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„So schließt sich der Materialkreislauf“

Krishna Manda, Vice President of Corporate Sustainability der Lenzing AG
„So schließt sich der Materialkreislauf“

„So schließt sich der Materialkreislauf“
Krishna Manda, Vice President of Corporate Sustainability, Lenzing AG. Bild: Lenzing
Biologische Rohstoffe sind für die Textilbranche elementar. Dementsprechend hoch sind dort die Anforderungen an Nachhaltigkeit und das entsprechende Bewusstsein der Verbraucher. Krishna Manda, Vice President of Corporate Sustainability der österreichischen Lenzing AG, erläutert im Interview, wie aus Holz nachhaltige Fasern entstehen und mit welchen Mitteln das transparent dargestellt werden kann.

Das Interview führte Yannick Schwab, Beschaffung aktuell.

Beschaffung aktuell: Herr Manda, wie definieren Sie Nachhaltigkeit bei Lenzing?

Krishna Manda: Nachhaltigkeit ist ein zentraler Wert der Lenzing AG. Dabei fokussieren wir uns auf drei Schlüsselprinzipien. Erstens, die Förderung der Kreislaufwirtschaft: Wir entwickeln neue Kreislauflösungen und geben damit Abfällen in allen Bereichen des Kerngeschäfts ein neues Leben. Zweitens treiben wir den systemischen Wandel in der Branche voran: Wir haben verantwortungsvolle Praktiken und Lösungen eingeführt, die es unseren Kunden und Partnern in der Wertschöpfungskette ermöglichen, ihre Umweltleistung zu verbessern und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Drittens wollen wir die Wertschöpfungskette ökologisieren: Verantwortungsvolle Praktiken in der Beschaffung, Wassermanagement, Dekarbonisierung und nachhaltige Innovationen bilden die Grundlage für Lenzings umweltfreundliche Wertschöpfungskette. Zudem wollen wir bis 2050 klimaneutral sein.

Wie werden Cellulosefasern CO2-neutral hergestellt?

Manda: Wir setzen hier auf die Säulen „Reduce“, „Engage“ und „Offset“. Mit denen reduzieren wir die CO2-Bilanz des Produkts aktiv, binden die Branchenpartner in die Maßnahmen ein und kompensieren unvermeidbare Emissionen. Um Lenzings Kohlenstoff-Netto-Null-Ziel langfristig zu erreichen, setzen wir auf Energiereduktion, Einsatz erneuerbarer Energien, neue technologische Innovationen und Engagement der Lieferanten. Wir möchten außerdem bessere Arbeitsprozesse implementieren, um den Umfang der Kompensationsmaßnahmen weiter zu verringern.
Wir sind hier auf einem guten Weg, denn die CO2-neutralen Faserprodukte von Lenzing haben den geringsten CO2-Fußabdruck in der Faserkategorie. Für Lenzing ist die Beschaffung kohlenstoffarmer Rohstoffe wichtig, um CO2-neutrale Fasern anzubieten. Das ist auch ein Mehrwert, den die Marken ihren Kunden verkaufen können, denn die Endkunden achten, neben Preis und Qualität, immer mehr auf den ökologischen Fußabdruck ihrer Kleidung.

Wie wichtig sind Ihren Kunden CO2-neutrale Fasern – insbesondere bei Arbeitskleidung?

Manda: Im Bereich Arbeits- und Schutzkleidung besteht ein wachsender Bedarf an umweltfreundlicherer Schutzkleidung – aber natürlich dürfen dabei Sicherheit und Komfort nicht leiden. Wir haben dafür ein neues Angebot an kohlenstoffneutralen Lenzing-FR-Fasern für das Segment der Schutzkleidung entwickelt, gemeinsam mit unserem langjährigen Partner Textil Santanderina. Durch eine Partnerschaft mit dem europäischen Stoffhersteller Klopman zeigen wir, wie unsere 2020 eingeführten kohlenstoffneutralen Lyocell- und Modalfasern der Marke Tencel im Segment Berufsbekleidung eingesetzt werden können.

Wie stark ist die Textilindustrie von angespannten Lieferketten und steigenden Rohstoffpreisen betroffen?

Manda: In der Tat sieht sich die Branche mit einigen Störungen konfrontiert. So wird grundlegend erwartet, dass die anhaltend hohen Preise und die Volatilität auf den Rohstoffmärkten eine Herausforderung für die Textilindustrie bleiben werden. Gleichzeitig sehen wir ein hohes Interesse daran, auf nachhaltigere und regionalere Produkte zu setzen, da hier eine größere Versorgungssicherheit besteht. Wir erwarten, dass der holzbasierte Cellulosefasersektor stark wächst. Für Modalfasern erwarten wir eine Wachstumsrate von 5 bis 10 Prozent und für Lyocellfasern 20 bis 30 Prozent.

Lenzing hat sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu sein. Wie setzen Sie dieses Ziel um?

Manda: Um die Dekarbonisierung unserer Wertschöpfungsketten weiter voranzutreiben, arbeiten wir eng mit unseren Partnern zusammen und entwickeln auch unsere Produktpalette weiter. Wir setzen dabei auf die Nutzung eines saubereren Energiemixes sowie Investitionen in eine höhere Produktionseffizienz und klimaneutrales Wachstum. Wir gehen außerdem über den Kohlenstoffausgleich hinaus, um unsere Markenfasern Tencel, Veocel und Lenzing FR klimaneutral zu stellen.

Wie gewährleistet Lenzing Transparenz und Rückverfolgbarkeit in seiner Lieferkette? Was hat es mit dem Faseridentifizierungssystem auf sich?

Manda: Im Jahr 2020 haben wir die Faseridentifikationstechnologie für unsere Viskosespezialfasern der Ecovero-Marken eingeführt. 2021 haben wir die Technologie auf Fasern der Marken Tencel und Veocel ausgeweitet und damit unser Engagement für Transparenz in der Lieferkette verstärkt. Unsere Faseridentifikationstechnologie ermöglicht die physische Identifizierung der Faserherkunft in verschiedenen Stadien von Textilprodukten, wie z. B. auf Garn-, Stoff- und Kleidungsebene. Dies ermöglicht eine vollständige Rückverfolgbarkeit der Fasern, schützt sie vor Fälschungen und gewährleistet die Echtheit der in den Produkten verwendeten Materialien. Außerdem können Marken so nachvollziehen, wie ihre Produkte hergestellt wurden. Die Identifizierung der Fasern ist ein wesentlicher Bestandteil des Zertifizierungsprozesses für Stoffe im Rahmen des Lenzing-E-Branding-Service. In Zusammenarbeit mit TextileGenesis haben wir eine Blockchain-fähige Plattform zur Rückverfolgbarkeit der Lieferkette eingeführt.

Welche Rolle spielt die Vernetzung mit anderen Akteuren in den Lieferketten?

Manda: Zusammenarbeit ist für jede Marke der Schlüssel zum Erfolg und wir sind stolz darauf, mit so vielen talentierten und inspirierenden Partnern aus aller Welt in der Lieferkette zusammenzuarbeiten. Die nachhaltigsten Faserinnovationen können nur dann einen Mehrwert schaffen, wenn sich alle nachfolgenden Verarbeitungsstufen zu einem ebenso hohen Maß an Nachhaltigkeit verpflichten. Aus diesem Grund tauschen wir unser Wissen aus und entwickeln gemeinsam mit allen Partnern entlang der Wertschöpfungskette Lösungen. Wir haben natürlich immer die Bedürfnisse der Verbraucher im Blick und arbeiten eng mit unseren Partnern zusammen, um diese Bedürfnisse unter Einhaltung unserer Nachhaltigkeitsgrundsätze zu erfüllen.

Lenzing nennt sich selbst „Champion der Kreislaufwirtschaft“. Wie werden Sie diesem Titel gerecht?

Manda: Wir setzen auf verschiedene Elemente der Kreislaufwirtschaft, die im Detail alle in unserem digitalen Nachhaltigkeitsbericht einsehbar sind. Unsere Produkte stammen aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz, der aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und Plantagen bezogen wird. Die Fasern von Lenzing sind kompostierbar und werden am Ende ihrer Nutzung biologisch abgebaut. So schließt sich der Materialkreislauf und gleicht sich dem biologischen Kreislauf an, was eine natürliche Kreislaufwirtschaft darstellt. Die Bioraffinerien von Lenzing und die Lyocell-Technologien mit geschlossenem Kreislauf sind ressourceneffizient, da das Holz in all seine Bestandteile zerlegt und der Zellstoff ohne jegliche chemische Veränderung gelöst und verarbeitet wird. Seit 2017 treiben wir die Kreislaufwirtschaft mit der Refibra-Technologie voran, bei der bis zu 30 Prozent Baumwollzellstoff aus upgecycelten Baumwollabfällen aus der Bekleidungsproduktion mit Holzzellstoff gemischt werden, um neue Lyocellfasern der Marke Tencel herzustellen. CO2-neutrale Tencel-Lyocellfasern mit Refibra-Technologie wurden im vergangenen Jahr ebenfalls eingeführt, um die Nachhaltigkeit der Fasern zu verbessern. Im Jahr 2021 starteten wir darüber hinaus die Tencel-Limited-Edition-Initiative, bei der wir Tencel-Markenfasern unter Verwendung unkonventioneller nachhaltiger Rohstoffe wie Orangenschalen neu erfanden. Die neue Faser wurde im Oktober 2021 auf den Markt gebracht und zu Stoffen verarbeitet. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit unseren Partnern zusammen. Gemeinsam mit Södra, einem weltweit führenden Zellstoffhersteller, treiben wir die Entwicklung von Kreislauftechnologien für das Upcycling von cellulosehaltigen Textilabfällen im kommerziellen Maßstab voran.

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