schokolade).
Mentalität und Sicherheitshinweise
Einer der bekanntesten Botschafter des Landes ist Fußballprofi Claudio Pizarro (37, Werder Bremen, Bayern München), in ganz Europa als Garant für Tore und gute Laune bekannt. Peruaner gelten als offen und (gast-)freundlich. In Sachen Business sind längere Reaktionszeiten einzukalkulieren. Die Loyalität zum Arbeitgeber ist nicht sehr ausgeprägt, „länger als zwei Jahre bleibt selten einer im Job“, sagt Wirtschaftsberater Ehrsam. Hier gilt es also, Motivation zu schaffen. Familien wissen um die Bedeutung von Bildung, viele legen zusammen, um Verwandten ein Studium zu ermöglichen. Frauen sind verhältnismäßig gut ausgebildet, haben – zumindest im Job – „etwas zu sagen“.
Das Auswärtige Amt in Berlin rät, für den Flughafentransfer vom Flughafen nach Lima-Stadt ein Taxi bei den innerhalb des Ankunftsbereichs ansässigen Taxigesellschaften zu bestellen (www.lap.com.pe/). Auch im Landesinnern nicht wahllos in Taxen einsteigen, besser im Hotel vorbestellen. Überlandbusse meiden. Von vom Flughafen „Maria Reiche“ in Nazca abgehenden Flügen über die Nazca-Linien wird derzeit grundsätzlich abgeraten (schlechter technischer Zustand). Barabhebung von Landeswährung (Nuevos Soles) sowie von US-Dollar an Geldautomaten ist mit Kreditkarte überall möglich (Visa-Karte meist ohne Gebühr, bis zu ca. 500 Euro täglich), mit EC-Karte (Maestro-System) mit Gebühr.
Quelle: Germany Trade & Invest/GTAI, 2015

Sabine Ursel, Journalistin, Kommunikationsberatung, www.sabine-ursel.de
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