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Trumponomics: Turbo oder Rohrkrepierer?

Trump und die Auswirkung auf die deutsche Wirtschaft
Trumponomics: Turbo oder Rohrkrepierer?

Ist Donald Trump ein Held wie einst Ronald Reagan, der Amerika nach seinem Amtsantritt in 1981 mit einem damals auch heftig umstrittenen Paradigma-Wechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik aus einer tiefen Krise wieder nach oben führte, oder ist das, was Trump im Wahlkampf verkündet hat und nunmehr Schritt für Schritt umzusetzen scheint, alles nur ein Rohrkrepierer? Steuert er die amerikanische Wirtschaft und mit ihr die Weltwirtschaft in eine neue schwere Krise?

Wenn man der Aufwärtsentwicklung an der amerikanischen Börse und in deren Gefolge auch an anderen Börsen glauben darf, dann ist der 45. amerikanische Präsident ein Heilsbringer, der genau zur richtigen Zeit gekommen ist und wie ein Regenmacher wirkt. Immerhin: Allen Unkenrufen zum Trotz hat er es geschafft, die Finanzmärkte aus ihrer Lethargie zu holen. Ohne ihn wäre das Börsenjahr 2016 recht trübe zu Ende gegangen und hätte nicht mit einem Kursfeuerwerk geendet. Sicherlich wäre auch das Börsenjahr 2017 nicht so gut gestartet. In der Tat eilt der Dow Jones von Rekord zu Rekord, und auch der DAX hat seit der Trump-Wahl kräftig zugelegt. Was soll also das ganze Gezetere über Trump? Ist dies eine Verkennung der Tatsachen?

Vordergründig bietet sich das Bild, dass Trump doch eigentlich alles richtig macht, indem er dem legendären Ronald Reagan und den sogenannten Reagonomics nacheifert. Aber: Man muss schon genauer hinsehen, um zu einer ausgewogenen Beurteilung zu kommen. Bekanntlicherweise werden an der Börse Erwartungen gehandelt, und solange genügend Anleger positive Erwartungen haben, steigen die Kurse getreu dem Motto „Buy on rumours, sell on facts“. Erwartungen der Börsianer, die vor allem ihre kurzfristigen Deals machen wollen, sind aber wie ein flüchtiges Reh. Sie ändern sich oftmals binnen Minuten. Insofern sagen Börsenindizes über den Zustand der Realwirtschaft nur bedingt etwas aus.
Die von Trump geschürten Erwartungen
basieren auf drei Programmpunkten seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik:
Der erste Programmpunkt heißt kreditfinanzierte Infrastrukturinvestitionen, mit denen er seinem Mantra „America first“ gerecht werden will. Es ist klar, dass sich die Börsen und viele Unternehmer im Übrigen auch in Europa auf die neuen Aufträge freuen und in den Startlöchern liegen – sei es beim umstrittenen Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko oder beim Bau von Straßen und Krankenhäusern.
Der zweite Programmpunkt sind massive Steuersenkungen: So ließ der neue Präsident am 9. Februar 2017 mit großem Auftritt wissen, etwas Phänomenales in Sachen Steuerentlastung stehe unmittelbar bevor. Dem Dow Jones reichte alleine diese Ankündigung für ein neues Rekordhoch, denn steuerliche Entlastungen würden Investitionen in den USA attraktiver machen und natürlich auch den Konsum forcieren.
Der dritte Programmpunkt heißt Deregulierung der Wirtschaft. Es ist absehbar, dass unter Trump die strengeren Regeln für Banken und Finanzmärkte nach der Finanzkrise wohl zumindest teilweise wieder zurückgenommen werden. Die amerikanischen Banken jubilieren, und deren Aktien haussieren. Zur Deregulierung gehört aber auch die Abschaffung oder Rückführung von Umweltschutzauflagen. In der Konsequenz können die Ölkonzerne möglicherweise ihre Pipelines endlich weiterbauen und auch in ganz neue Gebiete vorstoßen.
Diese drei Programmpunkte auf dem Wege zu „America first“ sind von der neuen US-Administration noch nicht im Detail ausformuliert worden. In Anbetracht der Sprunghaftigkeit des Präsidenten darf und muss bei der Konkretisierung sicherlich noch mit mancherlei Überraschungen gerechnet werden.
Sein Ziel ist jedoch klar: Mit seinem Programm will Donald Trump zum größten Jobgenerator (in den USA) aufsteigen, den die Welt je gesehen hat.
Bei der Verfolgung seiner Ambition zeichnet sich deutlich ab, dass Trump die drei genannten Programmpunkte kombinieren will mit einer globalisierungsfeindlichen, auf Abschottung setzenden Handelspolitik verbrämt unter der Chiffre eines fairen Handels zwischen Amerika und dem Rest der Welt. An dieser Stelle wird es dann echt gefährlich für die Handelspartner wie etwa China, Deutschland und Japan, die mehr in die USA exportieren als sie von dort importieren.
Öffentlichkeitswirksam – und in diesem Feld versteht der neue Präsident sein Metier – wurden Konzerne wie etwa BMW (aber auch amerikanische Konzerne wie Ford und Boeing etc.), darauf hingewiesen, dass sie Produkte für den amerikanischen Markt in den USA und nicht in Mexiko produzieren sollen. Ansonsten drohe ein Einfuhrzoll von 35 Prozent. In die gleiche Richtung gehen im Raum stehende Steuerreformen, denen zufolge Ausgaben für importierte Vorleistungen nicht mehr steuerlich abzugsfähig wären, wohingegen erzielte Exporterlöse nicht mehr besteuert würden. Eine solche Besteuerung – im Fachjargon als Grenzausgleich bezeichnet – wirkt wie ein Importzoll bei gleichzeitiger Exportsubvention (s. Meinungsbeiträge von Jens Südekum in F.A.Z. vom 24.1.2017 sowie Clemens Fuest im Handelsblatt, 9.2.2017). Sieht so fairer Handel aus?
Hier droht ein Bruch des weltweiten Handelssystems mit gravierenden Konsequenzen für die Weltwirtschaft und die in der Globalisierungsphase aufgebauten Wertschöpfungsketten. Dies macht die deutsche Exportwirtschaft nervös, und es ist abzusehen, dass der deutsche Rekordüberschuss im Außenhandel Trumps Kritik befeuern wird. Schon jetzt wird von der neuen US-Administration die Mär verbreitet, Deutschland würde in seinem Interesse den Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar manipulieren.
Zwar sind die währungspolitischen Vorstellungen der neuen US-Administration noch nicht konkretisiert, aber es stimmt schon bedenklich, wenn Trump davon spricht, dass er den Dollar für zu stark halte („It is killing us“). Es steht daher zu vermuten, dass er die oben genannten Programmpunkte noch um gezielte Währungsmanipulationen „anreichern“ wird, die den Dollar künstlich verbilligen.
Was ist nun von den Trumponomics, wie sie sich abzeichnen, zu halten? Machen diese Amerika wie angekündigt great again?
Kurzfristig wirken sie wie ein Strohfeuer. Unternehmen setzen Verlagerungsentscheidungen aus. Die Popularität von Trump bei seinen Wählern insbesondere im Mittleren Westen steigt, da dort der Job-Motor anspringt.
Mittelfristig ist die Politik der Trumponomics jedoch nicht tragfähig und macht Amerika und die Weltwirtschaft schwächer. Die Trumponomics können nach der Euphorie und dem Börsenfeuerwerk zu einer tiefen Rezession führen. Sie sind keine wohl dosierte Neuauflage der Reagonomics aus den 80er-Jahren und sind nicht die richtige Medizin, um Amerika wieder nachhaltig wettbewerbsfähiger zu machen.
Als Ronald Reagan 1981 an die Regierung kam, hatte die zweite Ölkrise die US-Wirtschaft in eine Rezession gestoßen. Der Boden für eine zyklische Erholung war bereitet, und dabei erhielt die Wirtschaft Rückenwind durch den Kollaps der Ölpreise, eine damit einhergehende sinkende Inflation und einen deutlichen Abstieg der Zinsen von ihrem Rekordniveau. Die Arbeitslosigkeit war hoch, sodass Löhne und Gehälter durch die expansive Fiskalpolitik zunächst nicht befeuert wurden. Hinzu kam eine im Vergleich zu heute überschaubare amerikanische Staatsverschuldung, die es vertrug, dass Ronald Reagan mehr Schulden zur Finanzierung seines Programms machte.
Heute haben die USA eine Staatsverschuldung in Höhe von 105 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Dies ist mehr als doppelt so viel wie die Staatsverschuldung zum Ende der Amtszeit von Reagan in 1989.
Insofern ist die Ausgangssituation für Donald Trump in 2017 eine völlig andere als die von Ronald Reagan. Amerika hat heute nahezu Vollbeschäftigung (Arbeitslosenquote 4,7 %, Stand 12.2016, Quelle: Eurostat), auf fallende Öl- und Rohstoffpreise kann in nächster Zeit nicht gesetzt werden, und die Verschuldung des Staates aber auch der Unternehmen ist dank der langen Niedrigzinsphase bedenklich hoch.
In diesem Umfeld heizen die kreditfinanzierte Ausweitung der Staatsausgaben in Verbindung mit der Verteuerung der Importe die Inflation in den USA an. Die Schuldentilgung wird auf künftige Präsidenten verlagert. Die amerikanische Notenbank FED wird die Zinsen aggressiver erhöhen, als dies eigentlich geplant war. Die zunächst einsetzende Beschäftigungsausweitung in den USA wird in Kombination mit höheren Dollarzinsen den US-Dollar weiter stärken. Durch die Aufwertung wird aber der Abbau des amerikanischen Leistungsbilanzdefizites wieder konterkariert, und die neu geschaffenen Arbeitsplätze geraten in Gefahr.
Hinzu kommt, dass die anderen Länder dem Treiben der USA nicht tatenlos zusehen werden. Es besteht die Gefahr, dass sie in eine Abwertungsspirale eintreten, die mittelfristig nur Verlierer kennt. Es drohen Handelskriege, denn weder die angedrohten Importzölle noch die Grenzausgleichsabgaben sind kompatibel mit dem geltenden Recht der Welthandelsorganisation (WTO). Europa, China und Mexiko werden ihrerseits mit Strafzöllen auf amerikanische Importe reagieren, und dies würde in den USA wiederum Arbeitsplätze kosten. Abschottung führt dazu, dass das Handelsvolumen insgesamt schrumpft und dass es weniger statt mehr Arbeitsplätze gibt.
Ein ganz entscheidender Faktor, den Donald Trump vermutlich bisher nicht auf der Rechnung hat, kommt noch hinzu: Wenn sich die Dinge so entwickeln wie hier beschrieben, ist keineswegs sicher, dass die bisherigen Gläubiger der USA, auch weiterhin bereit sein werden, die überbordenden amerikanischen Schulden zu finanzieren. Die Kapitalmärkte könnten Donald Trump daher die rote Karte zeigen. Die Trumponomics würden dann endgültig zum Rohrkrepierer werden und würden viel verbrannte Erde zurücklassen.
Fazit: „Our country first“ das ist das Mantra des Populismus. Die dafür eingesetzten Maßnahmen wie expansive Fiskalpolitik, Währungsabwertung und Abschottung nach außen sind die Rezepte der Nostalgie, die in die merkantilistische Zeit verweist, als der Staat noch alles regeln konnte. Diese Zeit ist endgültig vorbei. Die Prozesse der Globalisierung können nicht umgekehrt werden; allerdings müssen sie durch robuste internationale Strukturen gebändigt werden.
Dabei muss es gelingen, die neoliberalen Exzesse, die das Finanzielle allein in den Vordergrund stellen, und auf die von Globalisierung und technologischem Wandel Abgehängten wenig Rücksicht nehmen, einzudämmen und mit einer austarierten Sozialpolitik zu flankieren, um den Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die richtige Politik ist die, die möglichst viele Menschen fit macht für die Globalisierung und den technologischen Wandel. So sieht ein Turbo für uns alle aus.

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Prof. Dr. Robert Fieten, wissenschaftlicher Berater der Beschaffung aktuell, Köln
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