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Sauberes SRM-System

Straffung der Einkaufsorganisation bei Miele
Sauberes SRM-System

Der Miele-Einkauf arbeitet jetzt mit einem umfassenden Supplier- Relationship-Management-System. Ein Konzept, das sich gewaschen hat: Es bringt dem ganzen Unternehmen Vorteile, beträchtliche Effizienzsteigerung im Einkauf und den „eSolution-Preis“ des BME. Unsere Autorin Kirsten Seegmüller beschreibt, was andere Unternehmen lernen können.

Standardisierte Beschaffungsprozesse und individuelles Einkaufen sind die Basis einer unternehmensweiten Optimierung – diese Quadratur des Kreises ist der Miele & Cie. KG gelungen: Mit einer Matrix-Organisation, einem globalen Lead-Buyer-Konzept und einem leistungsfähigen Lieferantenportal setzt das Unternehmen auch weiterhin auf eine teilweise dezentrale Beschaffung, allerdings nach einheitlichen Vorgaben. Damit lassen sich Lieferantenkontakte strukturiert erfassen, Vorzugslieferanten vorgeben und das Maverick Buying unterbinden. Die einheitliche Informationsbasis schafft zudem mehr Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette. Da viele Routineaufgaben wegfallen, bleibt mehr Zeit für den strategischen Einkauf.

„Wir standen vor der Herausforderung, ein globales Lead-Buyer-Konzept mit standardisierten Beschaffungsprozessen und einheitlicher Informationsbasis in einer dezentralen Organisation zu optimieren“, sagt Hans Krug, Leiter des Zentralbereichs Einkauf die Ausgangssituation vor rund vier Jahren. Vor allem aber wollte Krug die Blickrichtung wechseln: Realistische Prognosen sollten die analysierende Rückschau ersetzen. „Die meisten Unternehmen führen ihr Controlling vergangenheitsorientiert über die Bestellungen im ERP-System durch“, erklärt Krug. Das zeige aber nur, wie der Einkauf in der Vergangenheit gearbeitet hat – also welche Lieferanten welche Teile zu welchen Kosten geliefert haben. „Wir wollten nicht immer in den Rückspiegel schauen, sondern nach vorne.“ Agieren statt reagieren. Bei Mehrjahresverträgen fällt oft erst nach der Vergabe auf, dass unternehmensweit bessere Optionen vorhanden gewesen wären. „Daher muss vor der Auftragsvergabe Transparenz geschaffen werden“, so Krug.
Lead Buyer geben die Richtung vor: Miele leitet seine Einkaufsstrategie von der übergeordneten Geschäftsstrategie ab. Verantwortlich dafür ist das Materialgruppenmanagement (MGM), die vernetzte Beschaffungsorganisation in der gesamten Unternehmensgruppe. Für jede Warengruppe wird eine eigene Materialgruppenstrategie definiert, woraus zielorientierte Lieferantenstrategien entwickelt werden. Immer mit dem Ziel vor Augen, den Wertbeitrag des Einkaufs zu steigern. Kostensenkungspotenziale werden ebenfalls werk- und funktionsübergreifend umgesetzt. Dazu müssen den Einkäufern an allen Standorten alle relevanten Informationen und Prozesse zur Verfügung stehen. „Für eine Effizienzsteigerung im Einkauf, die konzernweite Durchsetzung des Lead-Buyer-Konzepts und der konzernweiten Bereitstellung von Lieferantendaten war die Realisierung eines umfassenden Supplier-Relationship-Managements (SRM) ein logischer Schritt“, betont Hans Krug.
Die technische Lösung. Für die technische Umsetzung einer zentralen Informations- und Kommunikationsplattform fiel die Wahl auf den Cloud-Anbieter Pool4tool. „Da die SaaS-Lösung (Software-as-a-Service) von uns gehostet wird, muss die Software nicht installiert werden und Miele benötigt keinen eigenen Server“, nennt Vorstand Thomas Dieringer als wesentlichen Vorteil. Die Einkäufer rufen die Plattform einfach über ihren Browser auf. Sie ist über eine eigene Sammelschnittstelle an das SAP-System angeschlossen und über eine sichere Verbindung (Virtual Private Network; VPN) für alle produzierenden Werke weltweit erreichbar. Zunächst hat Miele alle relevanten Stammdaten in Pool4tool hochgeladen“, so Dieringer, „die Ergebnisse von Anfragen werden dann an den Miele-Server zurückgeschickt.“
Bei der E-Solution geht es um alle Prozesse, die vor dem eigentlichen Bestellvorgang stattfinden – also um Lieferantenselbstauskunft, Lieferantenauswahl, Verträge, etc. Hier kommt der Lead Buyer ins Spiel. „Der Strategische Einkauf entscheidet, welche Lieferanten ausgewählt werden“, erklärt Projektleiter Ralf Vigelius. Das System zeigt allen Einkäufern die Vorzugslieferanten an. Denn je nach Materialgruppe gibt es viele, wenige oder manchmal nur einen Lieferanten, die entsprechend schwer zu finden sind. „Über das Tool wird sichergestellt, dass nur die Lieferanten angefragt werden, die der Lead Buyer freigegeben hat“, betont Vigelius. Durch die Bündelung von Bedarfen erhöht sich so die Bestellmenge, was wiederum zu besseren Konditionen führt. Wer seine Teile anderswo bestellen möchte, muss das begründen.
Wie wichtig die Straffung der Einkaufsorganisation bei Miele ist, zeigt sich bei einem Blick in die Unternehmensstruktur: Das Unternehmen arbeitet weltweit mit mehr als 8000 Lieferanten zusammen – 2000 allein im Bereich des direkten Materials. Der Einkauf besteht aus 14 Einkaufsorganisationen an zwölf Standorten, vier davon im Ausland. Bei der so genannten hybriden Einkaufsorganisation besitzt zwar jeder Standort einen eigenen Einkauf, aber es verhandeln nicht mehr 14 Einkaufsabteilungen mit einem Lieferanten. Das heißt, dass zum Beispiel nur der Materialgruppenmanager für Stahl/Metall mit den Stahlfirmen verhandelt, und zwar für den weltweiten Bedarf.
Die Durchführung. Das Projekt ging 2009 an den Start und war auf drei Jahre ausgelegt. Die Umsetzung der Lieferantenplattform mit SAP-Integration erfolgte in mehreren Projektphasen. In der ersten Phase lag der Schwerpunkt im Strategischen Einkauf wie etwa dem Lieferantendatenmanagement und der elektronischen Ausschreibung (E-Sourcing). In der zweiten Phase wurde die operative Beschaffung in das Kommunikationssystem integriert. Das Modul „Purchase Order Management“ (POM) unterstützt Miele dabei, sein Bestellwesen bei indirekten Materialien weiter zu automatisieren und den operativen Einkauf bei häufig wiederkehrenden Tätigkeiten zu entlasten, indem Bestellungen über das Portal an den Lieferanten kommuniziert werden und der Lieferant seine Auftragsbestätigung im Portal rückgemeldet bekommt.
Nachdem die Plattform eingerichtet war, hat Miele weitere Themenbereiche ergänzt: So kann der Lieferant zum Beispiel die Lieferantenlangzeiterklärung (LLE) pro Material selbst online ausfüllen. Über die Schnittstelle werden diese Daten direkt in SAP übertragen – ein manuelles Einpflegen entfällt. „Das reduziert den administrativen Aufwand deutlich und garantiert eine lückenlose Dokumentation“, so Krug. Im Rahmen der Optimierung und Automatisierung von Routineaufgaben muss die Wertschöpfungskette jedoch immer rechtssicher sein. Beispielsweise werden Verträge aus dem Modul Vertragsmanagement mit dem Sourcing-Modul (Request for Quotation; RFQ) verknüpft. Dadurch können Anfragen nur bei Vorlage gültiger Verträge, etwa einer Vertraulichkeitsvereinbarung, versendet werden. Mit der Vergabe-Roadmap (SAP) können schließlich kürzere Projektlaufzeiten in der Serienentwicklung durch eine erhöhte Transparenz erreicht werden. In diesem Jahr kommen die 4tool-Module Analytics, 360°-Lieferantensicht, Dokumentenmanagement und E-Auctions hinzu.
Online statt Papier. Die werk- und funktionsübergreifende Erarbeitung und Umsetzung von Kostensenkungspotenzialen bei der sogenannten „vernetzten Beschaffung in der Miele-Gruppe“ wird durch die Beschleunigung und Vereinfachung der Einkaufsprozesse stark unterstützt. „Im Vergleich zu früher konnten wir die Dauer von Anfragen deutlich senken“, freut sich Vigelius, „teilweise um bis zu 45 Prozent.“
Der Vorteil der Plattform: Was früher in der Zentrale in Gütersloh als Papierdokumente in Aktenordnern aufbewahrt wurde, kann nun jeder Verantwortliche online einsehen: Dort ist alles hinterlegt – globale Verträge, die AGB der Lieferanten, Rahmenverträge, Qualitäts- und Geheimhaltungsvereinbarungen und vieles mehr. Jeder Einkäufer sieht, welche Lieferanten für welche Materialgruppe bereits freigegeben sind oder sich noch im Freigabeprozess befinden. „Da das System viele Aufgaben selbstständig erledigt und protokolliert, ist es nicht nur transparenter als eine manuelle Steuerung, sondern auch rechts- und compliancesicher“, erklärt Krug, „mit einer zentral gesteuerten Lieferantenauswahl kann er die Einkaufsprozesse nun besser steuern.“
Für die Prozessoptimierung und die Einführung der neuen Plattform hat der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) Miele mit dem Preis „Excellence in eSolutions 2013“ gewürdigt.
„Das Konzept zeichnet sich durch beachtliche effizienzsteigernde Effekte und Kostensenkungspotenziale aus“, begründet Dr. Holger Hildebrandt, Sprecher der BME-Jury, die Entscheidung. Die transparente Systemstruktur führe zu höherer Produktivität und einer Reduzierung von Fehlern. „Die Organisationstransparenz ist deutlich gestiegen. Lieferanten werden über ein einheitliches, mehrsprachig ausgelegtes System eingebunden, auf Verträge haben die Verantwortlichen jederzeit Zugriff. Wir begrüßen die revisionssicheren compliancegerechten Prozesse.“
Die beiden Unternehmen haben von Anfang an eine klare Roadmap zur Einführung eines umfassenden SRM entwickelt. „Dazu haben wir im Vorfeld mit allen betroffenen Abteilungen gesprochen“, erklärt Dieringer. Neben dem Strategischen und Operativen Einkauf waren das die Entwicklung, die IT und die Qualitätskontrolle. „Bereits beim Projektstart haben wir gemeinsam mit Miele definiert, wie man über mehrere Jahre hinweg die Prozesse und Organisation entwickeln und welche Milestones man wann erreichen will.“
Heute ist die Lieferantenplattform fest in den Abläufen verankert. Trotzdem finden auch weiterhin regelmäßige Projektsitzungen statt, um das System ständig zu verbessern.
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